„Wer den Journalismus angreift, greift die Demokratie an“, sagt ZDF-Fernsehrat Frank Werneke. Der ver.di–Vorsitzende lobt das ZDF, das den Drehteams beispielsweise Sicherheitspersonal zur Seite stellt. In Fällen von Bedrohungen brauchen die Journalist*innen aus seiner Sicht psychologische und vor allem juristische Unterstützung. Eine Drohung müsse angezeigt werden und rechtliche Konsequenzen haben - egal, ob sie als Brief nach Hause komme oder in den sogenannten "sozialen Medien" ausgesprochen werde. Das habe für Festangestellte wie Freie gleichermaßen zu gelten. Zudem mahnt Werneke eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Rundfunkanstalten und den Tageszeitungsverlagen an. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie werde seriöse journalistische Arbeit dringender gebraucht als je zuvor.
#Fernsehrat: In der Vergangenheit wurden Journalist*innen bei der Inlands-Berichterstattung etwa von Demonstrationen angegriffen bzw. verbal angefeindet. Ist damit weiterhin zu rechnen, und wie sollte das ZDF grundsätzlich darauf reagieren?
Frank Werneke: Leider zeigen die Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten, die seit dem 1. Mai eingesetzt haben, dass sich die besorgniserregende Entwicklung, die wir bereits seit 2015 beobachten, unter den Bedingungen der Corona-Pandemie verschärft: Die Zahl der Übergriffe steigt und die Hemmschwelle, Kolleginnen und Kollegen zu beschimpfen und anzugreifen, sinkt. Gerade die Teilnehmenden der so genannten Hygienedemos, aber auch der anderen Veranstaltungen von Corona-Leugner*innen greifen ganz gezielt Medienschaffende an.
Das ZDF agiert schon lange positiv, sowohl, was die Begleitung der Kolleg*innen durch Sicherheitsteams angeht, als auch durch juristische Unterstützung bei Bedrohungen und Verleumdungen im Netz – die ja ebenfalls signifikant gestiegen sind, auch das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Ich erwarte, dass hier nicht nachgelassen wird, dass auch Freie konsequent Schutz und Unterstützung erhalten.
Unabdingbar ist meines Erachtens auch eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Rundfunkanstalten und den Tageszeitungsverlagen. Eine entsprechende Initiative für gemeinsame Standards unterstützen wir als größte Gewerkschaft der Medienschaffenden und setzen dabei auch auf das ZDF. Die Kolleg*innen müssen sich sicher fühlen können und in jeder Hinsicht unterstützt werden, denn ihre Arbeit ist grundlegend für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Wer den Journalismus angreift, greift die Demokratie an. Das müssen alle gesellschaftlichen Kräfte deutlich machen und dabei setzen wir natürlich insbesondere auf die Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Verlage.
#Fernsehrat: Wie sollten und können Mitarbeiter*innen bei verbaler Gewalt durch Hatespeech o.ä. unterstützt werden?
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Werneke: Es gibt sehr gute Angebote, zum Beispiel von der Amadeu-Antonio-Stiftung, aber auch von anderen Initiativen, die dabei unterstützen, mit der wachsenden Zahl von Drohungen und verbalen Angriffen auf den digitalen Plattformen umzugehen. Die Rundfunkanstalten sind hier besonders in der Pflicht, entsprechende Angebote zu machen, aber auch psychologische und vor allem juristische Unterstützung zu geben, Festangestellten wie Freien gleichermaßen: Eine Drohung muss angezeigt werden und rechtliche Konsequenzen haben, egal, ob sie als Brief nach Hause kommt oder in den sogenannten "sozialen Medien" ausgesprochen wird. Da müssen sich die Kolleg*innen auf Schutz und Unterstützung durch „ihr Haus“ verlassen können.
#Fernsehrat: Bei der Berichterstattung aus Corona-Risiko-Gebieten könnten Mitarbeiter*innen und auch deren Familien gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sein. Wie sollte das ZDF dem begegnen?
Werneke: Der Schutz von Kolleg*innen muss in der Corona-Pandemie oberste Priorität haben, während gleichzeitig natürlich die Berichterstattung auch aus Risikogebieten sichergestellt sein muss. Das ist ein schwieriger Spagat, der ein ständiges Abwägen und höchste Sensibilität erfordert.
Wir stellen schon fest, dass die Möglichkeiten der Berichterstattung unter den Bedingungen der Corona-Pandemie zum Teil eingeschränkt werden und dass darüber auch versucht wird, Berichterstattung zu steuern. Diesen Versuchen der Einschränkung der Pressefreiheit muss entschieden entgegengetreten werden, ohne dass die Kolleg*innen in Gefahr geraten. Dazu ist es erforderlich, die Entwicklung in Risikogebieten kontinuierlich zu beobachten und daraus gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen, bspw. in Form regelmäßiger Tests, aber auch durch Quarantäne, sofern dies erforderlich ist.
Die Medien in Deutschland haben in den vergangenen Monaten hervorragend unter Beweis gestellt, wie flexibel sie zu arbeiten in der Lage sind. Nicht umsonst war ja auch die Nachfrage nach seriösen journalistischen Informationen in dieser Zeit so groß wie nie.
#Fernsehrat: Expert*innen rechnen aufgrund der Corona-Pandemie auch mit einer Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage in verschiedenen Ländern. Wie sollte darauf reagiert werden?
Werneke: Wir sehen ja in diversen Ländern, wie sich auch aufgrund der Corona-Pandemie gesellschaftliche Konflikte zuspitzen. Das ist besorgniserregend, zumal, wenn wie beispielsweise in den USA noch weitere Faktoren hinzukommen und zu einer Verschärfung der Lage führen. Die Konsequenz daraus sollte auf keinen Fall sein, Berichterstattung zu beschneiden, dann haben treibende Kräfte in diesen Konflikten schon eins ihrer Ziele erreicht. Es kommt jetzt ganz wesentlich darauf an, diese Kräfte zu entlarven und die Ursachen dieser Konflikte transparent zu machen. Seriöse journalistische Arbeit wird dringender gebraucht als je zuvor. Dafür bedarf es des konsequenten Schutzes der Kolleg*innen durch die Medienhäuser und durch die Gesellschaft.
Zur Person: Frank Werneke ist seit 2002 Mitglied im Fernsehrat als Vertreter der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), deren Vorsitzender er seit 2019 ist. Zuvor war er als stellvertretender ver.di-Chef unter anderem zuständig für den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie. Im Fernsehrat ist er Vorsitzender des Programmausschusses Chefredaktion, Mitglied im Erweiterten Präsidium und im Ausschuss für Strategie und Koordinierung.