Zunehmende Einmischung: Nach Beschimpfungen gegen Steinmeier, Habeck und Scholz sowie einer Wahlempfehlung für die AfD lud Elon Musk heute Alice Weidel zum Live-Gespräch auf X.09.01.2025 | 2:59 min
Die erste Falschbehauptung dieses Abends findet sich schon direkt vor Beginn des Talks in seiner Überschrift: Mit "Conversation With The Leading Candidate to Run Germany" ist der so genannte X-Space von
Elon Musk und
Alice Weidel betitelt. Die führt demzufolge die Umfragen an. Stimmt nicht.
Zweitstärkste Kraft ist die
AfD in den Umfragen, immerhin. Im Moment läuft es für die Partei. Die
Ampel hat sich selbst in die Luft gejagt, die Unionsparteien streiten wieder auf offener Bühne und Elon Musk wirbt offen für die Partei. Kräftiger Rückenwind.
Und nun auch noch der Talk mit Musk. Seit Bekanntwerden heftig umstritten, seit Tagen heftig beworben auf Weidels nicht ganz kleinen Social Media-Kanälen, seit Wochen riesiges Gesprächsthema, nicht nur in Weidels Partei. Kein Wunder, schalten sich da doch zwei zur Projektionsfläche gehypte Menschen zusammen. Zwei, auf denen die Hoffnungen vieler Wütender, Enttäuschter und Radikaler ruhen. Zwei, die aktuell die Schlagzeilen beherrschen.
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Auf der einen Seite Elon Musk: Der reichste und vielleicht auch unberechenbarste Mann der Welt. Auf der anderen Seite: Alice Weidel. Die für ihren Hang zum impulsiven bis aggressiven Auftritt bekannte Kanzlerkandidatin der in Teilen
rechtsextremistischen AfD. Promovierte Volkswirtin, die ihre Partei bürgerlich wirken lassen soll.
Gigantisches Wahlkampfgeschenk für Weidel
Und nun auch die von Weidel und ihren Kreisen als Adelung empfundene Einladung durch Musk in sein Reich namens X, in dem er über eine fulminante Reichweite verfügt. Unbezahlbare öffentliche Aufmerksamkeit und satte 75 Minuten - Elon Musk hat ein gigantisches Wahlkampfgeschenk für Alice Weidel und ihre AfD in petto. Weidel jedoch ist davon streckenweise überfordert.
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Schon Musks Eingangsfrage, eine ziemlich erwartbare sogar, nämlich die, wofür die AfD stehe, kann Weidel nicht wirklich elegant beantworten. Sie antwortet inhaltlich wie sprachlich umständlich, hörbar nervös. Dabei sollte man ja eigentlich davon ausgehen, dass sie sich auf diesen Termin gut vorbereitet hat.
Themen sind Gott und die Welt und das übliche
75 Minuten lang sprechen die beiden über Gott (tatsächlich) und die Welt. Energie, Zuwanderung, Nahostkonflikt (Weidel fragt Musk tatsächlich, ob er nicht eine Lösung wisse und versteigt sich zu der Behauptung, die AfD sei die einzige deutsche Partei, die jüdisches Leben in Deutschland schütze), Bürokratie, das deutsche Bildungssystem - diese Plauderei ist ein Ritt durch den Garten, in der keiner von beiden mit substanzieller Analyse zu glänzen vermag.
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Sehr oft stimmt man einander zu, kichert gemeinsam, vereint sich in der Verachtung anderer. Platte und unsinnige Aussagen wie die Weidels, in deutschen Schulen und Universitäten würde nichts anderes gelehrt als Gender-Studies, wechseln sich ab mit einer in der AfD beliebten Opfererzählung, wonach Journalisten die AfD und ihre Funktionäre unfair behandeln.
Weidel leicht fahrig - Schmeichelei für Musk
Dieses Narrativ bringt Weidel aber nicht in der ihr sonst eigenen Schärfe hervor, sondern bleibt auch hier leicht fahrig - und verpackt sie in eine Schmeichelei an Musks Adresse: Es sei "eine völlig neue Situation für mich, dass ich einfach ein freundliches Gespräch führen kann, ohne unterbrochen zu werden", sagt Weidel - die Interviews (die ja naturgemäß etwas anderes sind als freundliche Gespräche) bereits mehr als einmal einfach abgebrochen hat.
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Hier aber an diesem Abend zeichnet sich diese Gefahr nicht ab. Keine kritische Nachfrage von Musk; etwa zu dem Interview, in dem Weidel die USA gerade erst als "Kolonialmacht" bezeichnete, die Deutschland wie "Sklaven" behandle. Im Gegenteil: Nach gut einer halben Stunde Geplänkel an der Oberfläche ist von Musk zu hören, er könne nach dieser Unterhaltung sagen, Weidel sei ein sehr vernünftiger Mensch: "Ich empfehle, die AfD zu wählen. Nur die AfD kann Deutschland retten."
Richtig steil wird es dann, als die Sprache auf Adolf Hitler kommt. Der, so Weidel, sei Kommunist gewesen. Nicht rechts, nicht konservativ. Die AfD sei "exakt das Gegenteil davon. Wir sind die libertäre, konservative Partei."
Und am Schluss landet das Gespräch beim Mars
Danach plätschert das Gespräch dann so dahin: Weidel verstärkt den Eindruck, sich nicht gut vorbereitet zu haben, und irgendwann landet das Gespräch thematisch auf dem Mars: Warum Musk dort hin wolle, fragt sie ihn.
Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Zahl der Zuhörerschaft bereits auf dem Weg nach unten. Schenken ist eine Kunst. Geschenke annehmen auch. Weidel ist darin keine Meisterin. Das hat dieser Abend gezeigt.
Nicole Diekmann ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.
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von Robert Meyer