Ampel-Krise: "Stimmung in der Koalition höchst angespannt"

    Analyse

    Ampel in der Krise:"Stimmung in der Koalition höchst angespannt"

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    Die Ampel streitet über den Haushalt, bis Anfang Juli muss eine Einigung her. Außenministerin Annalena Baerbock warnt bereits vor einem Koalitionsbruch. Hält die Ampel?

    Eine Ampel leuchtet in allen Phasen Rot, Gelb und Grün
    Unter den Ampel-Koalitionären ist die Stimmung angespannt. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Es klingt ein wenig nach Endspiel. Eindringlich warnt Annalena Baerbock (Grüne) vor einem Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition. "Den größten Gefallen, den wir den Feinden der liberalen Demokratie im In- und Ausland tun könnten, wäre, dass noch eine europäische Demokratie vorzeitig in Neuwahlen geht", sagt sie.
    Und dann verwendet sie einen Kraftausdruck:

    Unser verdammter Job als Regierung ist es, auch in schwierigen Zeiten Probleme miteinander zu lösen.

    Annalena Baerbock (Grüne), Außenministerin

    Dieser verdammte Job. Eine Einigung muss her im Haushalts-Streit. Bis Anfang Juli müssen sich SPD, Grüne und FDP einigen. Und es sieht nicht gut aus. Alleine, dass Baerbock im Interview mit der Süddeutschen Zeitung den Begriff Neuwahlen fallen lässt, ist eine Ansage. Eine Drohung gar?
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    Ampel ist "vom Wähler angezählt"

    "Die Stimmung in der Koalition ist höchst angespannt", sagt Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele ZDFheute. Grund dafür sei auch die Klatsche, die SPD und Grüne bei der Europawahl kassiert hätten:

    Diese Koalition hat wenig ideologische Gemeinsamkeiten und ist vom Wähler angezählt. Ganz ehrlich: Alles andere als maximale Anspannung würde mich da wundern.

    Andrea Römmele, Hertie School of Governance

    Dennoch glaubt Römmele nicht an einen Bruch der Koalition. "Baerbock selbst und die Grünen können kein Interesse an Neuwahlen haben", sagt die Politikwissenschaftlerin. Baerbock habe erkennen lassen, dass sie Interesse an einer erneuten Kanzlerkandidatur habe.
    "Aber eine Partei, die momentan bei 14 Prozent steht, stellt keinen Kanzlerkandidaten auf." Dass Baerbock überhaupt das Wort Neuwahlen in den Mund nehme, solle lediglich den Druck auf die Dreierrunde Scholz, Habeck und Lindner erhöhen.
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    Ampel-Spitzen: Langes Treffen am Sonntagabend

    Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich Sonntagabend im Kanzleramt getroffen. Drei Stunden lang hat die Dreierrunde über den Haushalt diskutiert. Ergebnisse wurden nicht bekannt.
    Der Haushalt spaltet die Koalition. Lindner fordert einen strikten Sparkurs, um die Schuldenbremse einzuhalten. In der SPD gibt es dagegen Forderungen, Kürzungen zu verhindern. Linke Sozialdemokraten bringen bereits ein Mitgliederbegehren über den Haushalt ins Gespräch.

    SPD-Linke stellt Koalition in Frage

    Es dürfe keine Kürzungen geben in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie, Bildung und Demokratie, fordern sie. Der SPD-Abgeordnete Jan Dieren sagt ZDFheute: "Stattdessen brauchen wir Investitionen in diesen Bereichen, in bezahlbares Wohnen, eine nachhaltige Infrastruktur und einen ambitionierten Klimaschutz."
    Dieren macht davon auch einen Verbleib der SPD in der Ampel abhängig:

    Die Frage, ob eine Regierung unterm Strich für mehr soziale Gerechtigkeit sorgt, muss der unterste Maßstab dafür sein, ob eine Regierungsbeteiligung der Sozialdemokratie in Frage kommt.

    Jan Dieren, SPD-Abgeordneter

    Widerstand gegen Lindners Sparvorgaben kündigt auch Annalena Baerbock an, sie fordert unter anderem Investitionen für die Ukraine. "Es wäre fatal, in ein paar Jahren sagen zu müssen: Wir haben die Schuldenbremse gerettet, aber dafür die Ukraine und die europäische Friedensordnung verloren", sagt sie.
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    Ampel streitet auch über Bürgergeld

    Und es gibt weiteren Streit innerhalb der Koalition. Vergangene Woche war ein Dissens zwischen Scholz und Baerbock wegen möglicher neuer Russland-Sanktionen öffentlich geworden. Dass Scholz Sanktionen verzögere, soll Baerbock imageschädigend finden.
    Außerdem fordert FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, neu ankommenden Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine künftig kein Bürgergeld mehr zu zahlen. Eine Forderung, die Kanzler Scholz am Montag zurückweisen lässt. Seitens der Regierung gebe es keine entsprechenden Pläne, sagt Regierungssprecher Hebestreit.
    Es klingt so, als wolle Scholz Diskussionen in der Ampel schnell abräumen. Im ZDF-Interview hatte er am Samstag gesagt, die Kritik vieler Bürger, dass die Koalition zu viel diskutiere, sei berechtigt.
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    Politikwissenschaftlerin: "Echte Führungsaufgabe" für Scholz

    Von den vielen Streitthemen in der Koalition ist der Haushalt der gefährlichste für die Koalition. Denn hier geht es um die Markenkerne der Parteien. Seit Monaten sagen Ampel-Vertreter, der Haushalt sei eine Sollbruchstelle der Koalition. Scheitert die Ampel, dann an dieser Frage.
    Und so ist nun vor allem der Kanzler gefordert, sagt Andrea Römmele: "Das ist jetzt eine echte Führungsaufgabe." Sie glaube aber, dass SPD, Grüne und FDP eine Lösung im Haushaltsstreit finden:

    Das müssen sie ja. Und das werden sie auch. Denn das weiß auch Scholz.

    Andrea Römmele, Hertie School of Governance

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