Was diese Juden und Palästinenser hoffen lässt

    Krieg in Nahost:Juden und Palästinenser: Was sie hoffen lässt

    Jenifer Girke
    von Jenifer Girke, aus Israel
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    Der Deutsch-Israeli Meron Mendel reist in sein Heimatland – selten war die Zukunft Israels so gefährdet. Eines begegnet ihm aber immer wieder: der Glaube an Frieden.

    Auf dem Bild ist ein trauernder Mann am Grab zu sehen.
    Wie geht es weiter mit Israel? Begleitet von ZDF-Reporterin Jenifer Girke reist der Historiker Meron Mendel in seine Heimat, trifft jüdische und arabische Israelis und fragt, ob Frieden noch möglich ist.11.12.2023 | 39:15 min
    Seit Jahrzehnten setzt sich der deutsch-israelische Pädagoge Meron Mendel für die Aussöhnung zwischen Juden und Palästinensern in Israel ein. Zum ersten Mal seit dem 7. Oktober reist er in sein Heimatland. Begleitet für eine ZDF-Doku besucht er Freunde und Familie, um ihnen beizustehen, zu trösten und selbst Trost zu finden.
    Der Schmerz des Landes ist offensichtlich - doch ebenso ist es sein unerschütterlicher Glaube an eine Lösung, die Frieden bringen kann. Für Palästinenser und Juden.

    Meron Mendel

    ... ist Historiker, Publizist, Pädagoge. Professor für Soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences und Direktor der Bildungsstäte Anne Frank Frankfurt am Main.

    Meron Mendel wuchs in einem Kibbuz auf, studierte in Haifa und in München Pädagogik und Jüdische Geschichte, promovierte in Frankfurt am Main.

    Als junger Soldat im besetzten Hebron suchte er das Gespräch mit jüdischen Siedlerkindern, demonstrierte mehrmals gegen die rechte Politik Netanjahus und auch seine Arbeit als Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Deutschland ist teilweise von dem Wunsch eines friedlichen Israels geprägt. 

    In seinem Buch "Über Israel reden – Eine deutsche Debatte", das im März 2023 erschienen ist, plädiert er für eine differenzierte Debatte über den Nahost-Konflikt. Der 7. Oktober 2023 hat alles verändert, doch Mendels Anspruch, Brücken zu bauen, bleibt.

    Awad starb als stolzer Palästinenser und stolzer Israeli

    Die Hamas machte keinen Halt vor Palästinensern, auch sie waren Zielscheibe. Unter ihnen: Der Cousin von Mohammad Darawshe. Der 23-jährige Awad war Rettungssanitäter auf dem Supernova-Festival. Als der Terror begann, war er Anlaufstelle für viele Verletzte. Seine Kollegen rannten um ihr Leben - Awad weigerte sich, dachte, er könnte vermitteln. "Er sagte: ‘Ihr geht, ich spreche Arabisch. Ich komme schon klar.'" Keine sechzig Sekunden später trafen ihn zwei Schüsse.
    Verwüstung nach Angriff der Hamas auf Musikfestival
    Beim Angriff auf das Supernova-Festival am 7. Oktober starben mehr als 360 Menschen. Fünf Überlebende berichten von ihren traumatischen Erfahrungen und dem Kampf zurück ins Leben.01.12.2023 | 29:50 min
    Auf seiner Beerdigung beteten sowohl muslimische Imame als auch jüdische Rabbiner. Awad starb als stolzer Palästinenser und stolzer Israeli. Er selbst hatte die Versöhnung zwischen Palästinensern und Juden zu seiner Lebensaufgabe gemacht, das Friedenszentrum "Givat Haviva" im Norden Israels gegründet.

    Wenn sich mehr Menschen in Führungspositionen - ob Israelis, Palästinenser, Juden, Araber, Muslime, Christen, an Werte wie Menschlichkeit orientieren würden, wären Entscheidungen vielleicht anders.

    Mohammad Darawshe, Cousin von Awad

    Zwei-Staaten-Lösung: Der einzige Weg?

