Meinungsfreiheit: Unterschiede zwischen USA und Deutschland
USA vs. Deutschland:Woher die Kritik an der Meinungsfreiheit kommt
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Team Trump lobt die Meinungsfreiheit der USA und kritisiert die in Deutschland. Wo liegen die Grenzen und was sind die Unterschiede der beiden Länder?
US-Vizepräsident J.D. Vance kritisiert, dass andere Meinungen in Europa zu oft zensiert werden. Seine Rede und die Analyse bei ZDFheute live.14.02.2025 | 43:13 min
US-Präsident Donald Trump inszeniert sich als Verfechter der Meinungsfreiheit. Dass auch Deutschland für das "Team Trump" dahingehend kein Vorbild ist, zeigte sich spätestens, als Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte, die Meinungsfreiheit in Europa sei "auf dem Rückzug".
Umgang mit Hasskommentaren und Kritik von Medien
Eine kürzlich ausgestrahlte Dokumentation der US-Sendung "60 Minutes" über den Umgang mit Hasskommentaren in Deutschland - und die Konsequenzen daraus - heizte die Diskussion weiter an. Gleichzeitig wird der Trump-Regierung von Experten vorgeworfen, die Meinungsfreiheit in den USA einzuschränken.
Es gab in Trumps ersten Wochen schon eine Reihe von Bedrohungen der Meinungsfreiheit in den Vereinigten Staaten, die von der Trump-Regierung ausgingen.
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Sarah McLaughlin, Wissenschaftlerin für globale Meinungsäußerung
Dafür nennt Sarah McLaughlin, Wissenschaftlerin für globale Meinungsäußerung bei der Foundation for Individual Rights and Expression in Philadelphia, zwei Beispiele: "Momentan haben wir ein sehr hochkarätiges Thema. Bei dem geht es möglicherweise um die Abschiebung eines Green-Card-Inhabers, aufgrund von Äußerungen, die er gemacht hat." Außerdem habe Trump versucht, Medien zu bestrafen, weil sie seine bevorzugte Terminologie nicht verwenden wollten.
Trump hat die Nachrichtenagentur AP nach einem Streit um die Bezeichnung des Golfs von Mexiko vom Weißen Haus ausgeschlossen. Europa wirft er derweil fehlende Meinungsfreiheit vor.15.02.2025 | 1:30 min
Schutz der Meinungsfreiheit in USA und Deutschland garantiert
Im Vergleich zum Rest der Welt haben die Vereinigten Staaten grundsätzlich einen sehr, sehr starken Schutz der Meinungsfreiheit.
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Sarah McLaughlin, Wissenschaftlerin für globale Meinungsäußerung
Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel macht es noch deutlicher: "In den USA existiert nach dem ersten Verfassungszusatz faktisch eine nahezu 'absolute Meinungsfreiheit'. Der Staat darf nur in extremen Ausnahmefällen einschränkend eingreifen."
Die Meinungsfreiheit in Deutschland ist durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt. "Aber mit gesetzlichen Schranken, zum Beispiel bei Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede", erklärt Steinhöfel.
Der erste Zusatzartikel (First Amendment) zur Verfassung der Vereinigten Staaten schützt die Meinungsfreiheit. Er lautet ins Deutsche übersetzt:
Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das die Einrichtung einer Religion betrifft oder die freie Ausübung derselben verbietet; oder die Freiheit der Rede oder der Presse einschränkt; oder das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und die Regierung um Abhilfe von Beschwerden zu bitten.
In Deutschland ist die Meinungsfreiheit im Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt. Der Wortlaut:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. […] (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
In Deutschland würden allerdings die Nutzer sozialer Medien einen besseren Schutz gegenüber rechtswidrigen Eingriffen von Social Media in die Meinungsfreiheit genießen, "weil der Nutzer sich auf die Grundrechte berufen kann", so Steinhöfel. "In den USA gilt das nur gegenüber den Handlungen durch den Staat selbst."
Die enger gesteckten Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland sind nicht zuletzt auf die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus zurückzuführen.
Wie neutral sind die Social-Media-Plattformen? 18.02.2025 | 8:41 min
US-Expertin: Amerikaner schockiert, nicht mehr "Idiot" sagen zu können
Ein Beispiel: Beleidigungen können in Deutschland eine Straftat sein. In den USA gebe es keine vergleichbaren Einschränkungen in Bezug auf die Rechte, andere zu beleidigen oder zu belügen, "einschließlich und insbesondere Politiker", erklärt McLaughlin.
... ist eine US-amerikanische Politikwissenschaftlerin. Sie forscht zum Thema globale Meinungsäußerung bei der "Foundation for Individual Rights and Expression" in Philadelphia. Die Organisation setzt sich für die Verteidigung der individuellen Rechte, insbesondere der Meinungsfreiheit, ein.
Es gebe nur sehr wenige Arten von Äußerungen, für die die Regierung jemanden bestrafen könne, "und dabei handelt es sich in der Regel um echte Drohungen und Aufforderung zu gesetzlosen Handlungen von Gewalt", so die Expertin.
