Frauen im Iran: Was von den Protesten 2022 geblieben ist

    Zweiter Todestag von Mahsa Amini:Warum Irans Frauen gefährlich leben

    Phoebe Gaa
    von Phoebe Gaa
    |

    Der Tod der jungen Kurdin durch das brutale Vorgehen der Sittenpolizei hatte 2022 Massenproteste im ganzen Land ausgelöst. Was ist davon geblieben?

    Iranerinnen und Iraner halten Bilder von Mahsa Amini bei einem Protest hoch. Ihre Hände sind rot bemalt.
    Vor zwei Jahren starb die Iranerin Mahsa Amini durch die Folgen von Folter. Weiterhin erfahren Frauen im Iran Gewalt, wenn sie gegen die strengen Kleidervorschriften verstoßen.16.09.2024 | 2:41 min
    Immer wieder tauchen sie auf: Videos in den sozialen Netzwerken, die zeigen, wie die iranische Sittenpolizei auf Frauen und Mädchen losgeht. Sie werden in weiße Minibusse gezerrt, angeschrien, manchmal geschlagen. Manche kommen nach einigen Stunden wieder frei, andere landen im Gefängnis. Als Auslöser reicht ein verrutschtes Kopftuch.

    Eine junge Mutter wird angeschossen, weil sie kein Kopftuch trug

    Für besonders viel Betroffenheit unter iranischen Internetnutzern sorgt derzeit der Fall von Arezoo Badri. Die junge Mutter war Mitte Juli im Auto unterwegs. Als Polizisten sie anhalten wollen, wohl, weil sie kein Kopftuch trug, fuhr sie weiter. Die Polizei schoss auf sie. Eine Kugel traf die Wirbelsäule, die Ärzte wissen derzeit nicht, ob Badri für immer gelähmt bleiben wird. Kaum wieder bei Bewusstsein, bekam Badri Besuch im Krankenhaus vom iranischen Staatsfernsehen. Sichtlich gezeichnet von ihren Verletzungen beteuert sie, es gehe ihr gut. Berichten von Aktivisten zufolge muss ihre Familie allerdings die Handys abgeben, bevor sie Arezoo Badri besuchen - womöglich würde sonst ein anderes Bild ihres Gesundheitszustandes verbreitet werden.
    musikschuelerin in tehran
    Musikerinnen und Filmemacher kämpfen gegen die strengen Sittenvorschriften in Iran. Und riskieren viel: Immer wieder greift das Regime durch.11.09.2024 | 6:22 min

    Film über iranische Frauen und das Recht auf Freiheit

    Ein weißer Minibus der Moralpolizei kommt auch in "Ein kleines Stück vom Kuchen" vor. Der Film des iranischen Regie-Duos Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha war ein Publikumsliebling auf der diesjährigen Berlinale. Geschrieben hatten die beiden das Skript schon lange, und hatten nach jahrelangem Ringen mit der Zensurbehörde vor zwei Jahren gerade mit den Dreharbeiten begonnen, als Mahsa Amini starb. Die gesamte Crew sei geschockt gewesen, an Arbeiten sei nicht zu denken gewesen, erzählt Behtash Sanaeeha: "Alle waren traurig, depressiv, es wurde viel geweint. Dann haben wir uns gegenseitig daran erinnert, dass unser Film von Freiheit handeln sollte, von iranischen Frauen, dem Recht auf Leben. Uns wurde klar, dass es unsere Verantwortung war, diesen Film zu Ende zu bringen. Vielleicht mehr denn je zuvor."
    Iran: Sorge um Nobelpreisträgerin Mohammadi
    Die im Iran inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi soll im Gefängnis misshandelt worden sein. Trotz des neuen Präsidenten ist die Lage der Frauen im Iran schwierig28.08.2024 | 2:49 min

    Ausreisesperre, weil im Film getanzt und Alkohol getrunken wird

    In ihrem Film verlieben sich eine 63-jährige Witwe und ein Taxifahrer ineinander. Es wird getanzt, gelacht und Alkohol getrunken. Unerhört, in der Islamischen Republik. Gegen das Regie-Duo läuft ein Gerichtsprozess. Monatelang durften sie Iran nicht verlassen. Anfang September bekamen sie ihre Reisepässe zurück - nur, um eine Woche später am Teheraner Flughafen dann doch an der Ausreise gehindert zu werden. "Ich wende mich an den iranischen Präsidenten," schreibt Maryam Moghaddam in einem Instagram-Post. "Für jeden intelligenten Iraner ist glasklar ersichtlich, dass Sie und ihre Kameraden nicht die Verbündeten und Freunde des Volkes sind. (...) Man kann keine Gesellschaft zu Wachstum und Reformen führen, in dem man sie täuscht."
    Eine Frau steht bei einem Protest im Iran auf einem Auto.
    September 2022: Die 22-jährige Jina Mahsa Amini stirbt in Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei. Im ganzen Land erheben sich Zehntausende gegen das Regime - vor allem Frauen.23.08.2024 | 44:10 min

    Wenig Hoffnung in neuen Präsidenten

    Damit formuliert sie, was viele Iranerinnen und Iraner hinter vorgehaltener Hand, aber manchmal auch in unsere Fernsehkamera sagen: die Hoffnung, dass Massoud Peseschkian, Irans neuer Präsident, die Situation der Frauen im Land tatsächlich verbessert, ist gering. Im Wahlkampf versprach er zwar, das brutale Vorgehen der Sittenwächter gegen Verstöße gegen den Kopftuchzwang zu beenden. Doch seit Amtsantritt fällt Peseschkian vor allem durch Treueschwüre an den religiösen Führer auf. Das Kabinett, das er benannt hat, besteht zum überwiegenden Teil aus Hardlinern und Erzkonservativen.

    Unter der Oberfläche brodelt es

    Unterdessen sitzen viele Aktivistinnen und Aktivisten der Massenproteste weiter im Gefängnis. Einige wurden hingerichtet. Auf den ersten Blick ist von der "Frauen, Leben, Freiheit" Bewegung in Iran nichts mehr zu sehen. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Der Graben zwischen dem iranischen Volk und seinen Machthabern ist zwei Jahre nach dem Tod von Mahsa Amini größer denn je zuvor.
    Phoebe Gaa ist Studioleiterin des ZDF-Studios Istanbul und berichtet von dort aus der Türkei, dem Iran und Afghanistan.

    22-Jährige 2022 gestorben
    :UN-Bericht: Iran verantwortlich für Amini-Tod

    Mahsa Amini starb 2022, nachdem sie von der Sittenpolizei festgenommen worden war. Ein neuer UN-Bericht macht den Iran für den Tod der jungen Frau verantwortlich.
    Ein Demonstrant hält ein Porträt von Mahsa Amini während einer Demonstration zu ihrer Unterstützung vor einer iranischen Botschaft

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

    Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Weitere Nachrichten aus dem Iran