Iran: Wofür steht die Regierung von Präsident Peseschkian?

Das Kompromisskabinett:Wofür steht Irans neue Regierung?

Jörg-Hendrik Brase
von Jörg Brase
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Irans neuer Präsident Massud Peseschkian machte mit Reformversprechen Wahlkampf und gewann. Doch er musste Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei viele Zugeständnisse machen.

Der iranische Präsident Massud Peseschkian steht am Rednerpult im iranischen Parlament
Eigentlich gilt Massud Peseschkian als Reformer. Doch der neue Präsident steht unter Einfluss des iranischen Staatsoberhauptes Ayatollah Khamenei.
Quelle: dpa

Da muss es dem Obersten Führer dann offenbar doch etwas zu bunt geworden sein. Ayatollah Ali Khamenei gebot dem Kandidaten von seinen Gnaden Einhalt. Und der gehorchte. Massud Peseschkian, frisch gewählter Nachfolger des im Mai bei einem Hubschrauberabsturz verunglückten Präsidenten Ebrahim Raisi, legte dem Parlament eine Ministerliste vor, die er vorher eng mit Khamenei abgestimmt hatte. Einige von Peseschkians Wunschkandidat*innen mussten offenbar durch dem Regime genehme Namen ersetzt werden. Dieser korrigierten Liste konnte die islamisch-konservative Mehrheit im Parlament am Ende problemlos zustimmen.
Dass Massud Peseschkian, 69-jähriger Herzchirurg aus Tabris, Parlamentsabgeordneter des Reformerlagers und von 2001 bis 2005 Gesundheitsminister, vom erzkonservativen Wächterrat überhaupt zur Präsidentschaftswahl zugelassen wurde, war ein kluger Schachzug Khameneis. Es galt, Teile eines unzufriedenen Volks wieder an die Wahlurnen zu locken und ihnen einen Kandidaten zu präsentieren, der gesellschaftliche Lockerungen versprechen würde. Die Kontrolle über deren Umsetzung aber wollte Irans Staatsoberhaupt und mächtiger Anführer Khamenei nicht aus der Hand geben.
Massud Peseschkian, umgeben von Menschen, winkt in die Kamera.
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Schlüsselpositionen von Ultrakonservativen besetzt

Und so wird Peseschkian nun mit einem Kabinett regieren, in dem die Schlüsselpositionen nach wie vor von Ultrakonservativen eingenommen werden. Allen voran Alt-Justizminister Rahimi und Verteidigungsminister Nasirzadeh, ein General und ehemaliger Kommandeur der Luftwaffe.
Außerdem bleibt Geheimdienstminister Khatib im Amt, der eine Mitschuld tragen soll an der Ermordung von Hamas-Chef Hanija in Teheran am Tag von Peseschkians Amtseinführung Ende Juli. Auch das Energieministerium bleibt in der Hand der Hardliner.
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Sadegh wird Ministerin für Verkehr und Bau

Von Peseschkians ursprünglichen Kandidat*innen blieben nur wenige übrig. Mit der Architektin Farzaneh Sadegh als Ministerin für Verkehr und Bau regiert erst zum zweiten Mal in der Geschichte der islamischen Republik eine Frau mit.
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Vor allem die Besetzung des Wirtschaftsministeriums mit dem Reformer Abdolnasr Hemmati und des Außenministeriums mit Abbas Araghchi zeigen, in welche Richtung Irans Hardliner Veränderungen zulassen wollen. Peseschkian soll die Wirtschaft ankurbeln und durch bessere Beziehungen zum Westen eine Lockerung der Sanktionen erreichen. Es gab bereits erste Telefonate mit EU-Vertretern und das Angebot, über eine Wiederaufnahme des Atom-Deals zu verhandeln.

Außenminister Araghchi unter westlichen Kollegen geachtet

An der Unterzeichnung des Atomabkommens von 2015 war Außenminister Araghchi als Mitglied der iranischen Verhandlungsdelegation beteiligt. Er spricht Englisch und ist unter seinen westlichen Kollegen geachtet. Das gilt auch für den ehemaligen Chefdiplomaten Irans, Mohammed Jawad Zarif, ein im Westen etabliertes und geschätztes Gesicht. Ihn hatte Peseschkian als Sonderberater und Vizepräsidenten für Strategische Aufgaben in sein Team geholt. Doch nachdem Peseschkian auf den Schlüsselpositionen zu viele Zugeständnisse machen musste, warf Zarif frustriert seinen Job hin und trat zurück.
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Offen, was Peseschkian an Reformen umsetzen kann

Wie Zarif so fürchten nun viele, dass Peseschkian seine vollmundigen Reformversprechen nicht wird umsetzen können. Das gilt auch für erhoffte Lockerungen des Kopftuchzwangs für Irans Frauen.
Peseschkian selbst erklärte einen "Konsens für Iran" als seine Priorität. Einer Konfrontation mit den islamisch-konservativen Hardlinern um Staatsoberhaupt Khamenei will er aus dem Weg gehen. Wohl wissend, dass er diesen Kampf nicht wird gewinnen können.

Hanija-Ermordung: Warten auf Teherans Antwort

Doch gleich zu Beginn seiner Amtszeit wird Peseschkians Kompromissfähigkeit auf eine harte Probe gestellt. So drängen die Militärs auf eine entschlossene Antwort auf die Ermordung von Hamas-Chef Hanija. Dass es eine Reaktion Teherans geben wird, ist sehr wahrscheinlich. Doch eine militärische Eskalation der Auseinandersetzung mit Israel wird Peseschkian verhindern wollen. So warten nun alle gespannt darauf, wie Teherans Antwort am Ende aussehen wird.

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Quelle: dpa

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