Offen gesagt: Ich glaube, viele Amerikaner wären schockiert, wenn sie sich vorstellen würden, jemanden nicht mehr als "Idioten" bezeichnen zu können.
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Sarah McLaughlin, Wissenschaftlerin für globale Meinungsäußerung
Damit nimmt McLaughlin Bezug zur CBS-Doku "60 Minutes", in der deutsche Fälle gezeigt werden,
wie die Beschlagnahmung des Handys und Laptops einer Frau, der vorgeworfen wird, einen Politiker beleidigt zu haben,
oder den Fall eines Mannes, der wegen angeblicher antisemitischer Äußerungen angeklagt wird - und auch, weil er einen Politiker als "Berufsidioten" bezeichnete.
Mit dem kulturellen Verständnis von Meinungsfreiheit in den USA ist die Irritation über die Beispiele der Dokumentation für McLaughlin nachvollziehbar: "Ich glaube, dass den Amerikanern die Vorstellung sehr fremd ist, dass man mit irgendwelchen Konsequenzen seitens der Regierung rechnen muss, weil man jemanden im Internet beleidigt."
Nach der Kritik des US-Vizepräsidenten J.D. Vance am Umgang der deutschen Justiz mit Hasskriminalität verteidigte das niedersächsische Justizministerium seine Arbeit. Es sei "weiterhin richtig, dass die niedersächsische Landesregierung die Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet mit hoher Priorisierung verfolgt", sagte ein Ministeriumssprecher. "Wir beobachten, dass sich normale Menschen aus der Debatte im Internet zurückziehen, weil dort Hasskommentare überhandnehmen." Das sei "Gift" für die offene Debatte und die Demokratie. Meinungsfreiheit sei ein wichtiges Gut. Sie finde aber ihre Grenze "in den Rechten anderer". Daher sei es richtig, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen würden. (epd)
US-Vize Vance äußerte erneut Zweifel an der Meinungsfreiheit in Deutschland. Auch behauptete er, dass die deutsche Verteidigung vom amerikanischen Steuerzahler subventioniert wird.21.02.2025 | 0:22 min
Steinhöfel: Vance mit Kritik ins Schwarze getroffen
Nach der Reihe an Äußerungen in Reden, dass die Meinungsfreiheit in Europa auf dem Rückzug sei, nahm Vance auch die CBS-Doku zum Anlass, um gegen Deutschland auszuteilen.
Medienanwalt Steinhöfel ordnet ein: "Wegen gerichtlicher Schritte der Bundesregierung gegen Journalisten und der wiederholten Missachtung des Auskunftsrechts der Presse durch die Bundesregierung haben wir im Jahre 2024 16 Verfahren gegen die Bundesregierung geführt und alle - bis zum Bundesverfassungsgericht - gewonnen."
… vertritt als Jurist und Publizist seit Jahren die These, dass in Deutschland die Meinungsfreiheit unzulässig eingeschränkt sei. Vor Gericht erwirkte der Rechtsanwalt 2018 die erste einstweilige Verfügung, mit der Facebook Löschungen verboten wurden. "Sein eigenes Grundrecht auf freie Meinungsäußerung kostet er mit offensivem Genuss aus", schreibt "Die Zeit" 2024 über Steinhöfel: "er lebt vor, was er predigt, er polemisiert, streitet, geht andere auf der Plattform X hart an".
Führende Politiker würden laut Steinhöfel bis zu Tausend oder mehr Strafanzeigen erstatten, "teilweise - aber nicht nur - wegen Lappalien wie 'Schwachkopf'", so Steinhöfel. "Meldestellen legen Akten über Bürger an, die Äußerungen 'unterhalb der Strafbarkeitsgrenze' tätigen, also sich rechtmäßig verhalten", zählt der Rechtsanwalt auf. Und weiter: "Es gibt zahlreiche schwerwiegend fehlerhafte Strafurteile der unteren Instanzen gegen fraglos zulässige Meinungsäußerungen."
Kurz: Vance hat mit seiner Kritik in der Sache ins Schwarze getroffen.
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Joachim Steinhöfel, Rechtsanwalt
Donald Trump unterzeichnet ein Dekret nach dem anderen. Damit bringt er nicht nur internationale Beziehungen ins Wanken, sondern auch die US-Demokratie.05.03.2025 | 6:58 min
"Kritik berechtigt" - auch bei US-Regierung?
Der Wissenschaftlerin für globale Meinung zufolge sei es berechtigt, darauf hinzuweisen, dass es "einige wirklich besorgniserregende Bedrohungen für die Redefreiheit in Europa gibt." Auch sie selbst sei "besorgt über Verhaftungen wegen Online-Reden im Vereinigten Königreich und in Deutschland."
Doch gleichzeitig macht sie klar:
Ich denke, dass J.D. Vance sich sehr viel genauer ansehen sollte, was seine eigene Regierung hier in den USA tut.
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Sarah McLaughlin, Wissenschaftlerin für globale Meinungsäußerung
Quelle: dpa
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