Espenhain: 112 Tage Streik und der Arbeitgeber schweigt
Arbeitskampf bei Recycling-Firma:112 Tage Streik und der Arbeitgeber schweigt
von Thomas Bärsch
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Im sächsischen Espenhain bestreikt die IG Metall seit über 100 Tagen ein Recyclingunternehmen. Es gehört einem chinesischen Investor. Der reagiert auf keine E-Mail. Und nun?
Streik beim Schrott- und Recyclingunternehmen SRW metalfloat in Espenhain bei Leipzig.
Quelle: dpa
Vom markanten Rot und Gelb ist auf der Fahne der IG Metall nicht viel geblieben. Trotzig flattert sie im Espenhainer Wind - vom Ruß aus der Feuertonne unter ihr schwarz eingefärbt.
"Die hat schon einige längere Streiks mitgemacht", erklärt Michael Hecker, Verhandlungsführer für die IG Metall. Doch verhandeln will der Arbeitgeber nicht. Und so weht die Fahre hier seit inzwischen 112 Tagen im Rauch der Feuertonne.
Kürzere Arbeitszeiten und mehr Lohn gefordert
Bei der "SRW metalfloat" Espenhain im Südraum von Leipzig stehen Mitarbeiterinnen am Band, das ohne Unterlass Schrottstücke an ihnen vorbeischiebt, die sie erkennen und sortieren. In einer Schicht kommen so Tonnen zusammen, die durch ihre Hände gehen. Das ganze für 13,60 Euro pro Stunde, also knapp über Mindestlohn.
Pro Monat sind das laut IG Metall etwa 600 Euro weniger als die westdeutsche Konzernmutter dort für die gleiche Arbeit zahlt. In Espenhain fordern die Streikenden acht Prozent und die 38-Stunden-Woche. Es klingt moderat, doch es ist kompliziert.
Arbeitgeber verweigert Verhandlungen
Die Konzernmutter "Scholz-Recycling" aus Essingen (Baden-Württemberg) wurde 2016 von einem chinesischen Investor gekauft. Der deutsche Geschäftsführer hier vor Ort sei nicht legitimiert, einen Tarifvertrag zu verhandeln, erklärt IG-Metaller Michael Hecker.
Also haben wir den chinesischen Investor angeschrieben: Auf Deutsch, Englisch und Chinesisch. Er ignoriert aber alle unsere Kontaktversuche. Die wollen einfach keinen Tarifvertrag.
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Michael Hecker, IG Metall
Eine E-Mail von SRW auf eine Presseanfrage bestätigt das: Man lege belegschaftsrelevante Themen einvernehmlich fest und sehe keine Veranlassung, diese Praxis durch ein Prozedere unter "Einbeziehung von Dritten" zu verändern. Also: Keine IG Metall. Kein Tarifvertrag. Keine Verhandlungen.
Mehr als die Hälfte der Beschäftigten streikt nicht
Am Ende verweist die SRW noch darauf, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten eben nicht mitstreiken. Gemeint sind die Arbeiter, die zum Schichtwechsel am Nachmittag an ihren Kollegen vor dem Tor vorbei müssen. Und an den "Streikbrecher"-Plakaten. Die meisten hasten mit gesenktem Kopf vorbei, mit dem Reporter sprechen will keiner. Einer zeigt nur auf den Schriftzug auf seiner Warnweste "Wir arbeiten weiter", ist da zu lesen. Warum? Keine Antwort.
"Streikbrecher"-Plakat vor der Firma SRW in Espenhain
Quelle: Thomas Bärsch
Viele von ihnen seien nur befristet angestellt, heißt es im Streiklager an der Feuertonne. Und dass der Arbeitgeber gedroht habe, Streikenden die Verträge nicht zu verlängern. Vielleicht deshalb zeigt sich keiner wütend auf die Kollegen, höchstens verständnislos. "Wir haben doch Fachkräftemangel", wundert sich Thomas Gerth, Betriebsrat bei SRW. "Und manche Kollegen kommen aus 20 Kilometer Entfernung her. Wenn die in die andere Richtung fahren, sind sie schon fast in Chemnitz oder Zwickau - die finden locker einen Job", so Gerth.
Also ein bisschen mehr könnte man schon pokern.
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Thomas Gerth, Betriebsrat bei SRW
Kein Ende des Streiks bei SRW in Sicht
Innerbetriebliche Grabenkämpfe wie in Espenhain nehmen bundesweit zu, weiß Sozialforscher Klaus Dörre. Das System der Flächentarifverträge sei erodiert, Gewerkschaften müssten ihre Interessen nun Betrieb für Betrieb durchsetzen.
Forderungen durchzusetzen, "kommt wieder in Mode", so der Soziologieprofessor Klaus Dörre von der Uni Jena. "Streik verbindet, weil man im Ergebnis zu Kompromissen kommen muss."03.02.2024
Dörre sieht in Espenhain eine kompromisslose "Unterwerfungsstrategie" des chinesischen Investors. Wie es dort ausgeht, kann er nicht abschätzen. Ein schweigender Arbeitgeber hier - und auf der anderen Seite Mitarbeiter, die in ihren Streik schon zu viel investiert haben, um jetzt abzubrechen.
Sie leben vom Streikgeld der IG Metall. Doch das gleicht den fehlenden Lohn nicht aus. Bis zu 700 Euro fehlen jedem Streikenden im Portemonnaie pro Monat, seit 112 Tagen. Und ein Ende ist nicht abzusehen. "Ich hab ja etwas gespart", tröstet sich Betriebsrat Gerth, "und die Familie steht hinter mir!" Die Familie und die IG Metall. Denn auch sie kann sich nicht leisten, jetzt hier aufzugeben.
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