Wochenrückblick: Warum Russland Getreideanlagen angreift
Wochenrückblick:Warum Russland Getreideanlagen angreift
von Christian Mölling und András Rácz
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Kiew attackiert die Krim-Brücke, Moskau beschießt Getreideanlagen. Was diese Woche im Ukraine-Krieg passiert ist und welche Ziele Putin verfolgt.
Raketenangriffe auf landwirtschaftliche Lagerhäuser: Wladimir Putin verfolgt mit solchen Angriffen mehrere Ziele.
Quelle: Imago
Als Antwort auf den ukrainischen Anschlag auf die Brücke zur Krim hat Russland in den vergangenen Tagen immer wieder die Infrastruktur für Getreideexporte angegriffen. Damit verfolgt Wladimir Putin gleich mehrere Ziele. Zudem hat der russische Präsident die Nationalgarde gestärkt, um sich für weitere Putschversuche zu wappnen. Die wichtigsten Entwicklungen der vergangenen Woche im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Überblick:
Erneuerter Angriff auf Krim-Brücke
Am frühen Montagmorgen (17. Juli) griff die Ukraine erneut die Brücke an, die das russische Festland mit der von Russland illegal besetzten Halbinsel Krim verbindet, und beschädigte sie. Die von der Ukraine entsandten Marinedrohnen explodierten unter der Brücke und beschädigten den Oberbau schwer.
Zwar gelang es Russland, den Verkehr auf einer Fahrspur wiederherzustellen, doch dürfte die verringerte Kapazität der Brücke zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen auf der Halbinsel führen. Die Eisenbahnbrücke, die für die Versorgung der russischen Streitkräfte eine wichtige Rolle spielt, blieb hingegen unbeschädigt.
Getreideexport: Russland beendet Zusammenarbeit
Ebenfalls am 17. Juli lief das von den Vereinten Nationen vermittelte Getreideexportabkommen zwischen der Türkei, der Ukraine und Russland nach der letzten, zweimonatigen Verlängerung im Mai aus. Technisch gesehen handelt es sich um zwei getrennte Abkommen: eines zwischen der Türkei, der Ukraine und den Vereinten Nationen und ein weiteres zwischen der Türkei, Moskau und den Vereinten Nationen.
Russland erklärte, dass es nicht beabsichtige, seinen Teil des Abkommens zu verlängern, trotz wiederholter Aufforderungen sowohl seitens der UN als auch der Türkei. Drei Tage später erklärte Moskau sogar, dass es beabsichtige, jedes Schiff, das in die Ukraine fährt, als potenziellen Waffentransport zu betrachten, und nahm sich das Recht heraus, es möglicherweise anzugreifen.
Quelle: DGAP
... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Massive Angriffe auf Getreide und Agrarexportinfrastruktur
Als Reaktion auf den Angriff auf die Krim-Brücke begann Russland zudem mit systematischen Angriffen auf die ukrainische Agrarexportinfrastruktur, insbesondere auf die mit dem Getreideexport auf dem Seeweg verbundenen Elemente.
Moskau hat in vier aufeinanderfolgenden Nächten den Hafen von Odessa, einschließlich des Getreideterminals, mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern angegriffen. Auch andere landwirtschaftliche Infrastruktureinrichtungen wurden angegriffen, zum Beispiel in Mykolaiv, in der Region Bilhorod-Dnistrovskyi und an anderen Orten.
Auch Getreidespeicher wurden getroffen: Zehntausende von Tonnen Getreide und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse fielen den Bränden zum Opfer.
Der ukrainischen Luftabwehr ist es zwar gelungen, die meisten Drohnen und viele der ankommenden Marschflugkörper abzuschießen, sie ist aber offensichtlich nicht in der Lage, die Angriffe vollständig abzuwehren.
Moskaus Ziele hinter den Angriffen
In Anbetracht der Tatsache, dass die russische Agrarproduktion in diesem Jahr ein Rekordniveau erreichen wird, verfolgt Moskau mit dem Scheitern des Getreideabkommens und den Angriffen auf die Infrastruktur mehrere Ziele.
kann es die ukrainische Wirtschaft schwächen, indem es Kiew die Einnahmen aus dem Getreideexport vorenthält.
schafft Russland zusätzliche Märkte für seine eigenen Agrarexporte.
kann Moskau durch die Aufkündigung des Abkommens die Nahrungsmittelversorgung mit Waffengewalt regeln und so in einigen Ländern des globalen Südens eine Hungersnot auslösen, die zu einer verstärkten Migration in den Westen führen kann.
Ein weiteres mögliches Motiv für die Angriffe auf die ukrainische Getreideexportinfrastruktur ist der Versuch Russlands, den Westen unter Druck zu setzen, damit dieser die Forderungen Moskaus erfüllt. Indem es die ukrainische Getreideexportinfrastruktur mehr und mehr ruiniert, schafft Russland eine Situation, in der die Zeit zunehmend gegen die Ukraine arbeitet.
Nationalgarde wird gestärkt für inneren Machtkampf
Russland verabschiedete diese Woche außerdem ein Gesetz, das es der Nationalgarde (Rosgwardija) erlaubt, schwere Waffen zu besitzen, darunter Panzer, Schützenpanzer und Artillerie.
Die Entscheidung ist wahrscheinlich eine Reaktion auf den Putschversuch von Prigoschin am 23. und 24. Juni, bei dem sich herausstellte, dass die Rosgwardija zu leicht bewaffnet war, um eine Chance gegen die vorrückende Wagner-Gruppe zu haben, falls diese Moskau erreicht hätte.
Außerdem ist die Rosgwardija eine dem Präsidenten direkt unterstellte Einheit, die von Putins Verbündetem, dem äußerst loyalen ehemaligen Leibwächter Viktor Zolotov, geführt wird. Mit der Bewaffnung der Rosgwardija stärkt Putin also diese ihm treu ergebene paramilitärische Truppe als mögliches Gegengewicht zur Armee.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.