Schwedens Vize-Premier: Plan für Ausreise-Prämie angemessen
Interview
Vize-Premier zu Asylpolitik:Ausreise-Prämie: Schwedens Plan "angemessen"
von Dominik Rzepka
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Schweden will die freiwillige Ausreise von Migranten fördern, sie sollen bis zu etwa 31.000 Euro vom Staat bekommen. Vize-Premier Busch nennt eine hohe Prämie im ZDF "angemessen".
Schwedens Vize-Ministerpräsidentin Ebba Busch von den konservativen Christdemokraten schließt Geldzahlungen für ausreisewillige Migranten nicht aus. Das sei angemessen, sagt sie.16.09.2024 | 0:50 min
Ebba Busch sagt das nicht ohne Stolz. Schweden sei inzwischen ein Land, aus dem mehr Menschen auswanderten als einwanderten. Und das nur noch so viele Menschen aufnehme, wie es auch integrieren könne.
Die stellvertretende schwedische Ministerpräsidentin von den konservativen Christdemokraten sagt im ZDFheute-Interview:
Die konservative Regierung in Schweden, die seit 2022 im Amt ist, fährt eine restriktive Migrationspolitik: Höhere Anforderungen für den Familiennachzug, reduzierte Sozialleistungen, intensivere Grenzkontrollen. Busch sagt, Schweden habe es schwieriger gemacht, sich illegal im Land aufzuhalten.
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31.000 Euro? Busch offen für Ausreise-Bonus
Jetzt will Schweden Migranten, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, deutlich mehr Geld zahlen. Ab 2026 sollen es bis zu 350.000 Kronen sein, umgerechnet knapp 31.000 Euro. Busch sagt:
Die Regierung werde nun prüfen, ob eine derartig hohe Prämie Wirkung zeigen würde. "Es könnte sein, dass man sehr viel bekommt, ähnlich wie in Dänemark", sagt Busch. Dänemark zahlt aktuell bis zu 40.000 dänische Kronen, umgerechnet knapp 5.400 Euro.
Allerdings lässt sie auch Zweifel an dem Vorhaben erkennen. Es handele sich nicht um den wichtigsten, eigenen Vorschlag ihrer Partei. "Andere Maßnahmen haben bestimmt einen größeren Effekt", sagt Busch. Und doch könne die Prämie eines von mehreren Werkzeugen sein.
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Vorschlag kam von Schwedens Rechtspopulisten
Schweden bietet Einwanderern bereits heute knapp 880 Euro für eine freiwillige Ausreise. Die Zahlungen würden allerdings nur von relativ wenigen Menschen in Anspruch genommen. Das solle sich nun ändern, sagt Ludvig Aspling von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten.
Bestimmten Personen müsse man ein Angebot machen, nach Hause zurückzukehren, so Aspling. Allerdings hatte im vergangenen Monat eine Untersuchung im Auftrag der schwedischen Regierung von einer Erhöhung des Betrags abgeraten. Die Wirksamkeit rechtfertige nicht die potenziellen Kosten.
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Busch kritisiert Umgang mit AfD
Bestimmen also die Schwedendemokraten, von der die konservative Regierung toleriert wird, die schwedische Migrationspolitik? Vize-Ministerpräsidentin Busch weist das zurück. Es sei vielmehr ihre Aufgabe als Vorsitzende der schwedischen Christdemokraten, in der Migrationspolitik den Druck auf linke Parteien wie Sozialdemokraten oder Grüne zu erhöhen.
Busch kritisiert in dem Zusammenhang, den Umgang mit Parteien wie AfD oder Schwedendemokraten. Zwar wolle sie beide Parteien nicht gleichsetzen. Schließlich hätten sich die Schwedendemokraten "in eine andere Richtung entwickelt". Aber:
Die Regierung in Schweden fährt eine restriktive Asylpolitik. Frage an Vize-Ministerpräsidentin Busch: Ist das ein Mittel, um Parteien wie Schwedendemokraten und AfD zu schwächen?16.09.2024 | 0:57 min
Busch: CDU und SPD sollten sich einigen
Sie würde auch Deutschland einen restriktiveren Kurs in der Migrationspolitik empfehlen. Schweden und Deutschland hätten sich einen Wettbewerb geliefert, wer die meisten Asylbewerber aufnehme. Im vergangenen Jahr lag Deutschland EU-weit auf dem ersten Platz.
