AfD-Gespräch auf X:Elon Musk und Alice Weidel im Faktencheck
von Nils Metzger und Jan Schneider
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Die AfD-Spitzenkandidatin und der reichste Mann der Welt: Im Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel ging es um Atomkraft, Hitler und Bildungspolitik. Der Talk im Faktencheck.
Zunehmende Einmischung: Nach Beschimpfungen gegen Steinmeier, Habeck und Scholz sowie einer Wahlempfehlung für die AfD lud Elon Musk heute Alice Weidel zum Live-Gespräch auf X.09.01.2025 | 2:59 min
Über eine Stunde dauerte das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel. Dabei wurden zahlreiche Themen angesprochen. Welche Aussagen halten einer Überprüfung stand und wo zeichnete Weidel ein falsches Bild von Deutschland?
Atomausstieg als deutscher Sonderweg
Direkt zu Anfang des Gesprächs warf Weidel mit Blick auf die Energiewende und den Atomausstieg der Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel vor, "das Rückgrat der Energiepolitik ruiniert und zerstört" zu haben.
Nicht alle Vorwürfe von Weidel sind jedoch zutreffend: Deutschland ist nicht das einzige Industrieland, das auf Atomenergie verzichtet hat. Italien hat seine Kernkraftwerke bereits Ende der 1980er Jahre abgeschaltet. Spanien will ab 2027 nach und nach seine sieben Kernkraftwerke abschalten.
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Unzutreffend ist Weidels Darstellung, wie die letzten Kraftwerke tatsächlich vom Netz gegangen sind.
Tatsächlich hat die Ampel-Regierung in Reaktion auf die Energiekrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine einen Streckbetrieb beschlossen und den über viele Jahre vorbereiteten Atomausstieg noch etwas herausgezögert. Nach längeren Diskussionen entschied Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober 2022 per "Machtwort", dass die drei verbliebenen Atomkraftwerke nicht wie ursprünglich geplant zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden, sondern bis zum 15. April 2023 weiterlaufen sollen.
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Ziel war es, die Stromversorgung während des Winters 2022/23 zusätzlich abzusichern. Die auch von der AfD zu dieser Zeit beschworenen "Blackouts" traten nicht ein, der Wegfall der Akw-Leistung konnte ausgeglichen werden. Gleichwohl sind im internationalen Vergleich hohe Strompreise eine Belastung für Verbraucher und Industrie - sowohl vor als auch nach dem Atomausstieg.
Hohe Steuerbelastung für Arbeitnehmer
Weidel liegt richtig, dass die durchschnittliche Belastung von Arbeitnehmern durch Steuern und Sozialabgaben in Deutschland deutlich über dem OECD-Schnitt liegt, aber am höchsten ist sie nicht.
Für unverheiratete Arbeitnehmer ohne Kinder führt die OECD-Statistik eine durchschnittliche Belastung von 47,9 Prozent für das Jahr 2023 an. Lediglich Belgien hatte eine höhere Quote, der OECD-Schnitt lag bei 34,8 Prozent. Im Gegenzug erhalten Menschen in Deutschland jedoch auch ein soziales Sicherungsnetz, das deutlich umfangreicher ist als in vielen anderen Staaten.
Weil der deutsche Staat Familien fördert und steuerlich anders behandelt als Single-Haushalte, sinkt die Steuerbelastung in bestimmten Konstellationen. Bei einem Haushalt mit einem Einkommen und zwei Kindern liegt die durchschnittliche Belastung laut OECD bei 33,1 Prozent. Hier liegt Deutschland im internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld. Laut OECD ist die durchschnittliche Belastung seit dem Jahr 2000 nicht gestiegen, sondern um rund fünf Prozent zurückgegangen.
Wie so häufig kommt es auch hier auf die Definition von Steuern und Abgaben an. Der Bund der Steuerzahler legt dies etwa deutlich umfangreicher aus als die OECD und kommt so auf eine Belastungsquote von über 50 Prozent für das zurückliegende Jahr - berechnet dafür aber auch Ausgaben wie Rundfunkgebühren mit ein.
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Kritik am deutschen Bildungssystem
Eine der vielen von Weidel angesprochenen Baustellen in Deutschland ist das Bildungssystem:
Weidel belegt ihre Aussage mit dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler in der letzten Pisa-Studie, einer international vergleichenden Untersuchung über Schülerleistungen und legt nach:
Mit ihrer Polemik gegen Genderstudien verkürzt Weidel ein komplexes Thema. Geschlechterbilder und Gender-Themen spielen in den Lehrplänen der meisten Schulfächer keine Rolle. Sie werden aber in übergeordneten Konzepten vieler Bundesländer gegen Diskriminierung behandelt. Darüber hinaus haben Erkenntnisse aus der Genderforschung etwa im Sexualkundeunterricht Einzug gefunden. Eine Übersicht, was in den verschiedenen Bundesländern an Regularien existiert, bietet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
In Bayern ist an diesem Montag das Genderverbot in Kraft getreten. In Schulen, Hochschulen und Behörden im Freistaat ist die Verwendung geschlechtersensibler Gendersprache von nun an ausdrücklich verboten.11.04.2024 | 3:20 min
Die Leistungen an deutschen Schulen waren in den im Dezember 2023 zuletzt veröffentlichten Untersuchungen tatsächlich so schlecht wie noch nie und im internationalen Vergleich nur Mittelmaß. Die Ergebnisse der 15-Jährigen fielen sowohl in Mathematik als auch in Lesekompetenz und Naturwissenschaften deutlich schlechter aus als 2018. Auch die erste Auflage der Untersuchung ging in Deutschland als "Pisa-Schock" in die Geschichte ein.
