Bildungsabbrecher in Deutschland: Wo hakt es im System?

    Vierthöchste Quote in EU:Bildungsabbrecher: Wo hakt es im System?

    von Kai Remen
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    In Deutschland verlassen über zwölf Prozent das Bildungssystem ohne ausreichende Qualifikation - das Problem ist größer als im EU-Durchschnitt. Woran liegt es und was ist zu tun?

    Ein Stuhl steht in einem Klassenzimmer einer Regelschule auf einem Tisch.
    Bildungsabbruch: Nur in Ungarn, Spanien und Rumänien stehen schlechter da als Deutschland.
    Quelle: dpa

    Das deutsche Bildungssystem hat Probleme. Das zeigen die derzeit aktuellsten Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat: Demnach lag im Jahr 2022 die Quote der "frühzeitigen Schul- und Ausbildungsabgänger" deutlich über dem Schnitt der Europäischen Union.
    Im Ranking belegt Deutschland mit 12,2 Prozent den viertletzten Platz. Nur Ungarn (12,4 Prozent), Spanien (13,9 Prozent) und Rumänien (15,6 Prozent) schneiden noch schlechter ab.
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    Abbruch ohne ausreichende Qualifikation

    Bei den Zahlen handelt es sich aber nicht um die Quote derer, die man klassisch als "Schulabbrecher" bezeichnen würde, erklärt Professor Kai Maaz, Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF). Die Daten beziehen sich demnach auf alle 18- bis 24-Jährigen, deren höchstes Bildungs- oder Ausbildungsniveau maximal die Sekundarstufe I ist und die nicht Mindeststandards erreichen, um in eine weiterführende Bildung oder Ausbildung zu gelangen.

    Wir sehen, dass insbesondere Menschen aus sozial schwachen Milieus oder Menschen, die Probleme mit der deutschen Sprache haben, besonders oft betroffen sind.

    Kai Maaz, Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF)

    Dies seien jedoch nicht nur Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch sei. Auch viele andere hätten seit Kindheitstagen Probleme in den sogenannten Basiskompetenzen.

    Schulprobleme entstehen frühzeitig

    Es gebe nicht den einen Grund für die hohe deutsche Abbrecherquote - mehrere Aspekte spielten dabei eine Rolle, sagt Bildungsforscher Maaz.

    Die Probleme entstehen nicht erst am Ende der Schullaufbahn, sondern schon sehr viel früher, auch schon vor Beginn der Schulpflicht in den ersten sechs, ja drei Jahren.

    Kai Maaz, DIPF

    So gebe es in Deutschland beispielsweise weniger verbindliche frühzeitliche Bildung als in anderen Ländern. Auch sei die Schul- und Unterrichtsentwicklung hierzulande weniger datengestützt. Deshalb würden in Deutschland Kompetenzen schlechter ermittelt. Das mache eine individuelle Förderung schwieriger.

    Schon vor der eigentlichen Schulpflicht müssen Kompetenzen insbesondere der deutschen Sprache erhoben werden, um auf mögliche Entwicklungsbedarfe hinzuweisen.

    Kai Maaz, DIPF

    Wichtig dabei: die obligatorische Förderung. "Keine Diagnose ohne Förderung", meint Maaz

    Spielte Corona eine Rolle?

    Auffällig bei den Zahlen von Eurostat: Seit 2018 hat sich die EU-weit durchschnittliche Quote von 10,5 Prozent auf 9,6 Prozent verbessert. Nicht so in Deutschland. Stand die Bundesrepublik 2018 noch besser da als der Durchschnitt, ist dies seit 2019 nicht mehr der Fall.
    Mit den Herausforderungen und Veränderungen während der Corona-Pandemie lasse sich das alleine aber nicht begründen, sagt Maaz.

    Dazu gibt es derzeit keine verlässlichen Daten. Da es während der Pandemie andere Regularien für Abschlüsse und schulische Leistungen gab, wäre es falsch, den alleinigen Grund in der Corona-Pandemie zu suchen.

    Kai Maaz, DIPF

    Ministerium setzt Förderprogramm für Schulen auf

    Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will die weitreichenden Probleme im Bildungssektor und an den Schulen mit einem milliardenschweren Bund-Länder-Förderpaket angehen. Das sogenannte Startchancen-Programm sieht ab kommmenden August über einen Zeitraum von zehn Jahren Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Euro vor.
    Das reiche bei weitem nicht aus, erklärt Maaz, aber es sei das größte bildungspolitische Programm in der Geschichte der Bundesrepublik. Es könne ein wichtiger Initiator sein, wenn es genutzt wird, Schule systemisch zu entwickeln und auf alle Prozesse zu schauen.

    Wichtig ist, dass das Programm von Forschung begleitet wird - direkt von Beginn an.

    Kai Maaz, DIPF

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    Was muss getan werden?

    Nach Ansicht des Bildungsforschers gibt es wegen der Vielschichtigkeit der Probleme und Gründe für die schlechten Zahlen auch nicht "den einen Hebel", der zur Lösung führt. Drei Aspekte müssten grundsätzlich umgesetzt werden.
    • Als erstes sei der Unterricht selbst zu verbessern. Dies umfasse zum Beispiel die Fortbildung des Lehrpersonals gerade in der Vermittlung der Basiskompetenzen. Dazu gehöre auch, den Unterricht im Zuge der Digitalisierung neu zu denken.
    • Der zweite Aspekt sei die systemische Ebene: "Schule muss als gesamte Organisation in den Blick genommen werden. Dazu gehören Führungskultur, Organisationsstrukturen und Personalentwicklung." Es brauche eine Professionalisierung für alle neben dem Unterricht liegenden schulischen Prozesse der Schulentwicklung.
    • Und drittens gehöre auch die Steuerung dazu. Es gehe um ein kohärentes Handeln im System, die Klärung, wer für was verantwortlich ist und das auch zwischen politischen Ressorts. Aber auch Fragen der Ziele, Unterstützungssysteme für Schulen oder Innovationen seien wichtig.
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    Bildung ist der Nukleus für gesellschaftliche Entwicklung.

    Kai Maaz, DIPF

    Quelle: mit Material der AFP

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