Dnipro-Bombardierung: Ist deutscher Öl-Konzern verstrickt?

    Russlands Dnipro-Bombardierung:Wie verstrickt ist deutscher Öl-Konzern?

    von Hans Koberstein
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    Der Ölriese Wintershall Dea ist in Putins Kriegsmaschine verstrickt. Nun will der Konzern sein milliardenschweres Russland-Geschäft aufgeben. Welche Rolle spielen russische Bomber?

    Eine Küche in einem Wohnblock, die durch einen russischen Raketenangriff schwer beschädigt wurde, aufgenommen am 5.01.2023 in Dnipro (Ukraine)
    Das zerstörte Wohnhaus in Dnipro nach dem russischen Raketenangriff.
    Quelle: Reuters

    Deutschlands größter Mineralölkonzern Wintershall Dea, eine Tochter des Chemieriesen BASF, hat angekündigt, Russland zu verlassen. Die Mitteilung kommt wenige Tage nach dem verheerenden Bombenangriff der russischen Luftwaffe auf ein Wohnhaus im ukrainischen Dnipro. Nach offiziellen Angaben wurden dabei mindestens 45 Menschen getötet, darunter sechs Kinder. Amnesty International spricht von einem Kriegsverbrechen.
    Ist Wintershall Dea darin verstrickt? Schließlich lässt der deutsche Konzern in Sibirien Gaskondensat fördern, gemeinsam mit Gazprom, einem wichtigen Treibstofflieferanten der russischen Luftwaffe. Im November 2022 hatten "Spiegel" und ZDF diese Geschäfte mit Gaskondensat aufgedeckt.

    Angriff auf Wohnhaus: Wer versorgte den Bomber?

    Am vergangenen Samstag war es ein russischer Marschflugkörper vom Typ Ch-22, der das Wohnhaus in Dnipro zerstörte. Laut der ukrainischen Luftwaffe feuerte ihn ein russischer Bomber ab. Der Bomber ist auf der Militärbasis Schaikowka, südwestlich von Moskau stationiert.
    Diese Militärbasis wurde von einer Raffinerie versorgt, die als Rohstoff Gaskondensat aus dem Fördergebiet von Gazprom und Wintershall bezieht. Dies ergab eine erneute Auswertung von Lieferdaten durch "Spiegel" und ZDF frontal.

    Wintershall weist Vorwürfe zurück

    Wintershall will sich zum Angriff auf Dnipro nicht äußern. Bereits zuvor hatte der Konzern Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, das gemeinsam geförderte Gaskondensat werde am Bohrloch direkt an den Partner Gazprom übergeben.
    Wintershall habe keine Kontrolle darüber, was damit geschehe. Außerdem sei ein Ausstieg gar nicht so einfach, weil es dafür die Genehmigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin brauche.
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    Ein Joint Venture des deutschen Konzerns Wintershall Dea beliefert trotz des Angriffs auf die Ukraine Russlands wichtigsten Hersteller von Flugzeugbenzin.08.11.2022 | 9:58 min

    Bundesregierung schaltete sich ein

    Aufgrund der gemeinsamen Recherchen von "Spiegel" und ZDF frontal hatte die ukrainische Regierung bereits im November eine Untersuchung der deutsch-russischen Geschäftsbeziehung gefordert. Die Bundesregierung erklärte damals, man sei mit Wintershall "im Gespräch".
    Nun also kündigt Wintershall seinen Rückzug aus Russland an. "Russlands Angriffskrieg ist nicht vereinbar mit unseren Werten", erklärte der Konzern. In dem Angriffskrieg ist Wintershalls Partner Gazprom ein wichtiger Lieferant für Kerosin für die russische Luftwaffe.
    Deshalb sei der Rückzug "überfällig", so CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Zu Wintershalls Muttergesellschaft BASF sagte Kiesewetter ZDF frontal:

    [BASF hat] endlich erkannt, dass Wintershall an der russischen Kriegsfinanzierung beteiligt war, insbesondere an der Produktion von Treibstoffen.

    Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter

    "Ein 'Weiter so' kann es nicht geben", sagt auch Robin Wagener, Außenpolitiker der Grünen. Dass Unternehmen "mit Vorprodukten von Kerosin zu Bombardierungen der russischen Luftwaffe auf zivile Ziele beitragen, ist absolut inakzeptabel", so Wagner.

    Deutsches Unternehmen an Kriegsverbrechen beteiligt?

    Die mögliche Verstrickung des deutschen Mineralölkonzerns in den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine könnte auch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag interessieren. Den hatte Außenministerin Annalena Baerbock zwei Tage nach dem Angriff auf Dnipro besucht, und ein Sondertribunal für russische Kriegsverbrechen gefordert.
    Einen Tag später kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft an, man werde alles tun, um die Verantwortlichen für den Angriff auf Dnipro vor Gericht zu bringen.

    Wintershall Dea: "De facto wirtschaftlich enteignet"

    Wintershall Dea hat in der Vergangenheit eine Verstrickung in die russische Kriegsmaschine zurückgewiesen und begründet seinen Rückzug aus Russland nun auch finanziell. Die Kasseler Unternehmenszentrale kann derzeit Gewinne aus dem Russlandgeschäft nicht nach Deutschland überweisen.
    Die Gemeinschaftsunternehmen mit Gazprom seien, so Wintershall-Chef Mario Mehren, "de facto wirtschaftlich enteignet". Deshalb nimmt die BASF-Tochter Wintershall das Russlandgeschäft aus seinen Büchern - eine Abschreibung in Höhe von 5,3 Milliarden Euro.
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