Nach Iran-Angriff: Scholz organisiert Krisendiplomatie in China
Nach Angriffen auf Israel:Scholz organisiert Krisendiplomatie aus China
von Diana Zimmermann, Chongqing
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Die Reise des Kanzlers nach China sollte eigentlich einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt haben. Doch die iranischen Angriffe auf Israel zwingen Scholz zur Krisendiplomatie.
Eigentlich sollte es bei der China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz um die wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik gehen. Doch der Angriff Irans auf Israel überschattet den Besuch.15.04.2024 | 2:40 min
Als der Kanzler am Morgen im warm-feuchten Chongqing landet und dem Flugzeug entsteigt, trägt er eine extrem ernste Miene. Etwa auf halber Strecke zwischen Berlin und Chongqing erreicht die Nachricht von Irans Angriffen auf Israel auch die Regierungsmaschine. Kurz nach Ankunft gibt es ein schriftliches Statement, in dem Scholz die "schweren Luftangriffe auf israelisches Staatsgebiet verurteilt".
Deutschland stehe an der Seite Israels und werde sich nun über weitere Reaktionen mit seinen G7-Partnern und Verbündeten besprechen.
"Eigentlich möchte die Bundesregierung auf Distanz zu China gehen", so Elisabeth Schmidt, ZDF-Korrespondentin in China, "doch brauchten deutsche Unternehmen den chinesischen Markt, um die Energiewende im eigenen Betrieb voranzubringen."15.04.2024 | 3:41 min
die Produktion von Wasserstoffantrieben der Firma Bosch anschauen,
den örtlichen Parteisekretär treffen,
mit Studierenden über Stadtplanung sprechen,
ein Forschungsprojekt der Universität Chongqing und des Freistaats Sachsen zur Wasserqualität des Jangtse vorgestellt bekommen und
über den größten Fluss Chinas schippern.
Doch nun muss er erst mal telefonieren. Und die Delegation rätselt, welche Programmpunkte der Krisenkommunikation zum Opfer fallen.
Der Kanzler müsse in China klarmachen, dass das Land "einen Kurs verfolgt, den wir als Europäer nicht akzeptieren können", so der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer (B'90/Grüne). In der EU sei jetzt "mehr Geschlossenheit möglich".15.04.2024 | 5:23 min
Unaufhaltsam wächst diese Megacity und ist nichts für Menschen mit Höhenangst. Wer China erleben will, kommt nicht vorbei an Chongqing – der größten Stadt der Welt.02.01.2024 | 43:40 min
In ihnen sollte es neben den Handelsbeziehungen, bei denen deutsche Unternehmen und europäische Regierungen ein level playing field verlangen, auch um Chinas geopolitische Rolle gehen. Sowie um
die eventuelle Teilnahme an der für den Sommer geplanten Friedenskonferenz in der Schweiz,
aber auch darum, welche Möglichkeiten China hat, mäßigend auf Iran und damit auf den Nahost-Konflikt einzuwirken.
Bundeskanzler Scholz hat auf seiner China-Reise faire Wettbewerbsbedingungen für Autohersteller gefordert. Es dürfe keine Beschränkungen für deutsche Autobauer geben.15.04.2024 | 0:28 min
Letzteres ist nun durch die vergangene Nacht weit nach oben gesprungen, bleibt das Programm stehen, hat Scholz aber erst am Dienstag Gelegenheit, dies mit Xi Jinping persönlich zu besprechen. Der Kanzler hat bisher zwei Termine abgesagt, einen Stadtrundgang und die Bootsfahrt.
Im südchinesischen Meer macht China anderen Ländern Hoheitsgebiete streitig. Philippinische Fischer sehen sich im Kampf um die Fanggebiete in ihrer Existenz bedroht.10.04.2024 | 7:11 min
Dabei steht Scholz das alte Dilemma in den Beziehungen zu China einmal mehr im Wege. Nach Jahrzehnten des intensiven deutsch-chinesischen Handels steht seit vergangenem Jahr die deutsche China-Strategie. In ihr werden die Beziehungen als ein Dreiklang beschrieben. Ein Dreiklang, der mehr ein Dreisprung ist und China als "Partner, Wettbewerber und strategischen Rivalen" bezeichnet.
