Zukunft von Thyssenkrupp und Co.:Krise der Stahlbranche: Angst vor dem Abräumer
von Normen Odenthal
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Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel: Beim "Nationalen Stahlgipfel" geht es um die Zukunft der Stahlbranche rund um den Primus Thyssenkrupp - doch im Konzern rumort es.
Thema des Nationalen Stahlgipfels in Duisburg: Die Zukunftsfähigkeit der Branche. Im Fokus: Die Klimaneutralität der Stahlproduktion, an der viele Arbeitsplätze hängen.16.09.2024 | 2:50 min
Im Ruhrpott ist klare Sprache angesagt: "Solange der Lopez da ist, mache ich mir keine großen Hoffnungen. Der muss weg, dann wird es auch wieder besser." So sieht es Dirk Kreuzkamp und ist damit nicht der einzige Mitarbeiter von Thyssenkrupp. Nina Schmidt steht vor den Toren des Duisburger Werks und sagt: "Was da oben abgeht mit dem Lopez, das funktioniert so nicht. Der Lopez muss weg, weil wir möchten eine Zukunft haben."
Miguel Angel Lopez Borrego ist die Reizfigur schlechthin. Seit Juni 2023 leitet er die Geschicke im Vorstand von Thyssenkrupp. Geholt, um den angeschlagenen Traditionskonzern in ruhigere Gewässer zu führen. Das ist ihm nicht geglückt. Die Zeichen stehen auf Sturm. Beim "Nationalen Stahlgipfel", der an diesem Montag in Duisburg stattfindet, geht es um die Zukunft der ganzen Branche.
Was sind die Ergebnisse des Stahlgipfels in Duisburg? Normen Odenthal, ZDF-Studioleiter Düsseldorf, ordnet ein.17.09.2024 | 6:02 min
Thyssenkrupp: Krisenunternehmen oder Leuchtturm?
Gegenwind kennt auch Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, angetreten mit dem Ziel, die deutsche Industrie in eine klimafreundliche Zukunft zu transformieren.
Hier kreuzen sich die Wege von Habeck und Lopez. Denn die Stahlsparte von Thyssenkrupp wurde als Leuchtturmprojekt auserkoren. Wenn es hier gelänge, Roheisen aus Eisenerz zu produzieren und dabei auf die klimaschädliche Kohle zu verzichten, das wäre das Signal, dass sich der Grüne Habeck wünscht.
Subventionen gegen hohe Energiepreise und ausländische Konkurrenz
Technisch soll das möglich sein durch den Einsatz von Wasserstoff und eine moderne Direktreduktionsanlage. Die kostet Geld. Viel Geld. Zwei Milliarden Euro Steuergeld schießen Bund und Land dazu - es war nicht leicht, das bei der EU-Kommission durchzusetzen.
Die deutsche Stahlbranche steckt in der Krise. Wirtschaftsexperte Florian Neuhann berichtet.
16.09.2024 | 1:09 min
Jetzt mehren sich die Zweifel daran, dass dieser Zuschuss reicht und damit auch die Zweifel, ob Thyssenkrupp überhaupt noch wettbewerbsfähigen Stahl produzieren kann. Denn das Umfeld ist schwierig: hohe Energiepreise, billige Konkurrenz aus Fernost.
Natürlich ist Lopez dafür nicht verantwortlich, auch nicht für wirtschaftliche Fehlentscheidungen seiner Vorgänger, von denen es reichlich gab: Vorgänger und Fehlentscheidungen.
Unternehmenschef Lopez holt Milliardär ins Boot
Lopez ist sich sicher, das Richtige zu tun. Er holte den tschechischen Milliardär Kretinsky ins Boot; der hält nun 20 Prozent der Anteile an der Stahlsparte. Und könnte schon bald auf 50 Prozent erhöhen.
Es gibt also Leute, die an die Zukunft des Geschäfts glauben. Lopez will sie mobilisieren und ist bereit, dabei Wege zu gehen, die Arbeitsplätze kosten. Die Stahlsparte aus dem Mutterkonzern auszugliedern, könnte dieser Weg sein. Mehr als seine umstrittenen Pläne aber werden Lopez die Art und Weise, sein Stil, vorgeworfen. Knallhart, skrupellos, unanständig - diesen Ruf hat er in der Belegschaft und inzwischen auch bei Sigmar Gabriel.
Querelen im Aufsichtsrat und der Chefetage
Der frühere Vizekanzler der SPD warf Ende August entnervt das Handtuch als Aufsichtsratschef der Stahlsparte. Zuvor hatte Lopez den Stahlvorstand Bernhard Osburg öffentlich scharf attackiert und schließlich abserviert. Für Gabriel war das zu viel. Eine "Sauerei" sei das, "Mobbing", so könne man mit Menschen nicht umgehen, sagt der Mann, der in seiner politischen Karriere schon manche Stillosigkeit erlebt hat.
Rund 5.000 Thyssenkrupp-Beschäftigte in der Stahlsparte haben in Essen gegen einen geplanten Teilverkauf demonstriert. Sie werfen Vorstandschef Lopez mangelnde Transparenz vor.23.05.2024 | 0:19 min
Von Hitze und Glut darf man sich in der Stahlbranche nicht schrecken lassen. Das gilt für die Chefetage genauso wie die Schicht am Hochofen. Aber in dem aktuellen Getöse einen zukunftsfähigen Plan für Thyssenkrupp zu schmieden, scheint schwieriger denn je.
Stahlgipfel in Duisburg sucht Ausweg für die Branche
Vorstand und Aufsichtsrat der Stahlsparte sind inzwischen neu besetzt. Aber über allem thront weiter Miguel Lopez als Chef des Mutterkonzerns. Der Top-Manager lässt sich schon länger nicht mehr persönlich in Duisburg sehen. Er schätze die Lage als zu gefährlich ein, wird kolportiert.
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Robert Habeck hingegen kommt am Montag nach Duisburg - auf Einladung seiner grünen Parteifreundin Mona Neubaur. Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin hat zum "Nationalen Stahlgipfel" geladen, gemeinsam mit den Branchenverbänden und der IG Metall.
Man kann sich schnell darauf verständigen, dass Stahl aus Deutschland eine Zukunft hat. Aber wie die aussehen soll - da wird es eben kompliziert. Längst kommt der Ruf nach staatlicher Hilfe, etwa dem Modell Meyer-Werft folgend. Aber alle Signale des Wirtschaftsministeriums sind sehr zurückhaltend. Das dürfte sich heute beim "Nationalen Stahlgipfel" kaum ändern. Auch wenn es viele Beschäftigte von Thyssenkrupp hoffen.
Normen Odenthal ist Korrespondent und Leiter des ZDF-Landesstudios in Nordrhein-Westfalen.
Quelle: ZDF
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