Herbert Kickl: In Österreich bald ein FPÖ-Kanzler?
Analyse
Nationalratswahl in Österreich:Kickl: Ein Rechtspopulist greift nach Macht
von Christian von Rechenberg, Wien
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Als Herbert Kickl die rechtspopulistische FPÖ vor drei Jahren als Parteichef übernahm, war sie politisch fast abgemeldet. Jetzt hat er die Wahl gewonnen. Wie war das möglich?
Vor der Parlamentswahl in Österreich zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der FPÖ und der ÖVP ab. Zuletzt konnte die konservative Partei von Kanzler Nehammer aufholen. 28.09.2024 | 1:42 min
Herbert Kickl scheint es zu lieben, seine Gegner verächtlich zu machen. Der Parteichef und Spitzenkandidat der rechtspopulistischen FPÖ inszeniert sich als Grobian, als Hochmeister der Hetze - sobald er auf einer Bühne oder vor einem Mikrofon steht. Mit diesem Konzept führte er die Partei in den österreichischen Parlamentswahlen auf Platz eins. Im Wahlkampf tourte Herbert Kickl durch das Land.
"Systemmedien und Systemparteien", poltert Kickl auf einem Marktplatz in Steyr los, "gehören z’am, wie siamesische Zwillinge". Da ist es, gleich zum Auftakt, Kickls Narrativ einer Verschwörung der Regierungsparteien gegen die Bevölkerung.
Vor der Wahl in Österreich lieferten sich Kanzler Nehammer von der ÖVP und sein Herausforderer, FPÖ-Chef Kickl, ein TV-Duell. Nach dem Hochwasser ging es besonders um Klimaschutz.26.09.2024 | 0:18 min
Inflation in Österreich: Kickl bietet kaum Lösungen
Die Menge auf dem Marktplatz tobt. Rot-weiß-rote Österreich-Flaggen jagen durch die Luft, ein Trompeter bläst schrägen Salut nach jeder Pointe Kickls, so als hielte er gerade eine Büttenrede. Viele, auch Jüngere, sind gekommen. Unter ihnen Beatrice. Sie ist 18 und hat Sorgen: aggressiv auftretende Ausländer, sagt sie, und vor allem die gestiegenen Preise.
Österreich hat die Inflation hart getroffen, danach brach die Wirtschaft ein. Ideen oder Auswege aber bietet Kickl kaum. Er verstärkt stattdessen Sorgen und erschafft Feindbilder, allen voran die Migranten. Kickl setzt sie mit Kapital-Verbrechern gleich: Drogenhandel, Vergewaltigung, Terrorismus "hätten wir alles nicht, wenn wir diese Leute nicht im Land hätten".
Die unterschiedslose Gleichsetzung aller Migranten mit Schwerverbrechern könnte man als rechtsextrem einstufen. Vom Verfassungsschutz aber muss Kickl nichts befürchten, der beobachtet in Österreich Parteien grundsätzlich nicht.
Dass die rechtspopulistische FPÖ nach der Wahl in Österreich am Sonntag den Kanzler stellt, ist - trotz guter Prognosen - unwahrscheinlich.27.09.2024 | 2:44 min
Aktivist: Kickl radikalisiert FPÖ
Im Juli stellte die Menschenrechtsorganisation SOS-Mitmensch aus Wien einen Bericht vor, der belegt, dass mehr als 90 Mitglieder der FPÖ enge Verflechtungen zu rechtsextremen Gruppen haben. Allen voran Herbert Kickl: Gemeinsame Auftritte mit Rechtsextremisten, Förderung rechtsextremer Medien, Lob für Menschen rechtsextremer Gesinnung.
