Wenn sich der ZDF-Fernsehrat an diesem Freitag (18. September 2020) zu seiner 2. Sitzung in der XVI. Amtsperiode trifft, können sich die Mitglieder wieder persönlich sehen – selbstverständlich unter Beachtung der nötigen Abstandsregeln. Die Fernsehrats-Vorsitzende Marlehn Thieme zeigt sich im Interview mit #Fernsehrat nach mehreren Terminen per Videokonferenz froh über die inzwischen wieder möglichen persönlichen Meetings, ergeben sich doch „im Rahmen von Präsenzsitzungen mehr Möglichkeiten, sich auch am Rande über einzelne Themen auszutauschen“. Deswegen hofft sie auch, die kommenden Sitzungen wieder im „räumlichen Miteinander“ durchführen zu können.
Zugleich registriert die ZDF-Fernsehrats-Vorsitzende ein deutlich gesteigertes Interesse der Programmverantwortlichen an einer Rückmeldung über das Programm. Umgekehrt habe das Programm in Berichten und Diskussionen, aber auch bei Fiktion und Unterhaltung trotz der Ausfälle großer Sportereignisse eine beeindruckende Resonanz gefunden, die auch manchen Kritikern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu denken gegeben habe.
Gerade die mit der Corona-Pandemie verbundenen Herausforderungen stehen auf der Tagesordnung des Gremiums weit oben. Mit Blick auf die vergangenen Monate konstatiert die Fernsehrats-Vorsitzende: „Das ZDF hat beherzt und angemessen auf die Herausforderungen reagiert, um Mitarbeitende und Produktionsfirmen auch in dieser Zeit abzusichern.“ Die Umstellung und die schwierigeren Produktionsbedingungen dauern an, daher sind aus Sicht von Marlehn Thieme weiter Augenmaß und maßgeschneiderte Lösungen erforderlich. Zugleich verweist sie bezüglich der Probleme bei den Produktionsfirmen auf die begrenzten und in ihrer Verwendung klar definierten Beitragseinnahmen des ZDF. Es werde daher darauf ankommen, auch mit staatlicher Unterstützung diese wichtige Branche mit vereinten Kräften und gemeinsamen Möglichkeiten zu stabilisieren.
Nicht zuletzt durch die Pandemie werden auch die journalistischen Arbeitsbedingungen komplizierter. So dreht sich ein Tagesordnungspunkt um die „Sicherheit für Journalist*innen“. „Der Schutz von Kolleg*innen muss in der Corona-Pandemie oberste Priorität haben, während gleichzeitig natürlich die Berichterstattung auch aus Risikogebieten sichergestellt sein muss“, beschreibt ZDF-Fernsehrat Frank Werneke den schwierigen Spagat.
Dabei gibt es in diesem Zusammenhang neben der Pandemie noch weitere Gefahren für die freie Berichterstattung. „Die Zahl der Übergriffe steigt und die Hemmschwelle, Kolleginnen und Kollegen zu beschimpfen und anzugreifen, sinkt“ stellt der ver.di-Vorsitzende vor der Sitzung fest. Er leitet im ZDF-Fernsehrat den Programmausschuss Chefredaktion. Werneke würdigt in diesem Zusammenhang den Einsatz von Sicherheitsteams beim ZDF und fordert in Fällen von Bedrohungen psychologische und vor allem juristische Unterstützung. Eine Drohung müsse angezeigt werden und rechtliche Konsequenzen haben – egal, ob sie als Brief nach Hause komme oder in den sogenannten „sozialen Medien“ ausgesprochen werde. Das müsse für Festangestellte wie Freie gleichermaßen gelten.
Um die zivilisierte Debatte in der Gesellschaft kümmert sich nicht zuletzt der Ereignis- und Dokumentationskanal phoenix, dessen Entwicklung in einem weiteren Tagesordnungspunkt besprochen wird. Die Vorsitzende des Programmausschusses Partnerprogramme im ZDF-Fernsehrat, Gerda Hasselfeldt schätzt phoenix für ausführliche Live-Übertragungen mit sachkundiger Begleitung, fundierten Hintergrundinformationen und intensive, seriöse Gespräche. Sie geht davon aus, dass die weitere Entwicklung in der Corona-Pandemie, die EU-Ratspräsidentschaft sowie das anstehende Superwahljahr die Redaktionsarbeit der kommenden Monate prägen werden. Für die nächste Zukunft regt sie an, auch bei phoenix die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und das Netzangebot zu einer Mediathek auszubauen.
Eine der wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart und ihre Darstellung beim ZDF stehen ferner auf der Tagesordnung: Die „Umwelt- und Klimathemen in den ZDF-Programmangeboten“. ZDF-Fernsehrat Ulrich Lilie lobt, dass diese komplexen Phänomene beim ZDF in den allermeisten Beiträgen ernstgenommen und verständlich dargestellt würden. Dabei betont der Präsident der Diakonie Deutschland: „Haltung ist gut, wissenschaftliche und kritisch recherchierte Faktenkontrolle ist noch besser.“ Er wünscht sich, dass alle möglichen Formate die drängenden Fragen veranschaulichen: „Vom Wetterbericht bis zum „Bergdoktor“, von den digitalen Formaten bis zu den großen Reportagen zur besten Sendezeit.“ Daneben fordert er eine stärkere Beteiligung von jungen Zuschauergruppen am öffentlichen Diskurs. „Ich möchte mehr VertreterInnen dieser Generation in Talkshows und politischen Sendungen sehen. Sie gehören in die Diskussionen mit Firmenchefs, etwa aus der Autobranche oder der Landwirtschaft, und in die Gespräche mit Politikerinnen und Politikern.“