Ökonom Kirkegaard: Schuldenbremse lähmt Deutschland
Interview
Lindner bei IWF-Tagung:Ökonom: Schuldenbremse lähmt Deutschland
|
Ökonom Kirkegaard sieht in der Schuldenbremse einen Grund für die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands. Finanzminister Lindner wirbt indes bei IWF-Tagung für den Standort.
Christian Lindner bei der IWF-Tagung
Quelle: picture alliance/dpa
In der US-amerikanischen Hauptstadt Washington wirbt Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Frühjahrestagung des Internationale Währungsfonds (IWF) und der Weltbank für Deutschland als attraktiven Standort. Er hat allen Grund dafür: Die Prognose des IWF zeigt Deutschland als Schlusslicht unter den großen Industrienationen - mit 0,5 Prozent Wachstum.
Die Prognose müsse auch den Letzten in Deutschland davon überzeugen, dass an allen Stellschrauben gedreht werden müsse, "von Arbeitsmarkt bis Steuern", so Lindner bei X.
Bundesfinanzminister Lindner bei X
Ein Klick für den Datenschutz
Erst wenn Sie hier klicken, werden Bilder und andere Daten von X nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von X übertragen. Über den Datenschutz dieses Social Media-Anbieters können Sie sich auf der Seite von X informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Ökonom Jacob Funk Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washington sieht noch eine andere Stellschraube - die dürfte Lindner wiederum nicht gefallen.
ZDFheute: Was ist die wichtigste Erkenntnis aus dem IWF-Bericht für den Westen?
Jacob Funk Kirkegaard: Wir halten das abgebremste Wirtschaftswachstum häufig für etwas, das nur uns selbst betrifft. Der Bericht macht meiner Meinung nach sehr deutlich, dass es global passiert, sich aber auf die Schwellenländer konzentriert.
Das hat beispielsweise zur Folge, dass wir nicht glauben sollten, dass wir weiterhin durch Export unseren Wohlstand generieren können. Volkswirtschaften wie die deutsche haben über Jahrzehnte durch Export riesiges Wachstum generiert, das wird sich nun stark abschwächen.
Wir im Westen müssen erkennen, dass wir vor allem die Binnennachfrage im eigenen Land steigern müssen.
„
ZDFheute: Der neue IWF-Bericht weist für Deutschland unter den G7 das schwächste Wachstum aus. Was sagen sie dazu?
Kirkegaard: Deutschland zahlt den Preis für strategische Fehler, die es in den letzten Jahrzehnten im Hinblick auf seine Energieversorgung gemacht hat. Wenn man den meiner Meinung nach verfrühten Ausstieg aus der Atomenergie hinzunimmt, kommt man in eine schwierige Situation für die energieintensive Industrie, die in Deutschland traditionell sehr stark vertreten ist.
Auch wenn sich aktuell eine Trendwende abzeichnet, bestehen strukturelle Problem weiterhin. Deutschlands Bevölkerung altert schneller als in den meisten EU-Ländern. Hinzu kommt die Tatsache, dass Deutschland sich mit der Schuldenbremse entschieden hat, seine Möglichkeit zu investieren und Fiskalpolitik zu machen, einzuschränken.
Deutschland versucht also, das Wirtschaftswachstum wiederherzustellen, aber es bindet sich absichtlich beide Hände auf dem Rücken. Ich halte das für eine sehr schlechte Idee für die heutigen, aber vor allem für künftige Generationen.
„
ZDFheute: Wo sehen Sie die großen wirtschaftlichen Herausforderungen?
Kirkegaard: Das große Thema ist natürlich weiterhin der Klimawandel. Das erfordert das meiste Kapital, hat bei weitem die größten Auswirkungen.
Und da würde ich sagen, dass wir in Europa ziemlich viele Fortschritte machen, die jedoch nicht zum Nulltarif zu haben sind.
„
Wir verlieren Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie usw., aber die Emissionen gehen schnell zurück, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa. China stabilisiert sich und wird meiner Meinung nach sehr bald einen Rückgang der Emissionen verzeichnen.
ZDFheute: Worauf sollte sich Wirtschaftspolitik Ihrer Meinung nach konzentrieren?