Es sei zwar eine moralische Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen. "Aber viele Asylbewerber haben keinen Schutzstatus, sie sollten gar nicht erst Asyl in unseren Ländern beantragen", sagt Busch. Darauf sollte sich in Deutschland die politische Mitte einigen, sagt Busch. Und deutet an, dass sie den Abbruch der jüngsten Gespräche zwischen Regierung und Union problematisch findet:
Davon würden CDU und SPD gleichermaßen profitieren. Und Deutschland auch.
Die Schwedendemokraten (SD) werden in der Regel als rechtspopulistisch beschrieben. Politikwissenschaftler in Schweden nennen sie rechtsradikal. Laut dem Vorsitzenden der schwedischen Extremismusstiftung Expo ist die Partei "eine Mischung aus Rechtspopulisten und Rechtsextremen".
214 Politiker, die bei der Parlamentswahl im Jahr 2022 für die Schwedendemokraten kandidiert haben, haben Nähe zum Nationalsozialismus oder Rassismus - so viele wie in keiner anderen schwedischen Partei. Laut einer Studie zählen dazu Politiker, die Mitglieder in Nazigruppen oder Skinheads waren oder wegen Volksverhetzung verurteilt wurden. Einige haben Hasskommentare in rechtsextremen Onlineforen geschrieben.
Quelle: Imago
Die Schwedendemokraten wurden im Jahr 1988 von "Veteranen des schwedischen Nationalsozialismus und Faschismus" gegründet, so die schwedische Extremismusstiftung "Expo".
Einige Gründer kamen aus der Bewegung "Bevara Sverige svenskt" ("Schweden muss schwedisch bleiben") und der "Nordischen Reichspartei", dem ehemaligen "nationalsozialistischen Kampfverbund" - unter ihnen der erste SD-Parteichef Anders Klarström.
2010 schaffte die Partei das erste Mal den Einzug ins schwedische Parlament (Bild). Bei der Wahl 2010 erhielt die Partei 5,7 Prozent - und wuchs dann stetig: 12,9 Prozent im Jahr 2014, vier Jahre später 17,5 Prozent und bei der Wahl 2022 20,6 Prozent. Damit wurden die Schwedendemokraten erstmals zweitstärkste Kraft des Landes.
Der Parteichef heißt Jimmie Åkesson (Bild). Im Jahr 2012 erklärte er eine "Nulltoleranz" gegenüber Rechtsextremismus. Unter seiner Führung mussten rechtsextreme Mitglieder die Partei verlassen. Åkesson positioniert die Schwedendemokraten mittiger, damit sie für breitere Schichten wählbar werden.
Allerdings kritisiert Expo, dieses Versprechen richte sich vor allem an die Öffentlichkeit. Noch am Wahlabend 2022 hatte eine sichtlich angetrunkene Vertreterin der Partei eine missverständliche und undeutliche Äußerung vor laufenden Kameras gemacht, man konnte sie als "Sieg Heil" verstehen.
Quelle: JONATHAN NACKSTRAND/afp
Eine direkte Regierungsbeteiligung mit Ministerposten gibt es nicht. Die Regierung bilden die konservative Partei "Moderaterna" (M) plus zwei kleinere Parteien. M-Chef Ulf Kristersson (Bild) wurde als Drittplatzierter Ministerpräsident. Allerdings lässt er sich von den Schwedendemokraten tolerieren.
Jahrelang hatten die Konservativen das ausgeschlossen. Kristersson ist mit Hilfe der Schwedendemokraten an die Macht gekommen, Grundlage ist ein 60-seitiges Abkommen (die sogenannte "Tidö-Übereinkunft").
Zu einem großen Aufschrei in der schwedischen Gesellschaft hat das nicht geführt. Expo-Chef Daniel Poohl sagt: "Die Schweden haben ihren Widerstand gegen die Schwedendemokraten aufgegeben, sie werden als normale Partei wahrgenommen. Man hat aufgehört zu verstehen, welche Gefahr damit einhergeht."
Quelle: AP
Die Partei hat vor allem ein Thema: Den Umbau der schwedischen Gesellschaft. Die Schwedendemokraten wollen die restriktivste Migrationspolitik der EU. Geduldete Zuwanderer sollen das Land verlassen. Homosexualität soll kein Grund mehr für Asyl sein.
Expo sagt: "Mit den Schwedendemokraten wird es in Schweden künftig weniger schwarze Haut geben." Darin bestehe eine wirkliche Veränderung der liberalen Gesellschaft, eine neue Ära in Schweden.