Auch unter den Bedingungen der
Corona-Pandemie hätten Versammlungen nicht pauschal verboten werden dürfen. Ausnahmen mussten jedenfalls im Frühjahr 2020 möglich und deren Voraussetzungen klar geregelt sein, wie am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied.
Es verwarf damit das Versammlungsverbot der sächsischen Coronaschutzverordnung vom 17. April 2020 als unverhältnismäßig. Einschränkungen der Versammlungsfreiheit wegen einer Pandemie sind danach aber zulässig und können auf das Infektionsschutzgesetz gestützt werden. (Az: 3 CN 1.22)
Nach der Verordnung waren alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstige Ansammlungen untersagt. Die Landkreise und kreisfreien Städte konnten im Einzelfall aber Ausnahmen für Kundgebungen genehmigen, wenn dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar war.
"Jetzt müssen wir im Nachgang diskutieren, ob alle Maßnahmen sinnvoll waren", so der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann.06.04.2023 | 4:43 min
Gericht: Versammlungsfreiheit ist Grundrecht
Hierzu bestätigte das Bundesverwaltungsgericht zunächst, dass eine Pandemie Einschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigen könne. Zulässig habe das Land Sachsen sich hierbei auf das Infektionsschutzgesetz gestützt. Es habe das Risiko für Leben und Gesundheit weiterhin als hoch einschätzen und dabei auch davon ausgehen dürfen, dass Abstandsgebote oder andere Schutzauflagen die Ausbreitung des Coronavirus nicht vergleichbar hätten verlangsamen können wie das Verbot.
Allerdings gehöre die Versammlungsfreiheit zu den grundlegenden Rechten des Grundgesetzes. Im Laufe des Jahres 2020 habe sich die Infektionsgeschwindigkeit auch nach Einschätzung des Freistaats Sachsen selbst aber verlangsamt. Vor diesem Hintergrund sei ein generelles Versammlungsverbot nicht mehr gerechtfertigt gewesen, befand das Bundesverwaltungsgericht.
Ausnahmen hätten klar geregelt werden müssen
Die Einschränkung dieses Grundrechts sei auch durch die Ausnahmeregelung der sächsischen Verordnung aber "nur unwesentlich" gemildert worden. Denn die Verordnung habe nicht die Voraussetzungen geregelt, unter denen eine Ausnahme möglich war. Vielmehr sei dies in das freie Ermessen der örtlichen Behörden gestellt worden.
Stattdessen hätte der sächsische Verordnungsgeber selbst die Ausnahmen regeln müssen, erklärten die Leipziger Richter. In dem Urteil bestätigte das Bundesverwaltungsgericht zugleich die Anordnung, dass - mit bestimmten Ausnahmen - im öffentlichen Raum ein Mindestabstand von anderthalb Metern einzuhalten war.
Der Entscheidung lag ein Fall aus Sachsen zugrunde: Ein Mann aus Dresden hatte gegen eine sächsische Corona-Schutzverordnung geklagt. Sie ließ im April 2020 Ansammlungen nur mit vorheriger Genehmigung und einem Mindestabstand zwischen den Teilnehmern von 1,50 Meter zu. Andere Bundesländer hatten ähnliche Regelungen erlassen.
Gericht beurteilt Ländermaßnahmen unterschiedlich
Im vergangenen Jahr hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass die Ausgangsbeschränkungen in Bayern während der ersten Welle der Corona-Pandemie unverhältnismäßig gewesen sind (Az. 3 CN 2.21). Als mildere Corona-Maßnahme wären auch Kontaktbeschränkungen in Betracht gekommen. Sie hätten "die Adressaten weniger belastet", befanden die Richter.
Für Sachsen hatte das Gericht hingegen geurteilt, dass die Einschränkungen durch die dort geltende Corona-Schutzverordnung rechtmäßig waren (Az. 3 CN 1.21). Dabei ging es um verhängte Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Sportstätten und Gastronomiebetrieben.
Quelle: AFP, dpa