    Man merkt - Cousin Mohammad Darawshe ist frustriert: "Ich glaube, ohne eine politische Lösung werden wir viele 7. Oktober haben." Für ihn ist die Besatzung das zentrale Problem, ohne Zwei-Staaten-Lösung werde eine Aussöhnung nicht umsetzbar sein:

    Wir können persönlichen Frieden zwischen uns schaffen, du als Jude und ich als Palästinenser. Aber für kollektiven Frieden braucht es politische Strukturen.

    Mohammad Darawshe, Cousin von Awad

    Mit Meron Mendel durch Israel
    Meron Mendel ist Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. Zum ersten Mal seit dem Terrorangriff der Hamas ist er in seine Heimat Israel zurückgekehrt, um Familie und Freunden beizustehen. 13.12.2023 | 2:26 min

    Jüdisches Elternpaar opfert ihr Leben für den Sohn

    An ein friedliches Zusammenleben glaubten auch Shachar und Shlomi Mathias - enge Freunde von Mendel. Sie lebten im Kibbuz Holit direkt am Gazastreifen. Dort wurden sie brutal ermordet. Hamas-Terroristen stürmten in ihr Haus, die beiden versteckten sich mit ihrem 16-jährigen Sohn Rotem im Schutzraum. Der erinnert sich:

    Dann legte sich meine Mutter auf mich. Ich hörte die Angreifer 'Allahu Akbar' schreien. Es gab Schüsse, sie warfen eine Granate.

    Rotem, Sohn des verstorbenen Shachar und Shlomi Mathias

    Seine Eltern waren sofort tot. Fast eine Stunde verharrte Rotem unter dem leblosen Körper seiner Mutter. Ohne ihre Aufopferung hätte er nicht überlebt. 

    Der 7. Oktober als Wendepunkt?

    Sharchars Mutter Rahel erzog ihre Kinder zum Frieden. Nach dem Tod ihrer Tochter zweifelt sie:

    Es reicht nicht mehr aus, Frieden zu wollen, wenn man es mit jemandem zu tun hat, der Frieden grundsätzlich ablehnt.

    Rahel, Sharchars Mutter

    Ilan, Vater der ermordeten Shachar, will den Glauben an eine politische Lösung dennoch nicht aufgeben: "Ich bin nur noch mehr davon überzeugt, dass der einzige Weg die Zwei-Staaten-Lösung ist. Es kann also auch ein Wendepunkt sein."
    Ein Wendepunkt: Daran möchten sie gerne glauben - Trost darin finden, dass der Tod ihrer Tochter nicht umsonst war.

    Hoffnungsträger: Jüdische und arabische Schüler

    Shachar und Shlomi Mathias waren Mitbegründer einer bilingualen Schule in Be’er Sheva - es ist die einzige im Süden Israels. Auch - oder gerade - jetzt lernen hier über 300 Juden und Palästinenser bis zur 6. Klasse Seite an Seite.
    Israels Schulen sind in der Regel unterteilt, arabische und jüdische Kinder werden systematisch voneinander getrennt. Genau das will Schulleiterin Avital Benshalom, eine langjährige Freundin von Mendel, ändern:

    Es ist ein Grundproblem der israelischen Gesellschaft. Ein jüdisches Kind hat keine Gelegenheit, sich mit einem arabischen Kind zu treffen, bis es zur Universität geht.

    Es ist ein Grundproblem der israelischen Gesellschaft. Ein jüdisches Kind hat keine Gelegenheit, sich mit einem arabischen Kind zu treffen, bis es zur Universität geht.

    Für die Kinder ist das gemeinsame Lernen ganz normal, erzählt der neunjährige Yousseff: "Die Juden lernen unsere Sprache und wir Araber lernen ihre Sprache. Sie lernen unsere Feiertage, wir lernen ihre Feiertage. Es macht einfach Spaß, an dieser Schule zu sein."
    Echte Friedensarbeit beginnt durch Bildung, davon ist auch Meron Mendel überzeugt. 

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