Warnstreik am Boden: Droht der Lufthansa eine Streikwelle?

    Wieder Warnstreiks :Droht der Lufthansa eine Streikwelle?

    von Mischa Ehrhardt
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    Bei der Lufthansa schwelen immer noch zwei größere Tarifkonflikte. Auch jetzt wird wieder gestreikt. Und auch in anderen Bereichen kann es zu weiteren Streiks kommen.

    Ein Schild von Verdi mit der Aufschrift "Heute Warnstreikk" hängt an einer Laterne-
    Die Verdi-Streiks im ÖPNV gehen weiter, mit Schwerpunkt in Niedersachsen, Thüringen und Brandenburg. Auch bei der Lufthansa streikt das Bodenpersonal in einigen Konzernbereichen.28.02.2024 | 0:20 min
    Joachim Vázquez Bürger ist kaum zu erreichen. "Bei uns brennt gerade die Hütte", sagt er gegenüber ZDFheute. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Ufo organisiert gerade eine Urabstimmung über Streiks unter den Beschäftigten des Kabinenpersonals der Lufthansa. Die Stimmung unter seinen Gewerkschaftsmitgliedern ist gereizt. Der Ufo-Chef sagt:

    Die Kolleg*innen gelangen regelmäßig an ihre physischen und mentalen Grenzen.

    Joachim Vázquez Bürger, Ufo-Chef

    "Das Management wurde von uns unzählige Male aufgefordert, seine Hausaufgaben zu machen. Doch man wurschtelt sich einfach weiter durch und stößt die Mitarbeiter*innen vor den Kopf. Damit ist jetzt Schluss."

    "Weitere Streiks nicht ausgeschlossen"

    Das Kabinenpersonal der Lufthansa steht nicht allein. Seit diesem Mittwoch hat Verdi Beschäftigte einzelner Unternehmen des Lufthansa-Konzerns zu einem dreitägigen Warnstreik aufgerufen. Schon in der vergangenen Woche hatte das Bodenpersonal der Lufthansa im Rahmen eines Warnstreiks die Arbeit niedergelegt. Bis zu 90 Prozent der Flüge fielen an dem Tag aus, denn an den Check-In-Beschäftigten führt kaum ein Weg vorbei.
    Menschen in gelben Warnwesten demonstrieren mit Verdi-Fahnen und Schildern.
    Nach dem Streik des Bodenpersonals verhandeln Verdi und Lufthansa wieder. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hat Verdi indes zum Warnstreik im regionalen Verkehr aufgerufen.21.02.2024 | 1:04 min
    Es folgte ein weiterer Verhandlungstag zwischen Management und der Gewerkschaft Verdi. Doch schon am Nachmittag gab Verdi bekannt, dass das von Lufthansa erneuerte Angebot noch immer viel zu niedrig sei. Der Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky sagte gegenüber ZDFheute:

    Deswegen sind ab sofort auch weitere Streiks nicht ausgeschlossen.

    Marvin Reschinsky, Verdi-Verhandlungsführer

    Personalmangel und Inflation geben Gewerkschaften Rückenwind

    Um weitere Streiks zu verhindern, hat die Gewerkschaft die Fluglinie dazu aufgerufen, ein besseres Angebot noch vor dem nächsten Verhandlungstermin Mitte März vorzulegen. Die Fluglinie hat diese Aufforderung zur Kenntnis genommen, heißt es auf Nachfrage.
    Rückenwind geben den Gewerkschaften der akute Personalmangel einerseits und die hohe Inflation andererseits. In Folge liegen die Forderungen der Arbeitnehmervertreter für Lohnerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich - nicht nur bei der Lufthansa.
    Streikende Mitarbeitere der Lufthansa
    Wegen des Streiks an deutschen Flughäfen ist es zu Ausfällen gekommen. Rund 100.000 Passagiere sind betroffen. Die Gewerkschaft Verdi fordert unter anderem 12,5% mehr Lohn.20.02.2024 | 1:32 min
    So läuft aktuell auch noch der Tarifkonflikt zwischen dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) und Verdi für das Sicherheitspersonal an Flughäfen. Auch hier hatten Warnstreiks den Flugverkehr lahmgelegt. Die Verhandlungen für die fast 25.000 Beschäftigte sind ergebnislos vertagt, weil auch die Vorstellungen von Gewerkschaften und Arbeitgebern weit auseinanderliegen.

    Weitere Streiks auch in anderen Bereichen erwartet

    Aus diesem Grund werden weitere Streiks auch in anderen Bereichen der Wirtschaft noch kommen. Denn der Rückenwind für die Gewerkschaften trifft auf konjunkturellen Gegenwind, der Unternehmen dazu bringt, ihr Geld zusammenzuhalten. Hagen Lesch, Experte für Tarifpolitik am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), sagt:

    Für das laufende Jahr müssen wir damit rechnen, dass Tarifverhandlungen sehr konfliktreich ablaufen werden.

    Hagen Lesch, Experte für Tarifpolitik am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW)

    "Dazu gehören Warnstreiks, Urabstimmungen und auch Streiks". Zu beobachten ist das in diesen Tagen auch im Öffentlichen Nahverkehr, den Verdi mit Ausnahme Bayerns bis einschließlich Samstag bundesweit bestreiken lässt.
    Christoph Wiesel und Dennis Dacke
    "Wir brauchen diese Lohnerhöhung", erklärt Verdi-Gewerkschaftssekretär Dennis Dacke ZDF-Reporter Christoph Wiesel. Noch fehle ein "substantiell verbessertes Angebot" von der Lufthansa.20.02.2024 | 9:06 min

    Kommt es hierzulande zu "französischen Verhältnissen"?

    Bei dieser Streikwelle gleich zu Jahresbeginn kann der Eindruck von "französischen" Verhältnissen entstehen, wo Streiks und Proteste des Öfteren zu Einschränkungen führen. Doch diesen Eindruck müsse man relativieren, meint Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: "Im Jahr 2022 zum Beispiel haben wir durch Streiks pro Beschäftigtem im ganzen Jahr weniger als 0,1 Arbeitsstunde verloren. Das ist sehr wenig".
    Verdi-Fahnen wehen vor der Zufahrt des Busdepots der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB).
    Die Dienstleistungsgewerkschaft will kürzere Wochenarbeitszeiten und mehr Urlaubstage für ihre Arbeitnehmer durchsetzen. Schwerpunkt der Streiks im ÖPNV ist heute Niedersachsen. 19.02.2024 | 1:28 min
    Hinzu komme, dass die Löhne aktuell schnell mit der Inflation aufholen müssten, was eine Sondersituation darstellt. "Wenn sich das Ganze wieder beruhigt, werden die Lohnforderungen auch nicht mehr im zweistelligen Prozentbereich liegen".

    Friedenspflicht auferlegt bis zu dem 3. März

    Unterdessen könnte sich die Streikbereitschaft in einem altbekannten Tarifkonflikt wieder zeigen, um den es in den vergangenen Wochen ruhig geworden ist: Den zwischen der Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL. Die Ruhe ist deswegen eingekehrt, weil beide Seiten sich eine Friedenspflicht auferlegt haben bis zu diesem Sonntag, dem 3. März.
    Im Januar hatte die Lokführergewerkschaft fünf Tage lang den Bahnverkehr in Deutschland lahmgelegt, wobei sich die Fronten auf beiden Seiten ziemlich verhärtet hatten.

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