Nach Anschlag: Wie Magdeburg das Trauma aufarbeitet

    Anschlag auf Weihnachtsmarkt:Wie Magdeburg das Trauma aufarbeitet

    von Andreas Weise
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    Magdeburg steht weiter unter Schock. Mit 230 Betroffenen des Anschlags habe man gesprochen, mit etwa 800 rechnet der Opferbeauftragte. Nun wachsen Sorgen vor rechten Aufmärschen.

    Trauer in Magdeburg am 27.12.2025.
    Nach dem Anschlag in Magdeburg steigt die Zahl der Betroffenen weiter an. (Archivbild)
    Quelle: AFP

    Knapp vier Wochen nach dem Attentat auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt mit bisher sechs Toten und knapp 300 Verletzten steht die sachsen-anhaltische Landeshauptstadt immer noch unter Schock. Das Blumenmeer vor dem zentralen Gedenkort, der Johanniskirche unweit des Tatortes, wächst immer noch an.
    Der Raum der Landespressekonferenz im Magdeburger Landtag ist am Montag voll wie selten. Auf dem Podium die Justizministerin von Sachsen-Anhalt, Franziska Weidinger, der Bundesopferbeauftragte Roland Weber und die Opferbeauftragte des Landes Gabriele Theren.

    Überlebende benötigen möglicherweise lebenslange Hilfe

    Es geht darum, den Opfern des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vom 20. Dezember 2024 so schnell und so unbürokratisch wie möglich zu helfen. Summen wurden keine genannt - doch es gibt einige Schwerstverletzte, die unter Umständen ihr ganzes Leben lang Unterstützung benötigen.
    Magdeburg-Blumenmeer
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    Der Bundesopferbeauftragte sprach von mehreren Millionen Euro, die dafür zur Verfügung gestellt werden müssten. "Die Bundesrepublik Deutschland darf und wird die Betroffenen des Anschlags nicht allein lassen", so Weber in Magdeburg.

    Opferbeauftragter zu Anschlag: Etwa 800 Betroffene

    Die Zahl der Betroffenen steigt derweil immer weiter. Damit sind Verletzte oder Angehörige von Opfern gemeint. Und auch Augenzeugen, Notfallhelfer, Polizisten, die am Abend des Anschlags vor Ort waren - sie alle können betroffen sein, Probleme haben, das Gesehene, Erlebte zu verarbeiten.
    Von derzeit knapp 800 Betroffenen geht der Bundesopferbeauftragte aus. Mit 230 seien schon Gespräche geführt worden. Dass erste Hilfen schon geleistet worden sind, wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die Hilfestrukturen für Anschlagsopfer seit dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016 in Bund und Ländern deutlich ausgebaut wurden.
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    Motiv von Taleb A. weiter unklar

    Über das Motiv des mutmaßlichen Attentäters wird weiter gerätselt. Ein psychiatrisches Gutachten ist in Auftrag gegeben. Doch selbst wenn Taleb A. eine psychische Erkrankung attestiert wird, heißt das nicht, dass er automatisch milder bestraft würde, so die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft Naumburg.
    Auch die politische Aufarbeitung geht weiter. Im sachsen-anhaltischen Landtag soll ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, um Zusammenhänge und Hintergründe der Tat zu beleuchten. Es geht um Sicherheitskonzepte und warum der Täter, obwohl im Vorfeld durchaus auffällig, nicht entsprechend eingestuft wurde. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat nun eine Bundesratsinitiative zur besseren Vernetzung der Sicherheitsdienste angekündigt.
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    Widerstand gegen Instrumentalisierung durch Rechte

    Derweil wachsen die Sorgen vor einer weiteren Instrumentalisierung der Tat. Am Donnerstag jährt sich zum 80. Mal die sogenannte Magdeburger Bombennacht. Am 15. und 16. Januar 1945 wurden große Teile der Stadt zerstört. In den vergangenen Jahren nutzten rechtsextreme Gruppen dieses Gedenken für Aufmärsche. Stadt und zivilgesellschaftliche Gruppen stellen sich dem entgegen.
    Die Befürchtung, dass der Anschlag und das Gedenken gerade von Rechtsaußen instrumentalisiert werden, ist groß und real. Keine 24 Stunden nach der Tat versammelten sich Rechtsradikale im Stadtzentrum und die AfD hielt zwei Tage später auf dem Domplatz eine Kundgebung mit der Co-Vorsitzenden Alice Weidel ab.
    Hunderte Kerzen, Blumen und Plüschtiere finden sich vor der Johanniskirche für die Opfer des Anschlags.
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    Bundespräsident will mit Opfern und Helfern sprechen

    Um auch hier ein Zeichen zu setzen, hat sich nun Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem Besuch angemeldet. Er wird mit Opfern und Helfern sprechen, sich ins Kondolenzbuch der Stadt eintragen und auf dem Markt, da wo der Anschlag stattfand, eine Rede halten.
    Andreas Weise ist Leiter des ZDF-Studios in Sachsen-Anhalt.

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    Quelle: ZDF

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