Quelle: ZDF
Datengrundlage ist die Auswertung von Fragebögen von mehr als 3.800 Schülern, die am jüngsten Pisa-Test 2018 teilgenommen haben. Bei dem Schulleistungsvergleich, für den die OECD verantwortlich ist, werden neben den obligatorischen Tests in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften bei 15-Jährigen jeweils auch persönliche Daten und Einschätzungen per Befragung erhoben. Diese werden für Sonderauswertungen genutzt. So kommt es auch zwischen den eigentlichen Pisa-Ergebnissen, die nur alle drei Jahre vorgelegt werden, immer wieder zu Veröffentlichungen von Pisa-Studienergebnissen.
Eine Erklärung für den neuerlichen Leistungsabfall sind die großen Einschränkungen im Schulbetrieb durch die Corona-Pandemie: Während in Deutschland mehr als zwei Drittel der befragten Schüler von Schulschließungen von mehr als Monaten berichten, war dies im OECD-Durchschnitt nur bei etwa der Hälfte der Fall. Besonders aufschlussreich ist dabei der Zusammenhang zwischen Schulschließungsdauer und Bildungserfolg - Länder mit kürzeren Schließungsperioden erzielten tendenziell bessere Pisa-Ergebnisse.
Hitler und die Nationalsozialisten als links und sozialistisch zu beschreiben, ist ein seit Jahren übliches Argument der Neuen Rechten, das von der Mehrheit der Geschichtsforschung aber verworfen wird. Bei der Frage, was rechts und links ist, geht es in den Sozialwissenschaften meist um die Frage von rechtlicher und ökonomischer Gleichheit der Menschen.
Kern des Nationalsozialismus war jedoch die völkische Identität. Er basierte auf Abgrenzung und Vernichtung aller Elemente, die nicht dieser völkischen Definition entsprachen. Auch die soziale Frage wurde dem untergeordnet, obwohl man strategisch bestimmte Parolen und Begriffe übernahm, um zum Beispiel die Gleichschaltung der Arbeiterschaft zu erreichen, oder sich von konservativen Eliten der Weimarer Republik abzugrenzen. Anti-Bolschewismus und Antisemitismus waren schon zu Beginn seiner politischen Karriere zentrale Überzeugungen Hitlers.
Elon Musks wichtigstes Unternehmen Tesla kämpft an der Börse. Wie gut ist er als Unternehmer und wie mächtig wird er unter Präsident Donald Trump? ZDFheute live ordnet ein.03.01.2025 | 32:10 min
Es gab innerhalb der NSDAP zeitweise einen Flügel um den Politiker Georg Strasser, der die soziale Frage und eine sogenannte "Querfront" mit sozialistischen Kräften in den Fokus rücken wollte. Er wurde nach internen Machtkämpfen aber bereits 1932 weitgehend entmachtet und Strasser 1934 ermordet.
Auch Weidels Darstellungen zur Wirtschaftsgeschichte sind äußerst verkürzend. Zwar setzten die Nationalsozialisten wie andere Länder auch in erheblichem Maße auf Staatsinvestitionen, um die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu bekämpfen, eine Entmachtung oder Enteignung der Großindustriellen gab es aber nicht. So gehören einige der damals einflussreichen Unternehmerclans bis heute zu den reichsten Familien Deutschlands.
Vielmehr wurde die Industrie durch staatliche Gremien und Produktionsvorgaben gelenkt, insbesondere in den Bereichen, die für die Rüstungsproduktion essenziell waren. Der Historiker Hans-Ulrich Thamer schreibt dazu: "Die kapitalistische Wirtschaftsstruktur wurde nicht abgeschafft, sondern auf ein vorrangiges Ziel ausgerichtet, um vor allem eine kurzfristige Leistungssteigerung zu erreichen." Was hingegen zwangsverstaatlicht wurde, war der Besitz von Juden und weiteren benachteiligten Gruppen. Zehntausende Linke und Kommunisten wurden vom NS-Staat für ihre politischen Überzeugungen ermordet.
Mit Spannung ist der X-Talk zwischen Milliardär Elon Musk und Alice Weidel erwartet worden. Was kam raus? Viel Gelächter, bizzare Thesen und eine erstaunlich schwache AfD-Chefin.