Weidel-Aussage zu Hitler: Experten widersprechen AfD-Chefin
Faktencheck
NS-Staat war nicht "links":Experten verurteilen Weidels Hitler-Aussagen
von Nils Metzger, Jan Schneider
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Für Alice Weidel waren Hitler und der NS-Staat "links". Experten werfen der AfD-Politikerin Geschichtsfälschung und Desinformation vor. Was bezweckt Weidel mit ihren Aussagen?
Alice Weidel bei ihrem Gespräch mit Elon Musk am Donnerstag in Berlin.
Quelle: dpa
In ihrem Gespräch mit Elon Musk traf AfD-Vorsitzende Alice Weidel mehrere Aussagen zum Nationalsozialismus und Adolf Hitler, die unter Experten heftigen Widerspruch auslösten. So behauptete Weidel etwa:
Damit stellt sich Weidel gegen einen breiten Konsens der Geschichtsforschung zum Nationalsozialismus. Experten sehen darin auch einen gezielten Plan Weidels zur Umdeutung der NS-Geschichte.
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Warum war der Nationalsozialismus nicht "links"?
"Die Aussagen sind historisch abwegig. Hitler war in jeder Hinsicht ein rechtsradikaler, völkischer, rassistischer und antisemitischer Ideologe", sagt Lars Rensmann, Professor für vergleichende Regierungslehre an der Universität Passau. Rechtsextremismus basiere dabei auf einer Ideologie der "biologistisch konstruierten Ungleichheit", so Rensmann. Die "Gleichheit arisch reiner Volksgenossen" stehe im Gegensatz zur kommunistischen oder linken, "universalistischen" Ideologie der Gleichheit.
Stefanie Schüler-Springorum, Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin stellt klar:
"Ein kleiner sozialrevolutionärer, aber antimarxistischer Flügel innerhalb der Partei wurde 1930 entmachtet. Ein Bündnis der konservativen Eliten - Schwerindustrie, ostelbische Großgrundbesitzer, Reichswehr - brachte die NSDAP im Januar 1933 an die Macht. Ihre ersten Opfer waren KommunistInnen und SozialistInnen, die zu Tausenden verhaftet, in Konzentrationslager gesperrt und ermordet wurden", sagt Schüler-Springorum.
Rensmann erklärt: "Es gab zwar Differenzen innerhalb der NSDAP bis zur Konsolidierung des Regimes, was die Sozialpolitik angeht - dies relativiert aber in keiner Weise, dass es sich in jedem Fall bei Hitler und der NSDAP um eine geschlossen rechtsradikale Weltanschauung handelt", sagt Rensmann.
Auch der Historiker Udo Grashoff vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden widerspricht Weidel entschieden. "Die Behauptung, dass Hitler eigentlich ein Kommunist gewesen sein soll, finde ich sehr irritierend."
"Die Forschung zur sozialen Basis der Nationalsozialisten hat gezeigt, dass die NSDAP anders als im Namen behauptet im Kern keine Arbeiter- sondern eine bürgerliche Partei war, die insbesondere in protestantischen Regionen sehr starken Zulauf hatte", betont Grashoff. Klassisch konservativ sei Hitler jedoch nicht gewesen. "Der NS-Staat war zutiefst modern und somit auch ein Bruch mit reaktionären, deutschnationalen Tendenzen", so Grashoff.
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Weidel verteidigt ihre Aussagen in Interview
Noch am Donnerstag gab es heftigen Widerspruch gegen Weidels Aussagen im Talk mit Musk. Dennoch verteidigte sie in einem RTL-Interview am Abend ihre Thesen. "Ich bin Ökonomin und für uns ist völlig klar, dass Adolf Hitler ein Linker war", bekräftigte Weidel dort ihre Aussage.
"Ich weiche auch davon nicht ab: Adolf Hitler war ein Linker mit den gleichen Methoden wie heute. Mit Gleichschaltung von Medien, Einschränkung der Meinungsbildung und sonstigen Verboten und Ausgrenzung von anderen Meinungen." Hitler und Stalin seien "Brüder im Geiste" gewesen und "der Antisemitismus ist links", so Weidel.
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Große Unterschiede zum Totalitarismus der Sowjetunion
Um den Nationalsozialismus als links darzustellen, werden immer wieder echte oder vermeintliche Parallelen zur Sowjet-Diktatur gezogen. Auch hier weisen die Forscher aber auf zentrale Unterschiede hin.
"Die Sowjetunion, selbst in ihrer totalitären Phase unter dem Paranoiker Stalin, hatte keine biologistische oder eine ähnliche völkische Ideologie und Gesellschaftsauffassung", sagt der Politikwissenschaftler Rensmann. Marxismus, Bolschewismus und Kommunismus waren den Nationalsozialisten verhasste Ideologien. "Freilich hatte auch der Stalinismus und Poststalinismus in der Sowjetunion eine antisemitische und antizionistische Schlagseite", so Rensmann.
"Die beiden Hauptprojekte der Nationalsozialisten waren die Vernichtung des Judentums und die Eroberung von Lebensraum im Osten. Dagegen sah sich die Sowjetunion als Akteur des internationalen Klassenkampfes", stellt der Historiker Grashoff klar. Der bisweilen auftretende Antisemitismus der UdSSR sei vor allem klassenkämpferisch motiviert gewesen.
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Welche Ziele verfolgt Weidel mit dieser Umdeutung?
Hinter der Umdeutung des Nationalsozialismus stehe nach Ansicht der Experten eine bewusste Strategie der AfD:
Stefanie Schüler-Springorum verweist darauf, dass Weidels Geschichtsrevisionismus durchaus auf AfD-Parteilinie liege. "Gefährlich sind die geschichtsrevisionistischen Klimmzüge der AfD insofern, als sie einem Bedürfnis nach nationaler Entlastung in der deutschen Gesellschaft entgegenkommen und daher auch auf entsprechende Resonanz stoßen dürften."
Grashoff sieht in den Weidel-Äußerungen ein Ablenkungsmanöver: "Ich sehe in den erratischen Statements von Alice Weidel den Versuch eines verzweifelten Befreiungsschlages, einer absurden Verkehrung der massiven, bisweilen übertriebenen Vorwürfe an die AfD, eine Nazi-Partei zu sein."
... ist Historiker, der sich mit der Geschichte des Widerstands gegen den Nationalsozialismus und der DDR-Geschichte beschäftigt. Er lehrt am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden.
Zu seinem Forschungsschwerpunkt gehört unter anderem der Widerstand und die Opposition im NS-Regime sowie die Kollaboration mit der Gestapo im "Dritten Reich".
... ist ein Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt auf vergleichender Politikwissenschaft, politischer Theorie und internationalen Beziehungen. Aktuell hat er den Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Vergleichende Regierungslehre an der Universität Passau inne.
2023 war er offizieller Sachverständiger des Deutschen Bundestages zum Demokratieförderungsgesetz, auf Einladung der Grünen.
... ist Historikerin mit Schwerpunkt auf deutsch-jüdischer Geschichte, Antisemitismus und der Geschichte des Nationalsozialismus. Seit 2011 ist sie Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der Technischen Universität Berlin.
Mit Spannung war der X-Talk zwischen Milliardär Elon Musk und Alice Weidel erwartet worden. Was kam raus? Viel Gelächter, bizarre Thesen und eine erstaunlich schwache AfD-Chefin.