Kein Ukraine-Zeitplan: Warum die Nato so unentschlossen ist

    Kein Ukraine-Zeitplan bei Gipfel:Warum die Nato so unentschlossen ist

    Autorenbild: Elmar Theveßen
    von Elmar Theveßen, Vilnius
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    Die von der Ukraine geforderte Nato-Beitrittseinladung ist beim Vilnius-Gipfel bisher ausgeblieben. Nun stehen die großen Staaten da, als hätten sie Angst vor dem Mut der Kleinen.

    Es lässt sich hier an keiner Ecke übersehen: Die Menschen in Vilnius haben keine Angst. Gelb-blaue Flaggen überall, Sprüche auf den Fenstern der Journalistenbusse: "Während Du auf den Bus wartest, wartet die Ukraine darauf, Mitglied der Nato zu werden." Und dann Zehntausende, die auf einer Wiese im Stadtkern dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zujubeln.
    "Ich glaube an eine starke Nato", ruft er, "eine Nato, die nicht zaudert, die keine Zeit verschwendet, nicht zurückblickt auf einen Aggressor. (…) Und ich wünsche mir, dass aus diesem Glauben Vertrauen erwächst, Vertrauen in die Entscheidungen, die wir verdienen." Worte, für die Selenskyj gefeiert wird, denn er spricht den Menschen aus der Seele.

    Die Angst der Großen vor dem Mut der Kleinen

    Am Ende dieses ersten Gipfeltages stehen die Großen der Nato da, als hätten sie Angst vor dem Mut der Kleinen in ihrem Bündnis. Dabei klingt doch ihre Haltung für die Menschen in ihren Ländern so vernünftig: Ein schneller Nato-Beitritt der Ukraine könnte die Allianz in den Krieg mit Russland ziehen.
    Geradezu abwegig erscheint den Westeuropäern und den USA das Argument vieler osteuropäischer Partner, Russlands Streitkräfte würden einen Nato-Staat Ukraine fluchtartig verlassen, weil sie zu viel Angst hätten vor der militärischen und politischen Kraft des Bündnisses. Tatsächlich belegen die Ereignisse dieses Tages, dass es um diese angebliche Kraft nicht gut bestellt ist.
    Ines Trams | ZDF-Korrespondentin in Vilnius / Litauen
    "Es geht um den Demokratisierungsprozess in der Ukraine und den dortigen Kampf gegen die Korruption", berichtet ZDF-Korrespondentin Ines Trams vom Nato-Gipfel in Vilnius.12.07.2023 | 2:42 min

    Politische Erpressung und schwammige Formulierungen

    Zwar sind die Beitritte von Finnland und Schweden starke Signale, aber Brüche scheinen durch, wenn sich politische Erpressung für den türkischen Präsidenten Erdogan am Ende mit F-16-Kampfflugzeugen auszahlen könnte. Wenn sich US-Präsident Joe Biden im Zwiegespräch mit Erdogan auf die weitere Zusammenarbeit mit dem autoritären Amtskollegen freut.
    Wenn der Ukraine für "irgendwann" eine Einladung und ein verkürztes Aufnahmeverfahren in Aussicht gestellt werden, sofern sie dafür Bedingungen erfüllt, die der Verbündete am Bosporus selbst oft genug nicht respektiert; und wenn Generalsekretär Stoltenberg da alles als starke und entschlossene Botschaft an die Ukraine anpreist.
    Natürlich wird aus zu viel Selbstvertrauen schnell auch Selbstüberschätzung, die im Leichtsinn enden kann und schließlich in der Katastrophe. Aber in diese kann auch der Mangel an Selbstvertrauen führen. Eine klare Formulierung "Beitritt der Ukraine nach einem Ende des Krieges" hätte Selenskyj nicht als "absurd" abkanzeln können. Nun kann der ukrainische Präsident die Nato bei seinen Gipfelauftritten am Mittwoch schwach aussehen lassen, und der Mann in Moskau wird sich freuen.

    Biden-Rede mit Spannung erwartet

    Deshalb könnte es am Abend noch einmal richtig spannend werden. Der amerikanische Präsident wird kurz vor seiner Abreise aus Litauen eine Rede halten, eine große, sagen uns seine Berater - selbst wenn sie vielleicht nicht lang sein wird. Das weckt Erinnerungen an den Auftritt von Joe Biden Ende März 2022 im Schloss von Warschau.








    Dabei zitierte Biden die Worte des Polen Karol Wojtyla als Papst im Oktober 1978: "Habt keine Angst." Biden weiter:

    Im Angesicht eines grausamen und brutalen Regierungssystems war dies die Botschaft, die zum Ende der sowjetischen Unterdrückung in Mittel- und Osteuropa vor 30 Jahren beitrug.

    Joe Biden, US-Präsident

    "Es war eine Botschaft, die auch die Grausamkeit und Brutalität dieses ungerechten Krieges überwinden wird", so der US-Präsident im März letzten Jahres.
    Damals jubelten die Menschen Joe Biden zu. In Vilnius wünschen sie sich nun ähnliche Worte - und dann Taten in einer starken Nato, die nicht zaudert und die in ihre Kraft vertraut. Hier jedenfalls haben die Menschen davor keine Angst.
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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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