Ökonom Kirkegaard: Schuldenbremse lähmt Deutschland

    Interview

    Lindner bei IWF-Tagung:Ökonom: Schuldenbremse lähmt Deutschland

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    Ökonom Kirkegaard sieht in der Schuldenbremse einen Grund für die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands. Finanzminister Lindner wirbt indes bei IWF-Tagung für den Standort.

    Christian Lindner äußert sich zusammen mit Joachim Nagel zu aktuellen Themen am 18.04.2024.
    Christian Lindner bei der IWF-Tagung
    Quelle: picture alliance/dpa

    In der US-amerikanischen Hauptstadt Washington wirbt Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Frühjahrestagung des Internationale Währungsfonds (IWF) und der Weltbank für Deutschland als attraktiven Standort. Er hat allen Grund dafür: Die Prognose des IWF zeigt Deutschland als Schlusslicht unter den großen Industrienationen - mit 0,5 Prozent Wachstum.
    Die Prognose müsse auch den Letzten in Deutschland davon überzeugen, dass an allen Stellschrauben gedreht werden müsse, "von Arbeitsmarkt bis Steuern", so Lindner bei X.

    Bundesfinanzminister Lindner bei X

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    Ökonom Jacob Funk Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washington sieht noch eine andere Stellschraube - die dürfte Lindner wiederum nicht gefallen.
    Otto Fricke (l-r), haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, und Dennis Rohde, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
    Die Schuldenbremse ist in diesem Jahr wieder in Kraft gesetzt worden.19.01.2024 | 1:39 min
    ZDFheute: Was ist die wichtigste Erkenntnis aus dem IWF-Bericht für den Westen?
    Jacob Funk Kirkegaard: Wir halten das abgebremste Wirtschaftswachstum häufig für etwas, das nur uns selbst betrifft. Der Bericht macht meiner Meinung nach sehr deutlich, dass es global passiert, sich aber auf die Schwellenländer konzentriert.
    Das hat beispielsweise zur Folge, dass wir nicht glauben sollten, dass wir weiterhin durch Export unseren Wohlstand generieren können. Volkswirtschaften wie die deutsche haben über Jahrzehnte durch Export riesiges Wachstum generiert, das wird sich nun stark abschwächen.

    Wir im Westen müssen erkennen, dass wir vor allem die Binnennachfrage im eigenen Land steigern müssen.

    ZDFheute: Der neue IWF-Bericht weist für Deutschland unter den G7 das schwächste Wachstum aus. Was sagen sie dazu?
    Kirkegaard: Deutschland zahlt den Preis für strategische Fehler, die es in den letzten Jahrzehnten im Hinblick auf seine Energieversorgung gemacht hat. Wenn man den meiner Meinung nach verfrühten Ausstieg aus der Atomenergie hinzunimmt, kommt man in eine schwierige Situation für die energieintensive Industrie, die in Deutschland traditionell sehr stark vertreten ist.
    Der haushalspolitische Sprecher der FDP, Otto Fricke, im Interview.
    "Wir haben klare Koalitionsvereinbarungen und die haben auch ganz klar und deutlich gesagt: Die Schuldenbremse gilt", sagt Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP. 30.01.2024 | 5:11 min
    Auch wenn sich aktuell eine Trendwende abzeichnet, bestehen strukturelle Problem weiterhin. Deutschlands Bevölkerung altert schneller als in den meisten EU-Ländern. Hinzu kommt die Tatsache, dass Deutschland sich mit der Schuldenbremse entschieden hat, seine Möglichkeit zu investieren und Fiskalpolitik zu machen, einzuschränken.

    Deutschland versucht also, das Wirtschaftswachstum wiederherzustellen, aber es bindet sich absichtlich beide Hände auf dem Rücken. Ich halte das für eine sehr schlechte Idee für die heutigen, aber vor allem für künftige Generationen.

    ZDFheute: Wo sehen Sie die großen wirtschaftlichen Herausforderungen?
    Kirkegaard: Das große Thema ist natürlich weiterhin der Klimawandel. Das erfordert das meiste Kapital, hat bei weitem die größten Auswirkungen.

    Und da würde ich sagen, dass wir in Europa ziemlich viele Fortschritte machen, die jedoch nicht zum Nulltarif zu haben sind.

    Wir verlieren Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie usw., aber die Emissionen gehen schnell zurück, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa. China stabilisiert sich und wird meiner Meinung nach sehr bald einen Rückgang der Emissionen verzeichnen.
    Kanzler Scholz schaut nach rechts beim EU-Gipfel in Brüssel.
    Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten wegen der schwächelnden Wirtschaft heute über die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Wie kann Europa künftig mit China und den USA mithalten? 18.04.2024 | 1:34 min
    ZDFheute: Worauf sollte sich Wirtschaftspolitik Ihrer Meinung nach konzentrieren?
    Kirkegaard: Wir sollten mit der Schwarzmalerei vorsichtig sein. Der Preis, den insbesondere Europa bei den energieintensiven Industrien zahlt, ist nicht umsonst. Die sinkenden Emissionen sollten ein Signal dafür sein, mehr zu investieren.

    Letztendlich können wir die industrielle Wettbewerbsfähigkeit nur wiedererlangen, wenn wir den grünen Wandel vollziehen.

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    Wir werden etwa mit den USA nie wettbewerbsfähig sein, bis wir eine vollständig dekarbonisierte Energieversorgung haben. Dafür müssen wir mehr investieren.

    Man kann es mit der Wettbewerbsfähigkeit nicht ernst meinen, wenn man heute nicht mehr in den Klimaschutz investiert.

    ZDFheute: Dieser Wandel dauert, ist tiefgreifend und teuer. Wo sehen Sie hier Fortschritte?
    Kirkegaard: Die jüngsten Daten aus 2023 zeigen, dass etwa die Bepreisung von Kohlenstoff schmerzhaft ist, aber sie funktioniert. Die Herausforderung ist groß, aber wir machen sehr bedeutende, greifbare Fortschritte, nicht nur in Europa, sondern weltweit.
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    Wenn Volkswirtschaften, die netto fossile Brennstoffe importieren, wie die europäische oder die chinesische, darauf verzichten können, ist das ein direkter Vorteil für die Handelsbedingungen.
    Hinzu kommt, dass sich viele der kriegführenden Regime, darunter Russland und der Iran, durch Erlöse aus fossilen Brennstoffen finanzieren. Ich meine, wenn man sich die russische Wirtschaft ansieht und Öl und Gas herausnimmt, was bleibt dann noch übrig?
    Das Gespräch führte Annette Brieger aus dem ZDF-Studio Washington.

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