Löst die Schuldenbremse den Haushaltsstreit?

Hinter den Kulissen wird gerade ein neuer Haushalt zusammengeschustert: Wie viel Geld bekommen welche Ministerien? Die Lage ist bekannt: Es klafft aktuell ein Loch von 30 bis 50 Milliarden Euro im Etat. Deshalb bricht innerhalb der Ampel-Koalition ein grundsätzlicher Konflikt wieder auf: Muss der Staat mehr Geld aufnehmen?

Die Liberalen sind strikt gegen mehr Schulden - Teile von SPD und Grünen sehen das anders. Einige fordern die Erklärung einer Notlage aufgrund des Hochwassers oder der Kriege.

Alternative Idee: ein Sonderfonds. Beides ist juristisch umstritten. Als einen Ausweg sehen einige die Lockerung oder gar Aussetzung der Schuldenbremse. Das ginge nur gemeinsam mit der Union - und auch das könnte am Bundesverfassungsgericht scheitern. Doch einige Minister und Parlamentarier würden diesen Weg versuchen wollen.

Kurz gefasst: Die Schuldenbremse verbietet ein Zuviel an neuen Krediten. 2009 wurde sie im Grundgesetz verankert - und seit 2011 nimmt die Staatsverschuldung kontinuierlich ab. Ausnahme war die Corona-Pandemie.

Kernsatz: Die Obergrenze der strukturellen Neuverschuldung liegt bei 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit legt die Schuldenbremse der Politik Fesseln an. Manche finden das richtig, andere falsch.

Gerade für den Haushalt 2025 verschärft sich die Lage durch geringere Steuereinnahmen, eine verschlechterte Wirtschaftslage und höhere Ausgaben für die Verteidigung. Es fehlt Geld - da wollen viele die Schuldenbremse neu auslegen.

Es ist eine Art Glaubenskrieg: Was wäre für die junge Generation gerechter - neue Schulden aufnehmen beispielsweise für Investitionen wie neue Brücken oder für Digitales? Oder keine neuen Schulden aufnehmen, um die junge Generation perspektivisch nicht mit noch höherer Staatsverschuldung zu belasten?

Mal ein griffiges Beispiel: Ausbau der Autobahnen. Manche meinen, lieber jetzt Geld aufnehmen, um Straßen auszubauen und marode Autobahnen zu erhalten. Andere meinen, nicht noch mehr dort zu investieren, denn noch höhere Zinsen seien der nächsten Generation nicht zuzumuten.

Die Frage ist auch. Wofür würde mehr Geld am Ende genutzt werden? Schon jetzt ist der Einzelplan 11 für Arbeit und Soziales mit 172 Milliarden Euro der größte Batzen - mehr als ein Drittel des Gesamtetats. Ein Löwenanteil für Rente und Grundsicherung.

Der Ökonom Daniel Stelter hat sich die Investitionstätigkeit der vergangenen Jahrzehnte angesehen und kommt zu dem Schluss, mehr Geld bedeute nicht unbedingt mehr Investitionen. Viele Kritiker einer Lockerung der Schuldenbremse meinen, neue Gelder würden vor allem für noch mehr Sozialausgaben draufgehen. Das wäre dann wohl wieder ungerecht.

Christian Lindner beharrt auf seiner Pro-Schuldenbremse-Politik - der FDP-Finanzminister ist auch der FDP-Chef. Und aus seiner Partei kommt ordentlich Druck - gerade von der Jungen Gruppe in der FDP-Fraktion, die rund ein Drittel seiner Abgeordneten ausmachen.

"Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verbriefte Generationengerechtigkeit. Allen muss klar sein: Ohne Schuldenbremse, ohne uns", sagte ihr Vorsitzender Jens Teutrine jüngst. Sollten SPD und Grüne planen, die Schuldenbremse abzuschaffen, "müssen sie sich eine Mehrheit jenseits der FDP suchen".

Eine, die massiv sparen soll, ist Annalena Baerbock. Die Außenministerin sagt: "Es wäre doch schon mehr als fatal, wenn wir in ein paar Jahren sagen müssten: Wir haben jetzt die Schuldenbremse gerettet, aber dafür unsere europäische Friedensordnung verloren."

Auch die SPD erhöht den Druck: Eine Initiative linker Sozialdemokraten war gar für ein Mitgliederbegehren zu den Haushaltsverhandlungen. Das wurde gerade wieder einkassiert - wohl vor allem, da sich der SPD-Kanzler Olaf Scholz hinter dem FDP-Finanzminister positioniert hat.

Auch unter den Wissenschaftlern tobt eine Schuldenbremsen-Debatte. Ifo-Präsident Clemens Fuest schreibt ein "Plädoyer für die Einhaltung der Schuldenbremse". So sei die Politik gezwungen, Prioritäten zu setzen.

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht es anders: die Investitionslücke sei dramatisch, Deutschland müsse mehr investieren. Deshalb bringt er drei Reformvorschläge ein. Einer davon will eine "atmende Schuldenbremse", die sich an die Konjunktur anpasst. Die wird von vielen Grünen-Anhängern propagiert.

Die FDP will "Prioritäten setzen" - mit dem Geld auskommen, was da ist, das ist die Linie. Die SPD scheint zerstritten bei der Schuldenbremse. In der Bevölkerung will gut jeder zweite Wahlberechtigte laut ZDF-Politbarometer an der Schuldenbremse festhalten. Eine knappe Mehrheit ist dafür.

Spannend wird, wie sich die Ampel am Ende einigt - bei dieser Schuldenbremse, die für die einen Fluch, für die anderen Segen ist.