Interview
Protest gegen den Krieg:So hart bestraft Putin russische Teenager
von Manuela Conrad
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Sie sind mutig: Jugendliche, die in Russland gegen den Krieg in der Ukraine protestieren, erwarten hohe Strafen. Sie dienen der Abschreckung für Nachahmer.
Geschätzt 130 Jugendliche und junge Erwachsene befinden sich derzeit in russischer Haft. Es sind politische Gefangene, die es gewagt haben, sich gegen das System Putin aufzulehnen.06.09.2024 | 2:20 min
"Brauchen Sie so einen Präsidenten?" Diese Worte schrieb der gerade mal 15-jährige Arsenij Turbin aus Livny auf Flugblätter und verteilte sie in den Briefkästen der Nachbarn.
Am 20. Juni wurde er in Moskau vor einem Militärgericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Begründung: Er sei Teil einer "terroristischen Organisation". Sein Anwalt hat Berufung eingelegt, doch die Aussichten auf Strafmilderung sind gering.
Gericht: Protest gegen den Krieg sei "Terrorakt"
Auch der Schüler Egor Balasejkin sitzt seit anderthalb Jahren hinter Gittern. Mit 16 Jahren warf er nachts einen selbstgebastelten Molotowcocktail, der sich nicht entzündete, auf eine Einberufungsbehörde. Das Gebäude war leer. Als 17-Jähriger wird er in St. Petersburg, bewacht von 15 maskierten Polizisten, zu sechs Jahren Haft verurteilt - wegen versuchter Terroranschläge.
In seinen letzten Worten im Gerichtssaal, in denen russischen Angeklagten die Gelegenheit gegeben wird, sich noch einmal zu äußern, bat er alle, die ihn liebten, sich die Frage zu stellen: "Braucht ihr diesen Krieg noch"?
Seine Eltern, lange unpolitisch, verstehen nun, in welch repressivem Staat sie leben. Minderjährige, die ihren Protest zum Krieg ausdrücken, werden zu Terroristen gemacht, denn dadurch kann die russische Justiz höhere Strafen verhängen.
Der Menschenrechtler Oleg Orlow wurde von einem Moskauer Gericht zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft wegen seiner öffentlichen Kritik am Ukraine-Krieg verurteilt.27.02.2024 | 2:03 min
Valerio Krüger von der internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, sagt: "Putin zeigt hier sein klares Gesicht mit einer kompletten Härte."
Damit wolle Putin vor allem abschrecken, so Krüger.
Mutter: Mein Sohn will nicht mehr schweigen
Egor ist ein ausgezeichneter Schüler, macht erfolgreich Karate, erzählt seine Mutter dem ZDF. Die Beerdigung seines Onkels, der als Freiwilliger in der Ukraine kämpfte, die vielen Toten, die er in den sozialen Netzwerken fand - irgendwann sei er so verzweifelt gewesen und sah keinen anderen Ausweg als diese Tat.
Seine Mutter schildert, dass Egor bei der Festnahme fast erleichtert wirkte. Er wollte einfach nicht mehr schweigen zum Krieg.
Am 30. Oktober wird seit 1991 in Russland an die Opfer politischer Verfolgung gedacht. Dieses Jahr darf man noch nicht mal Blumen ohne Behördengenehmigung niederlegen.30.10.2023 | 2:12 min
Briefe an politische Gefangene
In der Parteizentrale in Moskau von Jabloko, der einzigen nennenswerten Oppositionspartei Russlands, schreiben sie Briefe an politische Gefangene. Die Russen, die hierher kommen, sind mutig. Denn schnell können auch sie in das Visier der Behörden geraten. Es sind auffallend viele junge Menschen.
Anastasia ist eine von ihnen: "Ich denke, es ist wichtig, mehr an die jüngeren politischen Gefangenen zu schreiben, zum Beispiel an die in meinem Alter, ich bin 18 Jahre alt. Und ich kann mir ehrlich gesagt immer noch nicht vorstellen, dass es politische Gefangene in diesem Alter gibt."
Wer sich Putins autoritärem Regime entgegenstellt, nimmt hohe Risiken in Kauf. Die preisgekrönte Doku begleitet drei junge Oppositionspolitikerinnen in den Monaten vor der Parlamentswahl in Russland im September 2021.09.10.2022 | 59:44 min
Steigende Zahl junger politischer Gefangener
Geschätzt 130 Kinder und Jugendliche sitzen als politische Häftlinge in Putins Gefängnissen. Die Zahlen steigen. Daria Kosyrewa ist die wohl bekannteste junge Kriegsgegnerin hinter Gittern.
Die Medizinstudentin aus St. Petersburg hatte ein Gedicht an ein Denkmal eines ukrainischen Schriftstellers geheftet. Im Februar wurde sie inhaftiert wegen "Diskreditierung der Armee". Das Urteil steht noch aus. Das ZDF konnte mit ihrem 18 Jahre alten Verlobten sprechen: "Egal, wie viel Druck sie ausüben", sagt er:
Als Egor Balasejkin im November letzten Jahres nach dem Urteil vom Gerichtsgebäude in Haft gebracht wird, warten ein Dutzend Unterstützer, um ihn zu sehen. Sei schreien laut in den Abendhimmel: "Egor, Egor, Egor". Sie wollen gehört werden und ihren Kampf nicht aufgeben.
Manuela Conrad berichtet über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
Im Krieg gegen die Ukraine gelten viele russische Soldaten als verschollen. Ihre Angehörigen wollen das nicht akzeptieren. Und klagen auch den russischen Staat an.08.05.2024 | 6:31 min
Quelle: ZDF
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