Militärexperte über Ukraine-Krieg: Wichtige Phase im Herbst
Gegenoffensive der Ukraine:Militärexperte: Entscheidende Phase im Herbst
von Larissa Hamann
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Die Ukraine greift bei ihrer Gegenoffensive russische Logistik an. Das kann laut Militärexperten Marcus Keupp und Carlo Masala eine entscheidende Rolle im Krieg spielen.
Seit Wochen läuft die Gegenoffensive der Ukraine, doch sie scheint nur langsam voranzukommen. Der erhoffte Durchbruch ist noch nicht in Sicht. Sind die russischen Truppen zu stark?
Warum die Ukraine nicht so schnell vorankommt
Die Ukraine kommt so langsam voran, weil sie zuerst Minen räumen muss, erklärt Militärexperte Marcus Keupp bei ZDFheute live. Um die russische Verteidigungslinie zu durchbrechen, müsse die Ukraine erst durch die Minenfelder hindurch kommen.
Die ukrainische Gegenoffensive läuft bereits seit mehr als zwei Monaten. Wir sprechen mit Militärexperte Marcus Keupp darüber, wie es derzeit um den Fortschritt steht - die gesamte Sendung.09.08.2023 | 38:40 min
Das dauert laut Keupp so lange, weil die Ukraine nicht ausreichend Luftstreitkräfte zur Verfügung hätte. Keupp ist sich aber sicher, dass sich das ändert, weil westliche Staaten unterstützen werden: "Es ist nur eine Frage, wann und von welchen Nationen." Er rechnet im Herbst oder im Winter damit.
Keupp: Lieferung von Marschflugkörpern wäre großer Vorteil
Die USA hatten im Mai grünes Licht für Kampfjet-Lieferungen durch europäische Partnerstaaten gegeben. Die Ausbildung der Piloten dauert jedoch Monate. Militärexperte Keupp rechnet damit, dass vermutlich die Niederlande und Dänemark F-16-Jets liefern. Die Ukraine bat zudem Deutschland unter anderem um Taurus-Marschflugkörper.
Die Bundeswehr hat laut Keupp rund 300 einsatzfähige Taurus-Marschflugkörper. "Natürlich würde das der Ukraine einen großen militärischen Vorteil bieten, ja."
Masala: Berlin macht Taurus-Lieferung wohl von USA abhängig
Politikwissenschaftler Carlo Masala vermutet, die "Bundesregierung ist deshalb zögerlich, weil die Amerikaner ihrerseits diese Kurzstreckenraketen mit längerer Reichweite, also die sogenannten ATACMS, bislang noch nicht liefern", erklärt er im heute journal. "Wenn die USA sich entscheiden sollten, ATACMS zu liefern, dann gehe ich davon aus, dass sich auch die Bundesregierung für die Lieferung von Taurus entscheiden wird", prognostiziert Masala.
Gegen eine Lieferung deutscher Marschflugkörper könnte sprechen, dass die Ukraine damit auch russisches Territorium erreichen würden. Das ist für Masala aber irreleveant, denn die Ukraine besitzt bereits französische Marschflugkörper, mit denen sie russischen Boden erreichen könnte - tut es aber nicht.
Militärexperte: Logistik entscheidet den Krieg
Militärökonom Marcus Keupp erwartet keinen filmreifen Durchbruch, wie man ihn beispielsweise aus dem Ersten Weltkrieg kennt. "Das ist Unsinn", findet Keupp.
Also nicht nur die Front anzugreifen, sondern auch die Versorgung abzuschneiden, erklärt Keupp.
Würde im Hinterland die Logistik abgeschnitten und von vorne gegen den Graben gedrückt, "wird den russischen Truppen dann irgendwann der Eindruck gegeben, dass ihre Position nicht mehr haltbar ist", so Keupp.
Das erwartet Keupp für den Herbst. Ob Russland unter der Führung von Wladimir Putin dann daraus auch direkt Konsequenzen zieht, ist für Keupp allerdings fraglich.
Masala: Ukraine konzentriert sich auf Nachschubwege und Logistik
Auch Politikwissenschaftler Carlo Masala geht davon aus, dass sich die Ukraine verstärkt auf die Nachschubwege und Logistik der russischen Armee konzentriert. Allerdings gingen ihm zufolge die Russen insbesondere im Osten zu Gegenangriffen über "teilweise auch erfolgreich und drängen die Ukrainer zurück", berichtet Masala.
Die Ukraine sei gerade kurz davor, die erste Verteidigungslinie Russlands zu durchbrechen, berichtet Keupp. Die erste Linie sei allerdings auch am schlechtesten besetzt. Dahinter kämen noch eine zweite und eine dritte Linie. "Also wenn sie da durch kommen, steht einfach im Hinterland nichts mehr."
Verbindungen zur Krim werden laut Experte immer schlechter
Auf der Krim wird es für Russland bei der Logistik jetzt schon eng. Die Ukraine versuche aus der Halbinsel eine Insel zu machen - was die Versorgung angeht. Von den vier Versorgungsachsen zur Krim sei nicht mehr viel übrig.
Und dabei müsse ein Umweg von rund drei Stunden Autofahrt genommen werden, erklärt Keupp.
Die ukrainische Gegenoffensive läuft bereits seit mehr als zwei Monaten. Wir sprechen mit Militärexperte Marcus Keupp darüber, wie es derzeit um den Fortschritt steht.09.08.2023 | 38:40 min
Keupp legt wenig Wert auf Zahlen zu Toten
Es gibt immer wieder Berichte von hohen Todeszahlen auf ukrainischer Seite. "Aber so schnell gehen der Ukraine die Kräfte nicht aus", ist sich Keupp sicher. Auf die Zahlen legt er eh keinen großen Wert. Sie seien lediglich Propaganda. Die Angaben zu Geräten und Maschinen seien wegen Bild- und Videobeweisen verlässlicher.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.