Interview
Konflikt im Indo-Pazifik:China-Politik: Was Taiwan von Berlin erwartet
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Wo China einst zurückhaltend agierte, beansprucht es nun eine Weltmachtrolle. Taiwans Sicherheitsstratege Koo erklärt, was das für sein Land und Deutschland bedeutet.
Ob beim Krieg in der Ukraine, dem Verhältnis zu Russland oder bei den fortgesetzten Drohungen gegenüber Taiwan: Wo China einst zurückhaltend agierte und als Partner in der Globalisierung vor allem an Gewinnen orientiert war, beansprucht es nun eine Weltmachtrolle. Den Nachbarn aus Taiwan bereitet das zunehmend Sorgen. Wellington Koo, Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats in Taiwan, erklärt, wie sich sein Land angesichts der zunehmenden Bedrohung wappnet.
Wellington Koo hat als Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats Taiwan die anspruchsvolle Aufgabe, seine Insel vor der permanenten Bedrohung durch China zu schützen. Die Halbleiterindustrie ist Teil seiner Strategie.
Sehen Sie oben das ganze Interview im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Wellington Koo ...
... über das momentane Verhältnis von China und Taiwan
"China strebt aktiv die Vereinigung des taiwanesischen Territoriums an und macht keinen Hehl daraus, dass es dies auf jede erdenkliche Art und Weise tun wird", sagt Koo. Aber die Menschen in Taiwan hätten gesehen, was in Hongkong geschehen sei, dass das chinesische Konzept von "Ein Land, zwei Systeme" nicht realisiert wurde.
Sie haben genau verstanden, dass Diktatur und Demokratie nicht miteinander vereinbar sind.
Wellington Koo, Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats Taiwan
... dazu, was er aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine für Taiwan gelernt hat
Das ukrainische Beispiel würde in der Tat daran erinnern, dass, "wenn die Führer zentralisierter Staaten Urteile fällen, wir ihnen im Voraus klar sagen müssen, dass sie einen hohen Preis zahlen werden". Denn wenn man ihnen das nicht im Voraus sage, so Koo, dann würden sie leicht eine Fehleinschätzung vornehmen.
"Wenn man also die Erfahrungen der Ukraine auf die Taiwan-Frage überträgt, dann denke ich, dass die internationale Gemeinschaft China das Gefühl geben sollte, dass es die Wirtschaftssanktionen nicht wird aushalten können und dass es mit einer militärischen Intervention eines anderen Landes rechnen muss", so Koo.
... über die Rolle der Halbleiterindustrie in der Sicherheitsarchitektur Taiwans
"Wir machen uns große Gedanken über die wirtschaftliche Sicherheit des Halbleiterdesigns", sagt Koo. Die globale Aufstellung des bald auch in Deutschland agierenden Unternehmens TSMC werde respektiert, aber es müsse garantiert sein, dass Taiwans Vorsprung in dieser Industrie erhalten bleibe. "Die modernsten Produktionsabläufe und die Forschung müssten in Taiwan bleiben", fordert Koo.
... über den Rückhalt von den USA und Europa, wenn es zum Schlimmsten kommt
Ich denke, dass es im besten Interesse Deutschlands, aller anderen Demokratien und der internationalen Gemeinschaft insgesamt ist, einen Krieg in der Region der Taiwanstraße zu vermeiden.
Wellington Koo, Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats Taiwan
Die internationale Gemeinschaft müsse eine konzertierte Abschreckung entwickeln, um einen Krieg zu vermeiden, erklärt Koo. Und dass es sowohl durch Diplomatie als auch durch militärische Bemühungen geschehen müsse.
... dazu, was er von Deutschland erwartet
Insbesondere aus der Sicht des Nationalen Sicherheitsrates würde er die deutsche Regierung "natürlich gerne bitten", mehr zu tun. So könne die militärische Präsenz Deutschlands in der asiatisch-pazifischen Region erhöht werden.
Das Interview führte Diana Zimmermann.
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