Leben zwischen Trier und Kiew: Ein paar Wochen Heimat
Leben zwischen Trier und Kiew:Nur ein paar Wochen Heimat
von Susanne Freitag-Carteron, Claudia Oberst
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Die Ukraine ist ihre Heimat, aber seit zwei Jahren lebt Iryna in Deutschland. In Sicherheit vor dem Krieg. Über die Feiertage ist die 19-jährige nach Kiew zurückgekehrt.
Iryna besucht ihre Familie in Kiew - eine lange Reise in eine zum Teil zerstörte Heimat.29.12.2023 | 4:25 min
Ein Bahnwaggon mit Einschusslöchern, Panzer, ausgebrannte Autos - all das steht mitten in Kiew auf dem Michaelplatz. Zwischen diesen Kriegs-Mahnmalen stehen die 19-jährige Iryna und ihre Freundin Sofija.
"In ihren Gesichtern sieht man Traurigkeit oder Leid", fährt Iryna fort. "Und die Zahl der Behinderten, der Menschen, die Gliedmaßen verloren haben, hat erheblich zugenommen." Man sieht ihr an, wie sehr Iryna das mitnimmt. Sie ist gerade zu Besuch in ihrer Heimatstadt Kiew.
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Als der Krieg ausbrach, brachte ihre Mutter sie und ihre Schwester nach Deutschland. Dort lebt Iryna jetzt immer noch. Ihre Freundin Sofija ist in Kiew geblieben, studiert BWL. "Es war schwer, aber wenn Iryna kommt, dann ist es immer ein Fest und wir genießen jede Minute zusammen", sagt Sofija.
40 Stunden Fahrt für ein Wiedersehen der Familie
In Deutschland lebt Iryna in einer WG im rheinland-pfälzischen Trier. Sie kam vor zwei Jahren als Austauschstudentin. Heute macht sie ein Fernstudium in Kiew. Kontakt zur Familie geht über Facetime, auf Instagram postet sie ihren Alltag. Zuletzt modelte sie für eine Freundin, die Modedesign studiert. Modeln - das könnte ein Berufstraum sein, aber es ist nicht der einzige: "Ich habe viele Traumjobs. Journalismus, Modeln - oder Astronautin", sagt Iryna und lacht.
Über Weihnachten war klar: Sie musste unbedingt zu ihrer Familie - ihren Eltern, der Schwester und dem kleinen Bruder Andreji, der vier Jahre alt ist. Sie verfolgt im Netz den Krieg, macht sich viele Sorgen.
Trier-Kiew - das sind 40 Stunden Fahrt. Zwei Busse, dann geht es mit dem Zug weiter. Mitte Dezember fuhr sie los. Bei einem Zwischenstopp in Warschau traf sie sich mit einer Freundin, die wie sie vor dem Krieg geflohen ist. Andere Freunde leben in Italien, Frankreich, den USA.
Rosen und Tränen zur Begrüßung in Kiew
Das Wiedersehen mit der Familie ist voller Emotionen. Ihre Eltern warten mit Rosen am Bahnsteig, Tränen fließen. Irynas Vater macht sich Sorgen um seine Tochter, die so schnell selbstständig werden musste, ihren Alltag in einem fremden Land ohne die Hilfe der Familie meistern muss.
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Irynas Mutter ist glücklich, an Weihnachten all ihre Kinder um sich zu haben: "Dieses Familiengefühl zeigt uns, dass wir zusammen stark sind. Diese Kraft den Kindern zu vermitteln, das ist sehr wichtig. Damit sie das Gefühl haben, dass egal, was mit ihnen los ist, sie ihr Zuhause haben, wohin sie zurückkehren können und wo man immer auf sie wartet."
Als Iryna ihren Bruder Andreji vom Kindergarten abholt, klammert er sich an seine große Schwester, als wolle er sie nie wieder loslassen. Seit Tagen hat er seine Eltern immer wieder gefragt, ob Iryna auch wirklich komme. Jetzt ist sie da. Und Spielzeug hat sie ihm auch mitgebracht.
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Irynas großer Traum: Frieden für die Ukraine
Seit zwei Jahren lebt Iryna einen Spagat zwischen Deutschland und der Ukraine. Als sie mit ihrer Freundin Sofija über den Michaelplatz spaziert, wird ihr wieder einmal bewusst, wie sehr der Krieg ihr Land und ihr Leben verändert hat.
"Ich habe gemischte Gefühle. Es ist Weihnachten, ich bin bei meiner Familie, meinen Eltern, meinem Bruder und meiner Schwester, andererseits weiß ich, dass in dem Land Krieg herrscht, Leid und Traurigkeit anhalten", sagt Iryna. Nach Silvester fährt sie nach Butscha und Irpin, will ihren Landsleuten beim Wiederaufbau helfen. Mitte Januar geht es zurück nach Trier. Ihr größter Traum: Frieden für ihr Land.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.