Kirkegaard: Wir sollten mit der Schwarzmalerei vorsichtig sein. Der Preis, den insbesondere Europa bei den energieintensiven Industrien zahlt, ist nicht umsonst. Die sinkenden Emissionen sollten ein Signal dafür sein, mehr zu investieren.
Letztendlich können wir die industrielle Wettbewerbsfähigkeit nur wiedererlangen, wenn wir den grünen Wandel vollziehen.
„
Die Sunmax GmbH aus Sachsen plant die Fertigung von innovativen Solarmodulen, die neben Energie auch Wärme produzieren können - für die Aufnahme der Großproduktion wird aber Staatshilfe benötigt.15.04.2024 | 2:29 min
Wir werden etwa mit den USA nie wettbewerbsfähig sein, bis wir eine vollständig dekarbonisierte Energieversorgung haben. Dafür müssen wir mehr investieren.
Man kann es mit der Wettbewerbsfähigkeit nicht ernst meinen, wenn man heute nicht mehr in den Klimaschutz investiert.
„
ZDFheute: Dieser Wandel dauert, ist tiefgreifend und teuer. Wo sehen Sie hier Fortschritte?
Kirkegaard: Die jüngsten Daten aus 2023 zeigen, dass etwa die Bepreisung von Kohlenstoff schmerzhaft ist, aber sie funktioniert. Die Herausforderung ist groß, aber wir machen sehr bedeutende, greifbare Fortschritte, nicht nur in Europa, sondern weltweit.
Zu der schwächelnden Wirtschaft in Deutschland sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr: "An die Strukturen müssen wir ran. Es muss leichter sein, für Unternehmen zu investieren."02.04.2024 | 7:42 min
Wenn Volkswirtschaften, die netto fossile Brennstoffe importieren, wie die europäische oder die chinesische, darauf verzichten können, ist das ein direkter Vorteil für die Handelsbedingungen.
Hinzu kommt, dass sich viele der kriegführenden Regime, darunter Russland und der Iran, durch Erlöse aus fossilen Brennstoffen finanzieren. Ich meine, wenn man sich die russische Wirtschaft ansieht und Öl und Gas herausnimmt, was bleibt dann noch übrig?
Das Gespräch führte Annette Brieger aus dem ZDF-Studio Washington.
Um dir eine optimale Website der ZDFmediathek, ZDFheute und ZDFtivi präsentieren zu können, setzen wir Cookies und vergleichbare Techniken ein. Einige der eingesetzten Techniken sind unbedingt erforderlich für unser Angebot. Mit deiner Zustimmung dürfen wir und unsere Dienstleister darüber hinaus Informationen auf deinem Gerät speichern und/oder abrufen. Dabei geben wir deine Daten ohne deine Einwilligung nicht an Dritte weiter, die nicht unsere direkten Dienstleister sind. Wir verwenden deine Daten auch nicht zu kommerziellen Zwecken.
Zustimmungspflichtige Datenverarbeitung • Personalisierung: Die Speicherung von bestimmten Interaktionen ermöglicht uns, dein Erlebnis im Angebot des ZDF an dich anzupassen und Personalisierungsfunktionen anzubieten. Dabei personalisieren wir ausschließlich auf Basis deiner Nutzung der ZDFmediathek, der ZDFheute und ZDFtivi. Daten von Dritten werden von uns nicht verwendet. • Social Media und externe Drittsysteme: Wir nutzen Social-Media-Tools und Dienste von anderen Anbietern. Unter anderem um das Teilen von Inhalten zu ermöglichen.
Du kannst entscheiden, für welche Zwecke wir deine Daten speichern und verarbeiten dürfen. Dies betrifft nur dein aktuell genutztes Gerät. Mit "Zustimmen" erklärst du deine Zustimmung zu unserer Datenverarbeitung, für die wir deine Einwilligung benötigen. Oder du legst unter "Einstellungen/Ablehnen" fest, welchen Zwecken du deine Zustimmung gibst und welchen nicht. Deine Datenschutzeinstellungen kannst du jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in deinen Einstellungen widerrufen oder ändern.