Kritik am Referendariat für Lehrkräfte: Reformen nötig?

    Vorbereitung für Lehrkräfte:Referendariat? Ja, bitte! Nur anders

    Michael Kniess
    von Michael Kniess
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    Das Referendariat für angehende Lehrkräfte steht aus vielen Gründen in der Kritik. Braucht es eine andere Vorbereitung auf den Schulalltag, auch um den Beruf attraktiver zu machen?

    Eine junge Lehrerin schreibt etwas an die Tafel.
    Das Referendariat ist für einige angehende Lehrkräfte der erste Praxiskontakt mit der Schule. Daran gibt es Kritik.
    Quelle: dpa

    Für Lehrkräfte führt auf dem Weg ins Klassenzimmer kein Weg am Referendariat vorbei. Doch die Praxiszeit, die nach dem Studium folgt, steht seit Jahren in der Kritik. Von zu hoher psychosozialer Belastung, zu hohem Druck und einer zu schlechten Bezahlung ist die Rede.
    Das Referendariat sei ein Praxisschock statt einer langsamen Hinführung, sagen die einen. Es gebe zu wenig Wertschätzung, noch weniger Schlaf und Freizeit, sagen die anderen.

    Referendariat als Assessment-Center

    Für Stefan Düll vom Deutschen Lehrerverband gibt es hingegen keine bessere Variante, als das Referendariat, um ganz gezielt an das Dasein als Lehrkraft heranzuführen.
    "Junge Menschen haben im Referendariat die Chance, im Learning by Doing peu à peu an ihren Beruf herangeführt zu werden", erklärt er. "Sie bekommen dabei flankierend Begleitung, Unterstützung und Feedback durch erfahrene Seminarlehrkräfte und haben zudem das theoretische, fachliche und das pädagogisch-didaktische Handwerkszeug durch das Studium im Rücken."

    Letztlich handelt es sich auch um ein Assessment-Center, ob man den Beruf wirklich ausüben möchte.

    Stefan Düll, Deutscher Lehrerverband

    Lehrerverband: Referendariat als Pfeiler für hohe Qualität

    Aus Dülls Sicht ist das Referendariat ein essenzieller Pfeiler, um die hohe Qualität im Unterricht zu garantieren. Großen Reformbedarf sieht er nicht. Auch nicht beim Blick auf die Ausbildung in den Nachbarländern.

    In Polen studiert man sein Fach und geht dann direkt an die Schule, ohne jegliche pädagogische oder didaktische Theorie und Vorbereitung.

    Stefan Düll, Deutscher Lehrerverband

    Grundsätzlich sieht der Verbandspräsident solche internationalen Vergleiche aber immer unter Vorbehalt: "Was in Finnland, wo es kaum Schulen mit mehr als 500 Lernenden gibt und dafür viele, auch jahrgangsübergreifende Kleinschulen, vielleicht stimmig und richtig ist, lässt sich nicht einfach auf Deutschland übertragen."
    Zum Beginn des neuen Schuljahrs sind Lehrerinnen und Lehrer in ganz Deutschland knapp:

    Diskussion um Quereinsteiger

    Politischen Überlegungen, beispielsweise auch Personen im Quereinstieg ohne entsprechende Ausbildung möglichst schnell in die Klassenzimmer zu bringen, erteilt Stefan Düll dabei eine Absage: "Die Politik denkt dabei leider sehr kurzfristig, wenn sie auf diese Weise den Mangel an Lehrkräften möglichst schnell beheben will."
    Wenn durch etwaige Beschlüsse irgendwann nur noch billige und schlecht ausgebildete Lehrkräfte im Lehrerzimmer säßen, seien die politisch Verantwortlichen gar nicht mehr im Amt, kritisiert Düll.

    Ausbaden müssen es aber unsere Kinder, die niemals Versuchskaninchen sein sollten.

    Stefan Düll, Deutscher Lehrerverband

    Mehr Praxis von Beginn an

    Auch Professor Kai Maaz steht einer kompletten Neuorientierung der Lehrkräfteausbildung skeptisch gegenüber und sieht im Referendariat den richtigen Weg. Der Geschäftsführende Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation wirbt dennoch für einen kritischen Blick auf das bestehende System:

    Das Referendariat darf nicht der erste echte Praxiskontakt mit der Schule für angehende Lehrer*innen sein. Bereits im Studium muss der praktische Anteil deutlich erhöht werden.

    Kai Maaz, Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation

    Eine weitere wichtige Bedingung für das Gelingen des Referendariats sei aus seiner Sicht, dass dieses nicht in erster Linie dazu dient, schnell und günstig an Lehrpersonal zu kommen. "Wer ins kalte Wasser geschubst wird, lernt und verfestigt womöglich Dinge, die vielleicht in der Situation als richtig erscheinen, von denen man aber aus der Forschung weiß, dass sie nicht zielführend sind", kritisiert er.
    Alemanenschule in Baden-Württemberg
    Die Alemannenschule in Wutöschingen denkt das Konzept Schule neu: "Wir lassen jedem die Zeit, bis er die Kompetenz hat."14.08.2023 | 1:27 min
    Eine Schule in Baden-Württemberg hat ein neues Lehrkonzept etabliert - Lernen ohne Leistungsdruck:
    Eine inhaltliche Anleitung vor Ort in der Schule einhergehend mit einer wissenschaftlichen Reflexion sind für den renommierten Bildungsforscher genauso unabdingbar wie ausbaufähig. Am Ende gehe es darum, angehende Lehrkräfte nicht völlig überfordert vor eine Klasse zu stellen, die sich dann überlegen, mit ihrem abgeschlossenen Studium lieber einen anderen Beruf zu ergreifen.

    Mehr Zusatzqualifikationen, weniger Stress

    Dieser Praxisschock ist auch Monika Faltermeier, jahrelang Vertreterin der jungen Lehrkräfte im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband, nachdrücklich in Erinnerung geblieben. So essenziell aus ihrer Sicht das Referendariat als Vorbereitung auf ihren Beruf gewesen sei, bringe es in der jetzigen Konstellation doch einen entscheidenden Nachteil mit sich: "Ich habe erst im Referendariat kennengelernt, was Schulalltag wirklich bedeutet und was es heißt zu unterrichten."

    Man lernt im Referendariat unglaublich viel Neues, während man es tut und gleichzeitig bewertet wird. Das ist natürlich erstmal Stress pur.

    Monika Faltermeier, Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband

    Daher fordert die ausgebildete Gymnasiallehrerin, die als Mittelschullehrerin an einer Grund- und Mittelschule in Oberbayern arbeitet: "Wir brauchen weiterhin das Studium und das Referendariat. Nur müssen sie anders aussehen."
    Bereits im Studium solle viel mehr Praxisbezug hergestellt werden - um nicht erst dann herauszufinden, ob einem der Beruf generell und die Schulart wirklich liegt, wenn es quasi schon zu spät sei.

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