WM-Titel der U17 gegen Frankreich: Ein Sieg für die Hoffnung
Analyse
Triumph der U17:Ein WM-Titel für die Hoffnung
von Ralf Lorenzen
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Von den Erfahrungen der neuen U17-Weltmeister können viele lernen: Vereine, der DFB, die Nationalmannschaft und junge Spieler. Vor allem, dass Begeisterung ansteckend ist.
Ein Kollektiv mit starken Einzelspielern: Die deutsche U17 bejubelt ihren WM-Titel.
Quelle: AP
Begeistert hat sie schon vorher - aber beim Finalsieg gegen Frankreich zeigte diese U17-Mannschaft nochmal all das im Übermaß, was sie bei dieser WM in Indonesien ausgemacht hat:
eine erste Halbzeit mit schnellem, dominanten Offensivfußball, eine zweite mit aufopferungsvoller Abwehrschlacht und einen extrem coolen Torwart.
U17 steckt immer wieder Rückschläge weg
"Wenn man den Charakter der Mannschaft kennengelernt hat, dann in diesem Spiel", sagte Trainer Christian Wück gerührt. Wie im ganzen Turnier musste sie Rückschläge wegstecken - den Ausgleich nach 2:0-Führung, einen Platzverweis und einen Rückstand beim Elfmeterschießen. Doch dann packte der Unterhachinger Torwart Konstantin Heide seine ganze Cleverness aus und parierte zwei Elfmeter. "Es war purer Kampf", sagte Kapitän Noah Darvich vom FC Barcelona.
Der Rest war grenzenloser Jubel über eine Leistung, die dem DFB die erste WM-Trophäe bei den U17-Jährigen überhaupt eingebracht hat.
U17-Spieler brauchen Spielpraxis auf höchstem Niveau
Während in Surakarta noch gefeiert wurde, gab es für die in Hamburg bei der Gruppenauslosung zur EM versammelte DFB-Elite Gelegenheit, schon mal darüber nachzudenken, was man aus diesem Erfolg lernen kann. Die entscheidende Frage wird sein: Wie entwickelt man diese Vielzahl hochveranlagter Spieler so weiter, dass sie ihre Potenziale auch im Profifußball zur Geltung bringen?
Auch wenn die deutsche U17-Nationalmannschaft bei der WM aktuell für Furore sorgt, hat der deutsche Fußball ein Nachwuchsproblem. Viele Talente schaffen nicht den Sprung nach oben.30.11.2023 | 14:54 min
Experten sind sich einig, dass dies nur über Spielpraxis auf höchstem Niveau geht. Genau daran fehlt es den jungen Spielern im Übergangsbereich in Deutschland im Vergleich zu ihren französischen, englischen oder spanischen Kollegen zu oft. Nur wenige Spieler der letzten U17-Jahrgänge haben es wie Florian Wirtz, Youssoufa Moukoko, Luca Netz oder Josha Vagnoman überhaupt in die 1. Bundesliga geschafft.
Reformeifer darf durch U17-Titel nicht erlahmen
"Wenn wir als Profivereine - egal in welcher Liga - nicht mutig genug sind, einen 18-Jährigen reinzuschmeißen, dann dürfen wir uns fünf Jahre später nicht beschweren, dass die deutsche Nationalmannschaft nicht ausreichend Qualität hat", sagte Jochen Sauer, Nachwuchschef bei Bayern München, im Bolzplatz.
U17-Trainer Christian Wück im Interview nach dem WM-Finale
Fatal wäre es, diesen Erfolg einer deutschen Nachwuchsmannschaft zum Anlass zu nehmen, den gerade erst entfachten Reformeifer im Kinder- und Jugendfußball zu bremsen. Dessen Kernelement ist die Abkehr von zu früher Tabellenfixierung, hin zu mehr Spielformen mit Spielanteilen für alle.
Besondere Trainerleistung von Wück wichtig
"Es ist nur eine einzige Mannschaft in einem Turnier, die keine allgemeinen Rückschlüsse über die Qualität deutscher Nachwuchsspieler über längere Dauer zulässt", ordnet der Sportwissenschaftler Mathias Lochmann gegenüber ZDFheute den Erfolg der aktuellen U17 des DFB ein. "Ausnahmen sind mit besonderen Trainerleistungen oder anderen Faktoren immer möglich, entscheidend ist aber die Anzahl der Spieler mit hoher Qualität über einen längeren Zeitraum."
U17-Nationaltrainer Christian Wück will mit seinem Team im WM-Finale gegen Frankreich "den letzten Schritt gehen". Zudem ordnet er die Situation der Nachwuchsmannschaften ein..29.11.2023 | 4:06 min
Für die Nationalmannschaft gibt dieser Erfolg die Hoffnung, dass eine Mannschaft trotz ungünstiger Voraussetzungen in einem Turnier über sich hinauswachen kann. Wie das ermöglicht wird, hat Christian Wück vorgemacht: an die Spieler glauben, sie stark machen und so einsetzen, dass ihre Stärken zeigen können. Und nicht eine Spielidee in den Mittelpunkt stellen, der sich die Spieler anpassen müssen.
Spieler und Teams profitieren von Turnier-Erfahrung
Die Spieler des neuen U17-Weltmeisters, die vor genau einem halben Jahr schon Europameister geworden sind, werden die Erfahrung dieser Reise nicht nur in ihre weitere persönliche Karriere mitnehmen, sondern auch in alle Mannschaften, in den sie künftig spielen werden. Allen voran Paris Brunner, der kurz vor der WM von seinem Klub Borussia Dortmund aus disziplinarischen Gründen suspendiert wurde - und nach dem Finale zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde.
Und alle, die die Vorfreude auf die kommende Heim-EM noch vermissen, wissen jetzt: Begeisterung steckt sehr schnell an.
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