Expertin: Putin lässt "keinen Zweifel" an Kriegszielen
Interview
Expertin im heute journal:Putin lässt "keinen Zweifel" an Kriegszielen
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Putin will das politische System Russlands militarisieren, so Sabine Fischer. Die Zukunft des Landes hänge aus seiner Sicht vom Krieg in der Ukraine ab.
In seiner Rede an die Nation habe der russische Präsident deutlich gemacht, dass die Zukunft seines Landes vom Krieg abhänge, so die Russlandexpertin Sabine Fischer.29.02.2024 | 3:53 min
Marietta Slomka: Wenn wir jetzt so eine Art Textanalyse betreiben bei Putins Rede: War die herausragende Aussage Richtung Ausland dann die nukleare Drohung?
Sabine Fischer: Für mich nicht. Der außenpolitische Teil am Anfang hat eigentlich überhaupt nichts Neues gebracht. Für mich waren zwei Aspekte wichtig bei dieser Rede. Das eine war, dass Putin erklärt hat, dass die neue russische Elite eigentlich die Menschen sind, die jetzt an der Front kämpfen. Also, das steht wirklich auch für seine Vorstellung von einer Militarisierung des politischen Systems in meinen Augen.
Und er hat am Ende der Rede nochmal zusammengebunden und hat ganz klar gesagt: Alles, unsere Zukunft, die Entwicklung unseres Landes hängt von diesem Krieg und vom Kampf der Soldaten an der Front ab.
Auch das war für mich eine prägnante Aussage. Der außenpolitische Teil waren eigentlich nur Wiederholungen.
... ist Politikwissenschaftlerin und seit 2021 Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die Russland-Expertin beschäftigt sich seit 2014 besonders intensiv mit Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Slomka: Also er hat ja auch seine persönliche Zukunft dann mit diesem Krieg in Verbindung gebracht.
Fischer: Ja, das ist richtig, er macht das natürlich auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Aussage, das hat er mehrmals wiederholt, dass Russland entschlossen und auch fähig ist, seine Kriegsziele zu erreichen. Er hat auch die Kriegsziele nochmal wiederholt, also der Kampf, die Ausrottung des Nazismus in der Ukraine, die Errichtung dieses souveränen Russlands mit Kontrolle über die Ukraine und als Großmacht in den internationalen Beziehungen.
Also er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass diese Kriegsziele weiter bestehen.
Bei seiner Rede zur Lage der Nation hat Russlands Präsident Putin dem Westen gedroht. Zudem appellierte er an sein Volk, die Soldaten im Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen.29.02.2024 | 1:38 min
Slomka: Also Nazismus in der Ukraine, das ist dann sozusagen diese alte Täter-Opfer-Umkehr: Wir müssen ukrainische Nazis bekämpfen oder die böse Nato, die uns bedroht.
Fischer: Genau, das ist das klassische russische Narrativ, das besteht ja nicht erst seit 2022, sondern seit dem eigentlichen Beginn des Krieges 2014, dass der Krieg von Russland als "Verteidigungskrieg" dargestellt wird, gegen einen aggressiven Westen, der die Ukraine und dieses angeblich nazistische Regime in der Ukraine als Instrument gegen Russland einsetzt.
Putin hat in seiner Rede auch an die Moral seines Volks appelliert. ZDF-Korrespondent Armin Coerper mit Details.29.02.2024 | 1:05 min
Slomka: Nun kommt diese Rede ja zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, wenn man da von einer Wahl überhaupt sprechen soll, man müsste vielleicht eher von einer Akklamation oder einer Neuernennung des großen Führers sprechen. Und an einer Stelle soll Putin gesagt haben, (....) man werde die russische Demokratie stärken. Muss das nicht auch für das russische Publikum irgendwie absurd klingen?
Fischer: Das klingt sicherlich für einen Teil des russischen Publikums absurd und nicht umsonst haben sich tatsächlich über 200.000 Menschen an die Sammelpunkte des Oppositionskandidaten Boris Nadeschdin getraut und haben ihre Unterschrift unter seine Kandidatur gesetzt.
Es gibt einen Wunsch nach Demokratie in bestimmten Segmenten der Bevölkerung, aber bei wahrscheinlich immer noch einer Mehrheit der Bevölkerung kommen solche Aussagen an. Und das ist auch das Ergebnis von 20 Jahren in diese Richtung geformter Propaganda-Beschallung, der die Menschen in Russland eben ausgesetzt sind.
Die russische Wahlkommission hat dem Oppositionspolitiker Nadeschdin die Zulassung zur Präsidentschaftswahl im März verweigert - zu viele Unterschriften für ihn seien fehlerhaft.08.02.2024 | 2:31 min
Slomka: Und eine Mehrheit, wenn man Umfragen glaubt, oder vielleicht haben Sie da auch andere Erkenntnisse, steht auch hinter diesem kolonialen Anspruch, den Putin vertritt.
Fischer: Ja, in jedem Fall hinter der Vorstellung, dass Russland eine Großmacht sein muss mit einer geopolitischen Einflusssphäre und tatsächlich unterstützen - soweit wir eben den Umfragen vertrauen können, auch von unabhängigen soziologischen Instituten - unterstützt nach wie vor eine Mehrheit, von der wir nicht genau wissen, wie groß sie ist, diese Kriegspolitik gegen die Ukraine.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.