Ukraine-Erfolg: Darum ist Vorstoß über den Dnipro so wichtig

    FAQ

    Experte erklärt Ukraine-Erfolg:Darum ist Vorstoß über Dnipro so entscheidend

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    Der Vorstoß der Ukraine über den Fluss Dnipro ist "ganz entscheidend", sagt Militärexperte Reisner. Er erklärt außerdem, was das im Detail für die Ukraine und Russland bedeutet.

    Ukrainische Streitkräfte haben es geschafft, am Dnipro bei Krynky in russisch besetztes Gebiet vorzudringen. Das ist, meint der österreichische Militärexperte Markus Reisner, "ganz entscheidend." Im Gespräch mit ZDFheute live erklärt er, welche Bedeutung das hat und wie Russland darauf wohl reagieren wird.

    Was bedeutet es, dass die Ukraine den Fluss überquert hat?

    Die Ukraine habe es nicht nur geschafft, den Fluss einfach zu überqueren, sondern bringe auch Material und Soldaten auf die andere Seite des Ufert, erklärt der Historiker.

    Und das könnte natürlich der Ausgangspunkt sein in quasi der Form eines Brückenkopfes für weitere Operationen gegen die russischen Kräfte südlich des Dnipro.

    Markus Reisner, Militärexperte

    Ein Brückenkopf sei "ein Geländestück, das auf dem feindlichen Ufer besetzt worden ist und das als Ausgangsbasis für die weiteren Kampfhandlungen dient". Allerdings berge ein Brückenkopf die Gefahr angegriffen zu werden, so Reisner.
    Außerdem hat "der Brückenkopf selber (...) eine überschaubare Größe und Ausdehnung. Wenn er wirklich quasi die Basis sein sollte für eine größere Offensive, dann muss er natürlich mit Kräften genährt werden." Die Front sei insgesamt 1.200 Kilometer lang, betont er.
    Im Vordergrund stehe jedoch die symbolische Wirkung, dass die Ukraine zeigen kann, dass sie "sehr wohl auch in gewissen Abschnitten der Front in die Offensive gehen kann, ein Momentum zeigen kann."

    Wie konnte die Ukraine das Gelände gewinnen?

    Die Ukraine habe versucht, das "sogenannte elektromagnetische Feld mit eigenen Störsystemen entsprechend zu sättigen." Das bedeutet: Es gibt ein Feld, auf dem gefunkt wird und mit der Artillerie, den Gefechtsständen oder den Teileinheiten kommuniziert - aber auch mit den Drohnen, erklärt Experte Reisner.
    Mithilfe von Störsendern habe die Ukraine eine Art Blase gebildet und es geschafft, bei Nebel Soldaten auf die andere Seite zu bringen. "Zuerst in kleinen Gruppen, dann in immer größer.en"

    Mittlerweile kann man davon ausgehen, dass circa ein Bataillon Soldaten sich hier verschanzt hat. Das sind circa 400, 500 Mann.

    Markus Reisner, Militärexperte

    Welche Folgen hat der Vorstoß für Russland?

    Die Soldaten "bereiten den Russen schwere Probleme", meint Reisner. Denn "die Russen sind jetzt natürlich gefordert, Ressourcen, die sie vielleicht an anderer Stelle brauchen würden, umzuleiten."
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    Das seien einerseits Kräfte, um den Brückenkopf abzuriegeln. Und andererseits Kräfte, um den Brückenkopf zu bekämpfen, also Artillerie, Luftstreitkräfte, Kampfhubschrauber und ähnliches, erklärt Reisner.
    Russland werde natürlich versuchen, zu verhindern, dass die Ukraine weiter in Richtung Süden vorstoße. Sie sehen aber "die Situation jetzt noch nicht als gefährdend an", schätzt Reisner ein. Es würden zwar Ressourcen umgeschichtet, aber keine entscheidenden Ressourcen. Diese seien weiterhin an anderer Stelle, wie beispielsweise in der Stadt Awdijiwka.

    Welche Rolle spielen Drohnen und Störsender generell im Ukraine-Krieg?

    Laut Reisner spielen sie eine entscheidende Rolle. Das habe auch der ukrainische General Walerij Saluschny in einem Schreiben beschrieben: Es gebe eine Art Pattsituation und eine Art gläsernes Gefechtsfeld. Beide Seiten könnten sich insbesondere durch die vielen Drohnen gegenseitig beobachten. "Dadurch kann keine Seite wirklich Kräfte bereitstellen und die dann ins Manöver führen. Sie kann es nur dann, wenn es gelingt, diese Drohnen vom Himmel zu holen."

    Und das kann man vor allem, indem man quasi die Kommunikation dieser Drohnen unterbricht, damit sie quasi nicht fliegen können.

    Markus Reisner, Militärexperte

    Das sei dann die Chance zu handeln, so Reisner. So könne die Ukraine, wenn sie die richtigen Mittel habe, "regionale Überlegenheiten schaffen, die dann sehr wohl zu Erfolgen sich entsprechend umwandeln ließen."

    Oberst Markus Reisner im Gespräch mit Moderatorin Victoria Reichelt bei ZDFheute live.
    Quelle: ZDF

    ... Jahrgang 1978, ist Militäranalytiker, Historiker und selbst aktiver Soldat beim österreichischen Bundesheer. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges analysiert Reisner die Lage in der Ukraine und leitet seit September die Forschungs- und Entwicklungsabteilung an der Theresianischen Militärakademie in Wien. (Quelle: Kral-Verlag)

    Behindern Störsender nicht auch die eigene Kommunikation?
    "Natürlich, das ist der Fall." Aber wenn Störsender geplant eingesetzt würden, dann "kann man die eigenen Maßnahmen natürlich darauf abstimmen," erklärt Reisner. "Da weiß man, dass man in gewissen Zeitfenstern zum Beispiel über keine Kommunikation verfügt, weil jetzt gerade die eigenen Störer versuchen, den Gegner zu stören, der ja damit in der Sekunde nicht rechnen kann."

    Wie geht es für die Ukraine jetzt weiter?

    • "Auf strategischer Ebene ist es für die Ukraine jetzt wichtig, quasi durch den Winter zu kommen", resümiert Reisner. Das heißt, sie müsse sich gegen Angriffe auf die Infrastruktur - wie im vergangenen Winter - wappnen.
    • "Auf operativer Ebene ist es so, dass die Ukraine jetzt vorbereitet werden muss für eine mögliche Offensive im Frühjahr." Denn wenn die Ukraine die besetzten Gebiete zurückerobern will, dann brauche sie Nachschub, erklärt der Militärexperte.
    • Auf der taktischen Ebene sei es wichtig, sich vor dem Winter auf die Witterung der kommenden Monate vorzubereiten.
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    Update
    Quelle: ZDF
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