Getreide-Streit: Warum Selenskyj gegen die EU wettert
FAQ
Streit um Getreide-Importverbote:Warum Selenskyj gegen die EU wettert
von Felix Klauser
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Für ukrainisches Getreide gelten in der EU Importbeschränkungen. Nach dem Ende des Getreidedeals mit Moskau nennt Selenskyj dies "inakzeptabel". Die Hintergründe zum Streit.
Es sind durchaus drastische Worte, die der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft wählt: "absolut inakzeptabel" und "nicht europäisch" schimpft er am Montagabend.
Ungewöhnlich harsche Aussagen vom Präsidenten aus Kiew, die mit europäischen Importbeschränkungen für ukrainisches Getreide zusammenhängen - und deren Ende Selenskyj fordert:
Was ist der Anlass für die Kritik von Selenskyj?
Anlass für Selenskyjs scharfe Kritik sind Einfuhrbeschränkungen, die die Europäische Union für ukrainische Agrarprodukte erlassen hat. Vor allem Bedenken in östlichen EU-Ländern führten zu dem Beschluss: Hier fürchtet man einen Preisverfall, sollten ukrainische Agrarprodukte auf den europäischen Markt kommen.
In Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei dürfen Weizen, Mais und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine daher nicht frei gehandelt werden.
Warum eskaliert der Konflikt ausgerechnet jetzt?
Die Einschränkungen gelten schon seit mehreren Monaten. Doch seit Russland am 17. Juli das Getreideabkommen mit der Ukraine nicht verlängert hat, ist der Landweg durch die EU für ukrainische Produzenten umso wichtiger - die Importbeschränkungen für ukrainische Agrarprodukte treiben so zumindest einen kleinen Keil in die Einigkeit zwischen Selenskyj und der EU.
Russland hat zuletzt die Häfen um Odessa beschossen. Mehr dazu im Video:
Angesichts der russischen Blockade im Schwarzen Meer fordert Selenskyj die EU nun auf, die Beschränkungen für Agrarprodukte seines Landes aufzuheben.
Die bisherige Regelung müsse, so der ukrainische Präsident, zum geplanten Datum am 15. September auch wirklich enden. Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei hatten angekündigt, an ihrem Importverbot festzuhalten, sollte die EU-Kommission bis Mitte September keine andere Lösung finden.
Wie schätzt "Brot für die Welt" die Kritik ein?
Francisco Mari, Experte für Agrarhandel und Ernährungssicherheit bei "Brot für die Welt", äußert Verständnis für die ukrainische Kritik und hält das Verhalten der EU für unsolidarisch. Der Agrarexperte kann die Beschränkungen nicht wirklich nachvollziehen:
Letztlich könne man die Importe auch durch osteuropäische Länder führen, ohne dass das Getreide vor Ort bleibt. Weitere Verwerfungen auf dem Weizenmarkt seien - angesichts der ohnehin angespannten Situation durch den Krieg in der Ukraine - eine Katastrophe, warnt Mari.
Putin und Xi wollen ihre Nationen zu neuer, alter Größe führen. Und dafür sind sie bereit, viel zu riskieren. Mehr dazu im Video:
Zwei Autokraten - ein Ziel: Eine neue Weltordnung.25.07.2023 | 43:49 min
Insbesondere für diejenigen, die auf das Welternährungsprogramm angewiesen sind, sei weniger die verfügbare Weizenmenge ein Problem als eine drohende Preiskrise, erklärt er: "Schon eine Preissteigerung von zehn bis 15 Prozent, wie wir sie gerade erleben, bedeutet für diese Menschen eine Kürzung der Rationen".
UN-Generalsekretär Guterres fordert Russland auf, zum Getreideabkommen zurückzukehren:
Wie versucht Putin von dem Streit zu profitieren?
Wladimir Putin hatte in den vergangenen Tagen angeboten, ausbleibende ukrainische Getreidelieferungen mit russischer Ware zu ersetzen. Russland sei "in der Lage, ukrainisches Getreide auf kommerzieller Basis und kostenfrei zu ersetzen", erklärte Putin.
Die Ukraine konnte durch das Abkommen mit Russland bislang knapp 33 Millionen Tonnen Getreide über das Schwarze Meer verschiffen - trotz des Krieges. Dieser Exportweg fällt vorerst weg.
Lieferungen über das europäische Festland sind ohnehin kompliziert und teurer. Zusätzliche europäische Exportbeschränkungen für ukrainische Agrarprodukte und damit verbundener Streit zwischen Kiew und der EU könnten dem russischen Präsidenten also durchaus in die Karten spielen.
Wie positioniert sich die Bundesregierung im Konflikt?
Angesichts der Bedeutung des ukrainischen Getreides für die Ernährungssicherheit und die Preise von Lebensmitteln rund um den Globus, sind die Importbeschränkungen heute auch Thema in Brüssel. Dort kommen die EU-Agrarminister zusammen.
Es braucht jetzt auf EU-Ebene eine "klare Festlegung der besten Alternativroute", so Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (B'90/Grüne).25.07.2023 | 5:49 min
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im ZDF-Morgenmagazin zum Getreideabkommen:
Im Vorfeld des Treffens betont Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (B'90/Die Grünen) im ZDF-Morgenmagazin, es sei nicht akzeptabel, wenn Nachbarstaaten die Grenzen zur Ukraine für ukrainische Produkte schließen.
Immerhin äußert Özdemir sich vor dem Treffen verhalten optimistisch: Er halte das Problem für lösbar. Möglicherweise könne man die die Produkte verplombt an Häfen im Baltikum transportieren, so Özdemir. Von dort könnten die Lieferungen dann direkt verschifft und die osteuropäischen Märkte so umschifft werden.