Migration: Italien bringt erstmals Flüchtlinge nach Albanien

    Asylverfahren außerhalb der EU:Italien bringt erste Flüchtlinge nach Albanien

    |

    Nach monatelanger Verzögerung macht die italienische Regierung ernst: Die ersten im Mittelmeer aufgegriffenen Flüchtlinge wurden nach Albanien gebracht. Ein Novum in der EU.

    Italienisches Migrantenzentrum in Albanien
    Erstmals hat Italien ein Schiff mit 16 Migranten nach Albanien geschickt, über deren Asylanträge dort in einem italienischen Aufnahmezentrum entschieden werden soll. 16.10.2024 | 1:30 min
    Als erstes EU-Land beginnt Italien mit der Aufnahme von Migranten, die sich über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa gemacht hatten, in Lager außerhalb der EU. 16 Männer aus Ägypten und Bangladesch kamen an Bord eines Marineschiffs in der kleinen Hafenstadt Shengjin an und wurden von Sicherheitskräften in das neue Aufnahmezentrum begleitet. Die Männer hatten zuvor versucht, in einem Flüchtlingsboot irregulär nach Italien einzureisen.
    Später sollen die Migranten in das Hauptlager in Gjader im Landesinnern überführt werden. Dort will Rom exterritorial Asylanträge im Schnellverfahren prüfen und Abschiebungen schneller abwickeln. Diejenigen, die Anspruch auf Asyl haben, werden nach Italien überstellt, diejenigen, die keinen Anspruch haben, sollen nach ihrem Aufenthalt in Albanien in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden.
    Wohncontainer
    Italien setzt darauf, Asylanträge in Zentren außerhalb des Landes zu prüfen. 11.10.2024 | 2:10 min

    Asylverfahren außerhalb der EU

    Damit läuft die von der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni und ihrem albanischen Amtskollegen Edi Rama 2023 verhandelte Vereinbarung offiziell an. Sie sieht die Einrichtung der Aufnahmezentren auf albanischem Boden vor. Das Ziel ist, Asylverfahren aus Italien auszulagern und Abschiebungen zu vereinfachen. Meloni betonte jedoch auch, dass die Flüchtlingslager zur Abschreckung dienen sollten.
    Betroffen sind Männer aus als sicher eingestuften Herkunftsländern, die auf dem Weg über das Mittelmeer von Schiffen der italienischen Behörden aufgegriffen wurden. Direkt an Bord erfolgt eine erste Überprüfung. Davon ausgenommen sind Frauen, Kinder, Kranke sowie Folteropfer.
    Albanische Abgeordnete vor dem Parlamentsgebäude.
    Italien will den Flüchtlingszuzug bremsen, Albanien hilft dabei: Im Nicht-EU-Land sollen pro Monat tausende Geflüchtete untergebracht werden bis ihre Asylanträge geprüft sind.22.02.2024 | 1:44 min

    Italien verwaltet Aufnahmezentren in Albanien

    Die Eröffnung beider Flüchtlingslager war ursprünglich für Mai vorgesehen, verzögerte sich wegen verschiedener technischer und organisatorischer Probleme jedoch mehrfach. Italien verwaltet die Lager und soll dort für die Sicherheit sorgen.
    Zudem trägt Rom alle "direkten und indirekten" Kosten. Es handelt sich somit um italienische Lager auf albanischem Boden. Zeitungen in Italien spotteten daher über ein "Meloni-Land". Die beiden Lager kosten Italien über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt etwa 670 Millionen Euro.

    Italien ist eines der Länder, die von der Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa über das Mittelmeer besonders betroffen sind. Vor allem vergangenes Jahr waren die Zahlen hoch: Fast 160.000 Migranten erreichten 2023 Italiens Küsten auf Booten. Zurzeit kommen zwar weniger als halb so viele Menschen an als vor einem Jahr; dennoch machen sich noch immer Zehntausende auf oft kaum seetüchtigen Booten auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer.

    Quelle: dpa

    EU-Staaten verfolgen italienischen Weg aufmerksam

    Die Vereinbarung über die Abwicklung von Asylverfahren in Drittstaaten ist ein Novum, das von anderen EU-Staaten aufmerksam verfolgt wird. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete sie als "interessantes Modell". Doch neben rechtlichen Fragen sei auch relevant, ob es einen Staat gebe, der bereit wäre, solche Verfahren auf seinem Gebiet zu dulden.
    Auf dem Bild ist ein Boot mit geflüchteten Personen auf dem Mittelmeer zu sehen.
    Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Migration. 2015 herrschte Willkommenskultur, seitdem schwenkt die EU zu einem härteren Umgang mit Geflüchteten.16.05.2024 | 45:19 min
    Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich interessiert. In einem Bericht regte sie an, "mögliche Wege für die Entwicklung von Rückführungszentren außerhalb der EU zu erkunden". Man könne aus dem Italien-Albanien-Modell praktische Lehren ziehen. Albanien berichtete von Anfragen anderer EU-Länder, Asylsuchende unterzubringen. Man habe diese abgelehnt, für Italien jedoch eine Ausnahme gemacht.

    Kritik an Rechtmäßigkeit und Bedingungen für Migranten

    Menschenrechtler kritisieren das Projekt und sprechen von einem "italienischen Guantánamo". Auch die Rechtmäßigkeit wird infrage gestellt. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs lässt Zweifel an dem Projekt aufkommen. Demnach kann ein Land nur dann als sicher gelten, wenn es dort unter anderem keine Verfolgung oder Folter gibt. 15 der 22 von Italien als sicher eingestuften Herkunftsländer erfüllen diese Bedingungen jedoch nicht.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

    Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Quelle: dpa

    Mehr zum Thema EU und Migration