Bilanz vor Sommerpause: Scholz will nicht den Biden machen
Bilanz vor Sommerpause:Scholz will nicht den Biden machen
von Kristina Hofmann
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Die Umfragen sind schlecht, für ihn und die SPD. Doch Kanzler Scholz beunruhigt das nicht. In seiner Pressekonferenz vor dem Urlaub gab er sich selbstbewusst.
Nein, die Zahlen sind nicht gut. Die Kanzlerpartei SPD kommt im ZDF-Politbarometer derzeit gerade mal auf 14 Prozent, die Ampel-Parteien zusammen auf weniger als die größte Oppositionspartei, die Union. Kanzler Olaf Scholz liegt auf dem siebten Platz in der Beliebtheitsskala. Oder andersherum: auf dem viertletzten.
Die Welt von Olaf Scholz ist das nicht. Bei der traditionellen Pressekonferenz vor dem Sommerurlaub zeigte sich der Kanzler zufrieden, sehr zufrieden. Eigentlich über alles. Nur bei der Frage, ob er angesichts der Zahlen noch der richtige Kandidat für die Bundestagswahl im nächsten Jahr sei und sich an US-Präsident Joe Biden ein Vorbild nimmt, reagierte er etwas ungehalten. "Danke für die überaus nette und freundliche Frage", so Scholz. Aber nein, natürlich nicht:
Dann lächelte er schon wieder. Die schlechten Umfragewerte seien ein "Ansporn". Er sei überzeugt, so Scholz, dass bis zur nächsten Bundestagswahl "wir die Sache gedreht bekommen". Die SPD sei im übrigen geschlossen. So geschlossen "wie nie".
Im Gegensatz zu US-Präsident Joe Biden wolle er sich nicht zurückziehen, sondern bei der nächsten Bundestagswahl wieder anzutreten, um "erneut Kanzler zu werden", sagt Scholz.24.07.2024 | 0:38 min
US-Wahlkampf: Harris "weiß, was sie tut"
Scholz ist bemüht, neutral im US-Wahlkampf zu bleiben. Aber so richtig gelingt ihm es nicht. "Ich halte es für sehr gut möglich, dass Kamala Harris die Wahl gewinnt", sagt er. Er kenne sie aus vielen, auch vertraulichen Gesprächen. "Sie weiß, was sie will und weiß, was sie tut."
Aber sonst, sicher, man solle nicht so tun, als ob man den Ausgang der Wahlen von Deutschland aus vorhersagen könne. Es bleibe bei einem transatlantischen Kurs der deutschen Außenpolitik, unabhängig davon, wer US-Präsident ist. "Ich werde mit jeder US-amerikanischen Regierung gut zusammenarbeiten."
Bei ihrem ersten Wahlkampfauftritt in Wisconsin hat Kamala Harris Trump scharf kritisiert und warf ihm vor, die USA zurückzuentwickeln. In ersten Umfragen liegen beide gleichauf.24.07.2024 | 0:26 min
US-Raketen: Scholz kontra Mützenich
In der SPD gibt es Widerstand, US-amerikanische Langstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Zum Beispiel von Fraktionschef Rolf Mützenich, der das Potential der Nato für ausreichend hält. Scholz verteidigte seine Entscheidung. "Wir brauchen neue Abschreckungsmöglichkeiten", sagte er. Sie könnten verhindern, dass der Krieg zwischen der Ukraine und Russland zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland werde.
Deutsche Soldaten würden nicht geschickt, deutsche Atomwaffen gebe es mit ihm nicht, Waffen dürften höchstens zur Verteidigung der Grenze zu Russland eingesetzt werden.
Natürlich, so Scholz könne man "aus allen Richtungen" und aus "verschiedenen Blickwinkeln" auf die Stationierung blicken. Als Friedens-Kanzler wie im Europawahlkampf würde er sich wieder plakatieren lassen. Insgesamt sei das eine "sehr präzise, sehr abgewogene Position."
