Stahlkonzern in der Krise:Thyssenkrupp: Tausende Jobs auf der Kippe?
von Ralph Goldmann
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Thyssenkrupp will die verlustreiche Stahlsparte umstrukturieren. Die IG Metall warnt vor massivem Stellenabbau und erhöht vor der Aufsichtsratssitzung an diesem Freitag den Druck.
Wie soll die Zukunft des größten deutschen Stahlerzeugers aussehen? Der Aufsichtsrat berät über eine Neuaufstellung, die aber auch mit einem Stellenabbau verbunden sein wird.09.08.2024 | 2:07 min
Sie stehen wieder vor dem Werkstor. Die IG Metall hat auf der Kaiser-Wilhelm-Straße in Duisburg gegenüber der Zentrale von Thyssenkrupp Steel eine Mahnwache eingerichtet, jeden Tag von fünf bis 23 Uhr. "Wir hier stehen für unsere Zukunft, für unsere Familien, für ganz Duisburg, ganz Nordrhein-Westfalen", sagt Betriebsrätin Laurence Hentschel.
Eine Mahnwache vor dem Werkstor? Das gab es zuletzt 1997, als sich Thyssen und Krupp eine Übernahmeschlacht lieferten und die Belegschaft Angst um ihre Arbeitsplätze hatte. So wie jetzt wieder.
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Thyssenkrupp plant radikalen Umbau
Denn der Mutterkonzern, die Thyssenkrupp AG, macht Verluste. Ende Juli musste das Unternehmen seine Geschäftsprognose zum wiederholten Mal nach unten korrigieren. Die Aktie bewegt sich in der Nähe des historischen Tiefs. Das Management begründet die Lage mit einem "anhaltend herausfordernden und schwierigen Marktumfeld". Gemeint sind hohe Energiepreise und billige Stahlimporte aus Asien.
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"Der Druck steigt weiter, weil die Stahlherstellung noch energieintensiver wird und erneuerbare Energie benötigt wird, um Stahl herzustellen", sagt Ulf Meinke, der seit vielen Jahren für die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" über Thyssenkrupp berichtet. Dazu komme die starke Konkurrenz aus dem Ausland, vor allem aus Asien:
Deshalb soll der Konzern radikal umgebaut werden. Miguel Ángel López Borrego, Vorstandschef der Aktiengesellschaft, war vor über einem Jahr gekommen, um "den eingeschlagenen Transformationsprozess gewissenhaft und mit dem erforderlichen Tempo fortzusetzen", wie er damals sagte. "Nach vielen Gesprächen, die ich dazu bereits geführt habe, bin ich zuversichtlich, dass uns das gemeinsam gelingen wird." Das mit dem "gemeinsamen Gelingen" allerdings liegt in weiter Ferne.
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Weniger Stahl, weniger Arbeitsplätze
López will nur noch 9,5 statt bisher 11,5 Millionen Tonnen Stahl im Jahr produzieren lassen. Das bedeutet: weniger Arbeitsplätze. Er hat bereits dafür gesorgt, dass der tschechische Geschäftsmann Daniel Křetínský mit seinem Unternehmen EPCG 20 Prozent der traditionsreichen Stahltochter Thyssenkrupp Steel mit 27.000 Beschäftigten übernehmen konnte. Über weitere 30 Prozent wird derzeit verhandelt. Arbeitnehmervertreter sehen den Deal kritisch.
Und so steigt die Unruhe in der Belegschaft von Woche zu Woche. Vor allem die Zukunft des Hüttenwerks HKM, an dem Thyssenkrupp Steel mit 50 Prozent beteiligt ist, ist ungewiss. Etwa 3.000 Beschäftigte arbeiten in dem Werk im Duisburger Süden.
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Alle schauen auf Hamburger Investor
Die Hoffnungen ruhen jetzt auf dem Hamburger Investor CE Capital Partners, der offenbar ein Auge auf HKM geworfen hat, sich mit öffentlichen Jobgarantien aber derzeit zurückhält.
"Wichtig ist jetzt, dass man ernste Gespräche mit diesem Investor führt und sicherstellt, dass er die notwendige Liquidität hat", sagt Jürgen Kerner dem ZDF. Er sitzt für die IG Metall im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp.
Horror-Szenario für die Region
Eine Schließung wäre für die Region das Horror-Szenario, auch wenn es offenbar keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll. Die IG Metall befürchtet aber das Aus für bis zu 6.000 Arbeitsplätze, wenn man die Stellen in der Verwaltung dazurechnet. Deshalb wollen sie jetzt kämpfen und vor der Aufsichtsratssitzung an diesem Freitag den Druck erhöhen. Dann sollen die Pläne vorgelegt werden.
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"Wenn wir hier Tausende von Arbeitsplätzen abbauen, dann wird das eine ganze Region zum Sterben bringen und das muss der Politik klar sein", sagt Vedat Akyün vor dem Werkstor.
Politik lädt zu "Stahlgipfel"
Die Politik scheint den Ernst der Lage erkannt zu haben und hat für Mitte September zu einem "Stahlgipfel" geladen. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) werden in Duisburg erwartet.
Eine neue Finanzspritze werden sie wohl nicht mitbringen. Bund und Land unterstützen Thyssenkrupp bereits mit zwei Milliarden Euro beim Bau einer neuen Anlage, die ab 2027 nicht mehr mit Kohle, sondern mit grünem Wasserstoff Stahl erzeugen soll.