Die „Pass egal“-Wahl in Österreich gilt als Zeichen für Mitbestimmung. Rund 1,5 Millionen Menschen sind wegen ihrem fehlenden Pass von der diesjährigen Wahl ausgeschlossen. 23.09.2024 | 2:01 min
Kickl bestreitet das alles. Seine Kritiker aber legen nach: "Kickl beim Wort genommen" heißt ein rund 170-seitiges Buch der Journalistin Nina Horaczek. Darin hat sie - keinesfalls abschließend - Kickls Aussagen zu Themen wie Asyl, Demokratie, Justiz, Klimaschutz gesammelt. Zahllose Belege für rechtsextremistische Positionen Kickls, sagt Horaczek - das Recht müsse der Politik folgen etwa, nur eine von vielen.
Österreichs Rechtspopulisten sind Sieger der Europawahl - für sie nur ein Etappensieg: Im Herbst will die FPÖ das Kanzleramt erobern, Herbert Kickl will "Volkskanzler" werden.
Britta Hilpert, Wien
mit Video
Will Kickl eine illiberale Demokratie?
Stimmt das? Kickl gibt der ausländischen Presse keine Interviews. Erst auf der Vorstellung des Wahlprogramms konnte ihn ZDFheute mit der Kritik konfrontieren. Antwort: "Dass es schlicht und ergreifend Blödsinn ist", zischt Kickl, merklich angefressen, weil die Veranstaltung live gestreamt wird.
In einigen Ländern Europas haben rechtspopulistische Parteien deutlich zugelegt oder sind sogar stärkste Kraft geworden - wie etwa in Italien und Österreich.10.06.2024 | 3:17 min
Kickl fängt Stimmen der Enttäuschten ein
Trotz aller Vorwürfe konnte Kickl Kurs halten in Richtung Wahlsieg. Für den Erfolg gibt es nicht den einen Grund, aber einen zentralen. Kickl habe es geschafft, so Politologe Peter Filzmaier vor der Parlamentswahl, die Stimmen der Enttäuschten einzusammeln - und damit sind nicht nur die Gegner der Corona-Maßnahmen gemeint, an deren Spitze sich Kickl wohl nicht ohne Kalkül gestellt hat.
Wahl in Österreich: Vorläufiges Endergebnis
ZDFheute Infografik
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"Die sind nicht alle radikal und schon gar keine Rechtsextremen. Aber sie sind sozial, wirtschaftlich im Alltagsleben enttäuscht", sagt Filzmaier.
Bei Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser werden die Schäden sichtbar. Und die sind groß. Die Regierung in Wien hat nun den Katastrophenfond auf eine Milliarde Euro aufgestockt. 19.09.2024 | 2:01 min
Hochwasser in Österreich widerlegt Kickls Narrativ
Die Kickl'sche Mär vom "System", das gegen die Bevölkerung arbeitet, schien zu bröckeln. Das Katastrophen-Hochwasser belegte zwar das Gegenteil: Der Staat war da, wo er gebraucht wurde. Er hilft noch immer mit Einsatzkräften und Millionen. Das System Österreich scheint hier zu funktionieren, Kanzler Nehammer und seine konservative ÖVP sammelten Punkte. Kickl geriet zwar unter Druck, doch führte die FPÖ trotzdem zum Sieg.
In letzter Zeit hatte er verbal merklich abgerüstet, trat väterlich auf. Man sollte ihm den kümmernden Kanzler zutrauen. Irgendwann, so sind seine Kritiker sicher, bricht der hohntriefende Dagegen-Kickl wieder durch. Spätestens wenn er, unterstellt in Regierungsverantwortung, mit Kritik konfrontiert ist, meinen sie.
Das ist nämlich eine seiner Achillesfersen: Kickl kann bisher besser austeilen als einstecken. Als Kanzler aber könnte er sich das nicht mehr leisten. Ungewiss aber, ob er es angesichts der politischen Ausgangslage wirklich wird. Keine der anderen Parteien möchte mit ihm in eine Regierungskoalition.
Christian von Rechenberg ist Korrespondent im ZDF-Auslandsstudio Wien.
In Österreich, Polen und Tschechien wird bei Aufräumarbeiten das Ausmaß der Katastrophe sichtbar. Milliardenhilfen sollen als Unterstützung von der EU kommen.
mit Video
Quelle: ZDF
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