Es klingt, als sei alles drei miteinander versöhnbar. Ist es das? Wir sind von chemischen Produkten, seltenen Erden, Elektrotechnik und Medizin sehr abhängig von China. Und die deutsche Automobilindustrie will und kann auf den chinesischen Markt nicht verzichten.
Ziel der China-Strategie: Abhängigkeiten reduzieren
De-risking ist die zentrale Forderung an die deutsche Wirtschaft, die man der China-Strategie entnehmen kann: Reduziert Eure und damit unsere Abhängigkeit von China!
Nun aber reist der Kanzler mit einer großen Wirtschaftsdelegation an,
es liest sich wie ein who is who des Dax. Die Botschaft dahinter ist natürlich: Wir wollen den Handel mit China weiter ausbauen.
Die Regierung erklärt dazu, de-risking spiele sich nicht in China ab, sondern in Ländern wie Vietnam, Indonesien, Malaysia und Thailand, deren Regierungschefs der Kanzler im vergangenen Monat alle empfangen hat.
Experte: "Exportwalze" rollt auf Deutschland zu
Deutsche Unternehmen investierten dort zunehmend, diversifizierten ihr Engagement. Aber sie investieren eben auch immer weiter in China. Gleichzeitig überschwemmt China etwa mit stark subventionierten E-Autos den europäischen Markt.
Professor Sebastian Heilmann von der Universität Trier spricht von einer "Exportwalze", die auf Deutschland zurolle. Die EU erwägt Zölle zu erheben, doch die deutsche Automobilindustrie bremst. Zu groß ist ihre Angst vor Gegenmaßnahmen der Chinesen, die ihnen das Leben auf dem chinesischen Markt (noch)schwerer machen könnten. Scholz betont gern, dass auch China von Deutschland abhängig sei, inwiefern er diese Abhängigkeit auch als Druckmittel zu nutzen bereit ist, sagt er allerdings nicht.
Verunglückter Dreisprung
China ist Deutschlands größter Handelspartner, dazu passt das mit dem "Partner und Wettbewerber", dann aber droht der Dreisprung zu verunglücken und in einem schmerzhaften Spagat zu enden. China ist auch der wichtigste strategische Rivale, eine Großmacht, die zunehmend aggressiv auftritt, sowohl geo- als auch handelspolitisch.
China und die Philippinen streiten um Hoheitsgebiete im Südchinesischen Meer. China reklamiert das Südchinesische Meer für sich. Aber auch die Philippinen und andere Länder beanspruchen dort Gebiete. Miriam Steimer berichtet über den Alltag der Menschen. 26.03.2024 | 4:34 min
Scholz will Xi Jinping dazu bewegen, im Ukraine-Krieg auf Russland einzuwirken. Der aber versteht sich bestens mit Wladimir Putin, profitiert von den Lücken, die der Krieg in die russisch-europäischen Handelsbeziehungen gerissen hat. Peking merke sehr wohl, dass die engen Verbindungen zu Russland, der Export von Dual Use-Produkten, die Russland dabei helfen, den Krieg in der Ukraine führen zu können, Chinas Reputation schade, heißt es aus der Regierung.
Und dann? Schon Tiananmen und die Straflager in Xinjiang haben Chinas Reputation geschadet, den Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland langfristig nicht.
China habe sich verändert, nun müssten auch wir unser Verhalten gegenüber China ändern, hat der Kanzler gesagt. Die bislang längste Reise des Kanzlers hat gerade erst begonnen. Die Empörung über Irans Angriffe ist groß in den USA und Europa. Es wird spannend zu beobachten, welche Druckmittel Scholz ins Spiel bringt, um China zu Konzessionen zu bewegen, ob die China-Strategie also funktioniert.