Analyse
Cyber-Angriffe, Desinformation:Wie China junge Taiwaner beeinflussen will
von Miriam Steimer, Taipeh
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Die ganze Welt schaut auf die Wahlen in Taiwan. Festland-China versucht, sie zu beeinflussen – einerseits offensichtlich, aber auch unauffällig.
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Ho Cheng-hui befürchtet keinen Krieg, seiner Meinung nach ist Taiwan schon mittendrin. Er ist Mitgründer der Selbstverteidigungsinitiative KUMA Academy, die Taiwans Zivilisten für eine mögliche Invasion Chinas trainiert. Mit Krieg meint er nicht die militärischen Drohgebärden des mächtigen Nachbarn, dessen Schiffe und Flugzeuge der demokratischen Insel Taiwan immer wieder beunruhigend nahekommen, sondern Chinas Einmischung im virtuellen Raum: Cyber-Angriffe und Falsch-Informationen. Die hätten vor den Wahlen nochmal zugenommen.
Pekings Staatsführung betrachtet die demokratische Insel als Teil ihres Staatsgebiets und droht immer wieder mit "Wiedervereinigung". Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen hat sie zur Schicksalswahl erklärt: Für die Menschen in Taiwan seien sie eine Entscheidung zwischen Krieg oder Frieden.
TikTok und Co. als Chinas Werbekanäle
Doch China übt auch auf eine sehr subtile Weise Einfluss aus, über Messenger- und Video-Apps wie TikTok oder Xiaohongshu. Ho Cheng-hui nennt sie "Chinas Werbekanäle". Wie viele ihrer Freundinnen und Freunde nutzt auch Wen Hsu diese Apps manchmal und macht sich Sorgen: "Ich glaube, der Krieg findet auf eine andere Weise statt. Es ist ein Krieg, der über Kultur ausgetragen wird", sagt die 19-Jährige. Es gibt in den Apps auch Inhalte aus Taiwan, aber aus Festland-China sehr viel mehr - und auch die sind in Taiwan beliebt, denn auf beiden Seiten der Taiwan-Straße ist Mandarin offizielle Amtssprache.
In Taiwan gehört die Bedrohung Chinas zum Alltag. Doch wie junge Taiwanesen berichten, werde die Stimmung seit dem Krieg in der Ukraine immer angespannter.20.09.2023 | 6:46 min
Das verändere das Bild, dass junge Taiwaner von China haben: "Da werden immer nur die schönen Seiten von China gezeigt, Reiseziele, Essen. Aber von Menschenrechtsverletzungen in Tibet oder Xinjiang oder Hongkongs sogenanntem Sicherheitsgesetz erfahren sie dort nichts", sagt Wen Hsu.
Jugend sieht China nicht als Bedrohung
Die 26-jährige Ashley Lin benutzt diese Apps fast täglich. Guckt vor allem Videos vom Festland, interessiert sich für Mode oder Horoskope und versteht die Aufregung nicht. "Ja, da heißt es immer, dass Taiwan zu China gehört. Auch wenn Taiwan irgendwann wirklich zu China gehört, werden wir trotzdem unser Leben weiterleben. Ich glaube nicht, dass sich viel ändern wird."
"Für viele junge Leute ist China einfach ein Land wie jedes andere und keine Bedrohung", sagt Ho Cheng-hui.
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Sorge um Verwässerung von Taiwans Identität
Das liege auch an den Formaten: sehr kurze Videos, die in wenigen Sekunden die Aufmerksamkeit der Nutzerinnen und Nutzer erregen sollen. Das führe zu einer fragmentierten Informationsvermittlung, in der sich komplexe Zusammenhänge wie Geopolitik nur schwer erklären lassen.
In den Zivilschutz-Kursen an der von ihm mit gegründeten "Kuma Academy", die immer mehr Taiwaner besuchen, geht es deshalb auch nicht nur um Selbstverteidigung, Verhalten im Katastrophenfall oder Erste Hilfe, sondern auch darum, Desinformations-Kampagnen und den Versuch von Beeinflussung zu erkennen und abzuwehren.
Wen Hsu beobachtet, dass viele junge Taiwaner Redewendungen vom Festland übernehmen, dass es Snacks von dort auch auf Taipehs Nachtmarkt gibt. Sie macht sich Sorgen, dass die Taiwaner durch den Konsum dieser Videos immer mehr die Gepflogenheiten von Festland-China übernehmen und ihre eigene Kultur vergessen.
Miriam Steimer ist Korrespondentin im ZDF-Studio Ostasien.
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