Streit um Finanzierung:Ukraine-Hilfen werden zur Wahlkampf-Munition
von Nils Metzger
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Um die Finanzierung weiterer Ukraine-Hilfen ist eine Schlammschlacht zwischen den Parteien ausgebrochen. Die Spitzenkandidaten teilen heftig aus. Warum eine Einigung so schwer ist.
Noch vor der Bundestagswahl streiten die Parteien um weitere Militärhilfen. (Symbolbild)
Quelle: dpa, AP
Die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf unterstützen, solange wie es nötig ist - das ist eigentlich politischer Konsens zwischen SPD, Grünen, FDP und Union. Und trotzdem hat sich im laufenden Wahlkampf rund um die Ukraine-Hilfen eine politische Massenkeilerei entwickelt, in der sich das politische Spitzenpersonal stetig an wechselnden Fronten beharkt.
Die Grünen nutzen die Gelegenheit, um sich von der SPD abzugrenzen, die FDP sieht eine Chance zur Genugtuung und Kanzler Olaf Scholz gibt den Kassenwart. Alle Parteien sind sich der verwundbaren Flanken der Gegenseite bewusst, weshalb die Angriffe reihum selten ihr Ziel verfehlen.
Soll die Ukraine drei Milliarden Euro zusätzliche Hilfen aus Deutschland bekommen?19.01.2025 | 4:02 min
Worum geht es inhaltlich?
Noch vor der Bundestagswahl sollen die Ukraine-Hilfen für das laufende Jahr um drei Milliarden aufgestockt werden, darauf haben sich SPD, Grüne, FDP und Union grundsätzlich verständigt. Aber der Weg dahin ist unklar.
Der Bundeshaushalt für 2025 weist weiterhin riesige Lücken auf - also Ausgaben, die bislang nicht gedeckt sind. Scholz beziffert sie auf 26 Milliarden Euro, die drei Milliarden für die Ukraine kämen nochmal obendrauf. Die SPD will die Mehrausgaben über neue Schulden regeln und drängt erneut auf die Außerkraftsetzung der Schuldenbremse - im Wissen, dass Union und FDP das nicht mittragen werden.
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von Robert Meyer
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FDP und Grüne geben Kanzler Schuld an Blockade
"Herr Scholz nimmt jetzt tatsächlich die Ukraine in Geiselhaft", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr im ZDF-Morgenmagazin. Und Parteichef Lindner schrieb auf X, Scholz "schlage um sie wie ein Ertrinkender". Die Milliarden für die Ukraine könne man durch Einsparungen bei der Bundeswehr aufbringen, so Lindner - was deren klamme Finanzlage verschärfen würde.
Scholz als Blockade-Grund weiterer Ukraine-Hilfen darzustellen, dürfte der FDP-Spitze sehr gelegen kommen - schließlich begründete der Kanzler seine Entlassung von Christian Lindner als Finanzminister im November 2024 auch damit, dass weitere Ukraine-Hilfen mit ihm nicht möglich gewesen seien.
Scholz handele "unmoralisch", weil er Rentnerinnen und Rentner gegen Hilfen für die Ukraine ausspiele, so FDP-Fraktionschef Christian Dürr.21.01.2025 | 5:07 min
Auch die Grünen stimmen in diesen Chor mit ein. In der ARD-Sendung "Maischberger" warf Robert Habeck dem Kanzler am Dienstag vor, dass für SPD-Wahlversprechen jenseits der Ukraine Geld da sei. "Umgekehrt hatte die SPD jetzt keine großen Probleme zu beantragen, mehr für E-Autos zu tun oder die Netzentgelte noch abzuschaffen."
Bereits vergangene Woche hatte Außenministerin Annalena Baerbock Scholz vorgeworfen, die Ukraine-Hilfen als Wahlkampfthema zu missbrauchen und aus Angst um verlorene Wählerstimmen "das Fähnchen in den Wind zu hängen".
Es gäbe "die Hoffnung, dass es jetzt eine starke Unterstützung von den USA geben könnte, die Russland an den Verhandlungstisch zwingt", erklärt Claudia Major, Sicherheitsexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik.22.01.2025 | 6:12 min
Scholz kritisiert Kontrahenten als "Sprücheklopfer"
Nicht minder hart im Ton schießt Scholz zurück. "Einfach zu behaupten, das würde trotz der Finanzlücke schon irgendwie gehen, hat das Niveau von Sprücheklopfern", sagte der Kanzler am Mittwoch gegenüber Journalisten.
Mit Blick auf die Finanzierungslücke sagte er: "Wer das unbeantwortet lässt, belügt die Öffentlichkeit. Die zentrale Frage dieses Wahlkampfs ist doch: Wer bezahlt die Zeche? Wie finanziert man all das? Durch Kürzungen? Durch Steuererhöhungen?"
Die Ukraine-Hilfen sorgen auch für Bruchlinien innerhalb der Parteien. Wer sich im Land umsieht, stößt etwa auf Orte, an denen ein CDU-Kandidat trotz gegenteiliger Zusagen seines Kanzlerkandidaten gegen Taurus-Lieferungen für Kiew plakatiert. Etwa der ehemalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja in seinem Wahlkreis Berlin-Marzahn-Hellersdorf.
Auch mit dem teils als "Putin-Versteher" geschmähten Ex-Nato-General Harald Kujat tritt Czaja auf. Auffällig dabei: Anders als auf Czajas restlichen Wahlplakaten fehlt bei den Motiven zu Taurus das CDU-Logo. Aus dem Unionsumfeld heißt es, Czaja würde in diesem Punkt selbstverständlich nicht für die Partei sprechen und müsse "ohne Listenplatz halt seinen Wahlkreis gewinnen" - gegen einen Kandidaten der AfD.
Warum es so schwer ist, einen Kompromiss zu finden
Der Ton zwischen den Parteien ist hart und die Streitpunkte nicht wirklich neu, sondern eine Fortsetzung bekannter Konflikte aus der Zeit der Ampel-Koalition. Auch das dürfte dazu beitragen, dass so wenig Bereitschaft zum Entgegenkommen besteht.
Ob Taurus-Lieferungen oder Schuldenbremse; im Laufe der Zeit sind eine ganze Reihe an Streitthemen zu Glaubensfragen herangewachsen, bei denen ein Einknicken in jede Richtung mit hohen politischen Kosten verbunden wäre. Und so dienen die Ukraine-Hilfen gerade allen Beteiligten nur als Munition, um reihum die Glaubwürdigkeit der Mitbewerber anzugreifen.
Im Streit um die Finanzierung weiterer Ukraine-Hilfen hat Kanzler Olaf Scholz den Lügen-Vorwurf an seine Kritiker bekräftigt. Alle News hier im Wahlkampf-Ticker.
Liveblog
Quelle: ZDF
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