Warum der Supercup für Bayer Leverkusen so wichtig ist

Dass der Double-Gewinn aus Meisterschaft und Pokal in der abgelaufenen Saison die Gier nach weiteren Titeln nur verstärkt hat, daraus machen sie in Leverkusen keinen Hehl. Und so müsste der Einstieg in die neue Saison direkt mit einem Finale wie gemalt sein für die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso, die sich von den Erfolgen aus jüngeren Tagen aber nicht blenden lassen will.

Auch wenn die Ultra-Szene beider Lager die Partie aus Protest gegen die Ansetzung des Termins parallel zur ersten DFB-Pokal-Runde boykottiert, kommt dem Supercup-Finale gegen den VfB Stuttgart aus Sicht von Bayer in vielerlei Hinsicht eine besondere Bedeutung zu.

In der Vorbereitung setzte es für Leverkusen gegen das Top-Team von Arsenal London eine krachende Niederlage. "Das war sicher ein Weckruf. Im Fußball bringt die Vergangenheit keine Punkte und keine Siege. Wir fangen bei null an", mahnte Alonso nach dem 1:4, bei dem seine Mannschaft vieles aus der Vorsaison vermissen ließ. Mit dem VfB wartet jetzt die erste große Standortbestimmung in einem Pflichtspiel.

Ein Titelgewinn gegen die in der letzten Saison zweitbeste Mannschaft Deutschlands könnte Bayer direkt wieder in einen Flow kommen lassen und dürfte die Spieler an die Unbesiegbarkeit aus der vergangenen Bundesliga-Spielzeit erinnern. Für die Neuzugänge Aleix Garcia und Martin Terrier wäre es der ideale Einstand. Eine Niederlage wäre allerdings ein erster Fingerzeig, dass sich Teams mit hoher Qualität nun besser auf die Mannschaft von Xabi Alonso eingestellt haben und Siege ungleich schwerer werden.

Gut eingestellt war nämlich in der vergangenen Saison im Europa-League-Finale auch Atalanta Bergamo gegen Leverkusen. Mit einer taktischen Meisterleistung erwischten die Italiener die Bayer-Elf an ihrem schwächsten Tag der Saison und fügten ihnen die einzige Niederlage in der gesamten Spielzeit zu - und das ausgerechnet in einem großen europäischen Finale.

Nur drei Tage später gelang es Leverkusen einen "Final-Fluch" abzuwenden: Bayer siegte im DFB-Pokal-Endspiel gegen Kaiserslautern und machte das Double perfekt. Mit einem Sieg im Supercup und dem nächsten Titel wäre endgültig klar: Diese Mannschaft bringt auch in einem Endspiel ihre Leistung.

Mit ein Nährboden für die herausragenden Leistungen des letzten Jahres war auch die ruhige und akribische Arbeit im Leverkusener Umfeld. Herausragende Transfers wurden nahezu geräuschlos getätigt, während die Achse an Top-Spielern im Verein gehalten werden konnte. Das sieht diesen Sommer zumindest bei einer Personalie etwas anders aus.

Nationalspieler Jonathan Tah würde gerne zum Liga-Konkurrenten FC Bayern wechseln und die Bosse um Simon Rolfes und Fernando Carro ihn auch gerne verkaufen - jedoch zieht sich der Ablösepoker mit den Münchnern um Max Eberl so lange hin, dass Carro sich sogar dazu hinreißen ließ, den Münchner Manager verbal scharf zu attackieren.

Der Ausgang der Transfer-Posse ist offen, klar ist aber auch: Tah stand bei den Vorbereitungsspielen regelmäßig auf dem Platz und dürfte auch gegen den VfB Stuttgart im Supercup-Finale für Bayer auflaufen. Spielt er sich mit einer starken Final-Leistung weiter ins Schaufenster, dürfte das die Verhandlungsposition für Leverkusen nicht verschlechtern und verdeutlichen: Selbst wenn Bayern einen Rückzieher macht, kann Xabi Alonso auf Tah und seine professionelle Einstellung bauen.

Fazit: Das "Vizekusen"-Image wurde mit dem Double-Gewinn abgelegt, einen kleinen Final-Makel gab es jedoch letzte Saison. Zudem sind die Niederlage bei Arsenal und das Hickhack um Tah inklusive der verbalen Entgleisung Carros Störgeräusche der Vorbereitung, die im Leverkusener Umfeld vorerst niemanden nervös machen, aber auf die man gerne verzichtet hätte.

Mit einer starken Leistung im Finale gegen Stuttgart könnte man den Fokus aufs Sportliche lenken. Und auch wenn der Supercup im Vergleich zur Meisterschaft und dem DFB-Pokal einen deutlich geringeren Stellenwert einnehmen dürfte, wäre es das, wonach der Verein Jahrzehnte lang gelechzt hat: ein weiterer Titel.