Berlin und Washington vereinbaren erstmals seit dem Kalten Krieg u.a. Langstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Es gehe darum, "Abschreckung sicherzustellen", so Scholz.11.07.2024 | 2:37 min
Israel: Boykott von Waren wäre "eklig"
Für "sehr präzise" hält Scholz auch die Position seiner Regierung in einem anderen Konfliktherd: im Nahost-Konflikt. Unmittelbare Folgen aus dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes, in dem Israel schon vor dem Überfall der Hamas Bruch des Völkerrechts vorgeworfen wird, seien nicht geplant. Gaza brauche Hilfe, Siedlergewalt sei zu verurteilen, es brauche die Zwei-Staaten-Lösung als Perspektive, das sage man der Netanjahu-Regierung auch offen.
Israels Politik in Gaza ändere nichts an deutschen Waffenlieferungen, so Scholz:
Einen Boykott israelischer Produkte werde die Bundesregierung nicht unterstützen. "Ehrlicherweise finde ich solche Forderungen auch eklig."
Letzte Woche konnte sich die Ampelkoalition auf einen Haushaltsentwurf für 2025 einigen. Trotzdem glauben nur 7 %, dass sich die Zusammenarbeit der Regierung nun bessern werde.12.07.2024 | 1:23 min
"Unterstützt die Haltung des Kanzlers"
Neben den großen außenpolitischen Konflikten spielten auch die innenpolitischen eine Rolle. Migration zum Beispiel. Zwar klagen die Kommunen weiter über einen hohen Zuzug, laut Scholz habe man die irreguläre Zuwanderung aber immer besser im Griff. Durch die Beschleunigung der Verfahren und der Digitalisierung der Ausländerbehörden zum Beispiel. Oder Rückführungsabkommen.
Abschiebungen nach Afghanistan und nach Syrien, wie es das Oberverwaltungsgericht Münster in dieser Woche im Falle eines Schleusers beschlossen hat? "Unterstützt die Haltung des Bundeskanzlers", so Scholz.
An seinem Versprechen, "im großen Stil" Menschen aus Deutschland abzuschieben, halte er fest. Anders als früher, packe man das Problem jetzt an, findet Scholz.
Durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik im Wachstumspaket, längere Arbeitszeiten für Rentner, die neuen Sanktionen, um Missbrauch im Bürgergeld zu verhindern, werde man die Zahl der Arbeitskräfte stabil halten, um den Wohlstand zu sichern. "Wahrscheinlich im Gegensatz zu fast allen unseren Nachbarländern", glaubt Scholz.
Bundeskanzler Scholz rät zu mehr Gelassenheit, auch im Umgang mit Sozialen Medien. Gegen den Quatsch, den viele erzählten, müsse man eine "innere Robustheit" entwickeln, sagt er.24.07.2024 | 0:54 min
Der Rest ist "Tünkram"
Und sonst? Hat der Kanzler, sagt er, viel richtig gemacht, "um den Schlendrian der letzten Jahrzehnte zu beenden." Als er nach dem größten Misserfolg in seiner Amtszeit gefragt wird, fällt ihm das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein, das das Verschieben in Sondervermögen und Fonds untersagt hatte. Dass im Haushalt immer noch ein Milliardenloch klafft? Werde noch geschlossen. Ob es Differenzen in der Koalition gebe? "Ich stehe hinter jeder Entscheidung."
Am Ende gab es dann noch "Tünkram". Die neuen sozialen Medien und manche Entgleisungen dort verglich Scholz mit dem zunehmenden Autoverkehr in Hamburg in den 1960er Jahren. Damals habe es auch Probleme und habe es viele Toten gegeben. "So ein bisschen müssen wir das jetzt auch machen", findet Scholz. Die europäischen Gesetze gebe es bereits, es brauche aber eine gewisse Robustheit der Nutzer: