Russland setzt in der Ukraine Taktik aus Syrien-Krieg ein

    Angriffe auf Rettungskräfte:Russland setzt Taktik aus Syrien-Krieg ein

    von Christian Mölling und András Rácz
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    Kiew erhält neue Luftabwehrsysteme, Russland rückt im Nordosten vor und greift gezielt Rettungskräfte an: Das war die Woche im Ukraine-Krieg.

    Eine Einsatzkraft der Feuerwehr hält inmitten von Trümmern einen Schlauch in der Hand.
    Mehrere Gebäude wurden bei dem Angriff in Pokrowsk am Montag zerstört.
    Quelle: AFP_33QT4F6

    Die russischen Streitkräfte sind im Angriffskrieg gegen die Ukraine am nordöstlichen Abschnitt der Frontlinie bei Kupjansk vorgerückt. Trotz extrem hoher Verluste ist es ihnen gelungen, die ukrainischen Verteidiger auf dem offenen Gelände nordöstlich und östlich der Stadt zurückzudrängen.

    Front bei Dorf Synkyvka

    Seit dem 11. August befindet sich die Frontlinie bereits bei dem Dorf Synkyvka, etwa acht Kilometer nordöstlich von Kupjansk. Aufgrund des russischen Vormarsches und der zunehmenden Artillerie- und Luftangriffe haben die ukrainischen Behörden die Evakuierung von 53 Siedlungen in dem Bezirk angeordnet.
    Bewohner sollen Kupjansk und umliegende Dörfer verlassen:
    Doch selbst wenn Synkyvka fallen sollte, ist das Terrain um und in Kupjansk äußerst kompliziert. Die Stadt mit ihren rund 27.000 Einwohnern ist von Nordosten her durch Wälder und Teiche geschützt; außerdem wird sie in der Mitte durch den Fluss Oskil getrennt, wobei der größere Teil der Siedlung westlich des Oskil liegt.



    Auch wenn russische Truppen nach Kupjansk vordringen sollten, ist daher eine langsame und blutige Belagerung das wahrscheinlichste Ergebnis, denn die ukrainischen Verteidiger werden sich nach Bachmut kaum die Gelegenheit entgehen lassen, Russland in eine weitere, langwierige Stadtschlacht zu verwickeln.

    Ukrainische Spezialkräfte setzen über den Dnipro

    An der südwestlichen Frontlinie haben ukrainische Spezialkräfte bei Cherson einen Überfall über den Dnipro unternommen und am linken Flussufer bei Kozachi Laheri einen Stützpunkt errichtet. Neben dem noch bestehenden Brückenkopf an den Ruinen der zerstörten Antonowsky-Brücke bei Charkiw ist dies bereits die zweite, wenn auch sehr kleine ukrainische Stellung am linken Flussufer.

    Ein Brückenkopf im militärischen Sprachgebrauch ist eine begrenzte militärische Stellung auf feindlich besetztem Gebiet jenseits eines Gewässers. Also immer dann, wenn ein Fluss, ein See oder auch ein Meer die Grenze zwischen zwei militärischen Gegnern ausmacht, werden Brückenköpfe wichtig. Denn: Will eine Konfliktpartei in den gegnerischen Bereich eindringen, überquert sie zunächst das Gewässer und versucht dann, sich auf dem feindlichen Territorium in einem begrenzten Bereich festzusetzen. Diesen Bereich baut sie dann aus und sichert ihn: Der Brückenkopf ist entstanden.

    Anschließend versucht sie über das Gewässer eine Versorgungs-Verbindung zu ihrem eigenen Territorium herzustellen, um darüber dann Personal und Material für weitere militärische Aktionen nachzuführen. Umgekehrt können Brückenköpfe auch dazu dienen, sich geordnet aus feindlichem Gebiet zurückzuziehen. Dann sind sie der gesicherte Ausgangspunkt für die Überquerung des Gewässers von feindlichem Gebiet zum eignen Territorium. Von dieser Funktion leitet sich auch der Begriff Brückenkopf ab: Ein gesicherter und gegebenenfalls befestigter Ort, von dem bzw. zu dem der Übergang über das Gewässer möglich ist.

    Der militärische Begriff "Brückenkopf" geht zurück auf Wehr- bzw. Befestigungsanlagen zur Sicherung von Brückenbauwerken über Flüsse.

    (Quelle: Axel Zimmermann, ZDFheute)

    Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich diese Operation zu etwas Größerem ausweiten könnte, da es keinen festen Flussübergang über den Dnipro gibt. Dennoch sind die Russen so gezwungen worden, einige Elite-Infanterieeinheiten in die Region zu verlegen, um den ukrainischen Kräften entgegenzuwirken, und schwächten so die Frontlinie in Saporischschja.

    Wenig Fortschritt um Bachmut und Saporischschja

    Auch an der Bachmut- und Saporischschja-Front hat sich nicht viel geändert, was teilweise auch auf das schlechte Wetter zurückzuführen ist. Im Süden ist die ukrainische Artillerie Russland nach wie vor überlegen und stößt ständig auf russische Stellungen.
    So ist die Lage in Saporischschja:
    Die Schwäche der russischen Artillerie in diesem Sektor wurde nicht nur durch analytische Berichte, sondern auch durch Aussagen gefangener russischer Soldaten bestätigt.
    Dennoch blieben die ukrainischen Vorstöße auf dem Boden begrenzt, wobei einige kleine Gebiete bei Uroschanije erobert wurden.

    Ukrainische Luftverteidigung gestärkt

    Die ukrainische Luftabwehr wird allmählich stärker. Deutschland erklärte sich bereit, zwei weitere Patriot-Raketen zu liefern, die nicht nur Flugzeuge und Hubschrauber, sondern auch die russischen Hyperschallraketen vom Typ Kinzhal abschießen können.
    Dank der neuen Patriot-Abschussrampen sei die Ukraine nun näher an einem vollwertigen Luftschutzschild, erklärte Präsident Selenskyj.
    Außerdem ist es britischen Ingenieuren gelungen, die Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete Asraam in einen Supacat-Geländewagen zu integrieren, und die Ukraine hat bereits einige Exemplare dieses Hybridfahrzeugs erhalten. Berichten zufolge war es eine dieser Asraam-Raketen mit einer Reichweite von etwa 25 Kilometern, die einen russischen Kamov-52-Kampfhubschrauber zum Absturz brachte und einen weiteren beschädigte.
    Sollte diese Waffe in größeren Stückzahlen zur Verfügung stehen, könnte die Bedrohung durch russische Kampfhubschrauber im Tiefflug, die Jagd auf ukrainische Panzerfahrzeuge machen, erheblich verringert werden.

    Russland greift gezielt Rettungskräfte an

    Russland setzte seine Raketen-, Drohnen- und Marschflugkörperangriffe auf militärische und zivile Ziele in der Ukraine fort. Am 7. August griff Russland die ostukrainische Stadt Pokrowsk an. Die beiden Iskander-Raketen wurden mit einem Abstand von 40 Minuten abgefeuert, wobei der zweite Angriff speziell auf die Rettungskräfte abzielte, die den Opfern des ersten Angriffs zu Hilfe kamen.
    Tote und Verletzte bei Angriffen auf Pokrowsk:
    Das war der erste klar dokumentierte Fall, in dem Russland diese in Syrien weit verbreitete Taktik anwandte, nämlich dass der zweite Angriff darauf abzielt, die Rettungskräfte, das heißt Sanitäter, Polizisten und Feuerwehrleute, zu töten. In Pokrowsk wurden Dutzende von ihnen getötet oder verwundet.
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    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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