Notre-Dame-Architekt: Wiedereröffnung "wird sie umhauen"
Interview
Wiedereröffnung der Kathedrale:Notre-Dame-Architekt: "Es wird sie umhauen"
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Chefarchitekt Philippe Villeneuve leitete fünf Jahre die Baustelle von Notre-Dame. Im Gespräch verrät er, was die Gäste erwartet. Und wie er selbst auf die Wiedereröffnung blickt.
Sie restaurieren Notre-Dame - und haben sich seit zwei Jahren zu Chorproben getroffen und ihren Auftritt in der Kathedrale vorbereitet. Am 7. Dezember wird Notre-Dame wieder geöffnet. 21.11.2024 | 2:02 min
Philippe Villeneuve tritt durch eine Hintertür vor das weiträumig abgesperrte Areal um die Kathedrale, zündet sich erst einmal eine Zigarette an. Er wirkt nervös, angespannt. In den vergangenen fünf Jahren ist er eins geworden mit Notre-Dame. Nun gibt er die Kathedrale frei.
ZDFheute: Es wird mit 15 Millionen Gästen pro Jahr gerechnet. Was erwartet Sie?
Philippe Villeneuve: Es wird sie umhauen. Die Menschen werden Notre-Dame nicht wiedererkennen. Sie wird strahlen. Wir haben die helle Farbe der Steine freigelegt. Ihre Haut, die Gelenke, die ganze Silhouette haben wir mit unendlich viel Respekt behandelt. Wir haben nicht nur hier und da ausgebessert. Wir haben die Kathedrale in ihrer Ursprünglichkeit zurückgebracht.
Quelle: ZDF
... ist Chefarchitekt der französischen Denkmalbehörde. Nach dem Großbrand im Jahre 2019 wurde ein beispielloses Restaurierungsprojekt zur Rettung von Notre-Dame de Paris eingeleitet, das er leitet. Etwa 2.000 Menschen waren an der Rettung des Weltkulturerbes beteiligt. Auch nach dem Festakt werden die Arbeiten weitergehen: am Balken des nördlichen Belfrieds, an der Außenseite des Chors sowie der Abdeckung der Turmspitze.
Das Besondere an der Baustelle war das, was ich den Notre-Dame-Geist nenne. Ich persönlich habe ein enge Beziehung zu den Handwerkern aufgebaut. Und es herrschte ein Enthusiasmus von Beginn an, der bis heute gehalten hat. Wir alle wollten die Kathedrale aus der Asche erheben.
ZDFheute: Doch es gab auch Stillstand auf der Baustelle, etwa während der Corona-Pandemie. Was war rückblickend die größte Herausforderung?
Villeneuve: Die Frage, ob wir die Frist einhalten. Das ist uns dank der Mittel, die wir zur Verfügung hatten, gelungen. Eine Großzügigkeit der Spender, die bislang keinem Denkmal auf der Welt vergönnt war. Wir mussten keine Zeit damit verschwenden, die Frage der Finanzierung zu klären. Und es erlaubte uns, nicht nur zwei, sondern 150 Unternehmen zu engagieren, die mit dem besten Knowhow. So konnten wir die Restaurierung in hoher Qualität und doch kurzer Zeit durchführen. Es brauchte nur eine strenge Organisation und Planung.
Der goldene Hahn auf der Turmspitze wurde nach einem Entwurf von Philippe Villeneuve neu gestaltet. Mit flammenartigen Federn, die an den zerstörerischen Brand im April 2019 erinnern. Im Inneren der Skulptur: ein Papier mit den Namen all jener, die auf der Baustelle gearbeitet haben.
Am 15. April 2019 stand eines der berühmtesten Wahrzeichen Frankreichs in Flammen: die Pariser Kathedrale Notre-Dame. Das Großfeuer durchdrang auch die Gewölbe und schwächte die Kalksteinmauern. Nach einjährigen Aufräum- und Sicherungsarbeiten war die Einsturzgefahr gebannt, die historisch originalgetreue Rekonstruktion der Kathedrale konnte beginnen.02.12.2024 | 52:33 min
ZDFheute: Wie ist es für Sie, heute durch die Kathedrale zu gehen?
Villeneuve: Ich kenne diese Kathedrale in- und auswendig. Und jetzt fühlt es sich so an, als hätte es nie ein Feuer gegeben. Ich finde genau das wieder, was ich verloren habe. Was wir verloren haben. Und das rechtfertigt auch, warum wir die Kathedrale eben originalgetreu wieder aufgebaut haben.
Als im April 2019 die Pariser Kathedrale Notre-Dame in Flammen stand, überstand die Marienstatue den Brand unversehrt. Nun ist sie in das Gotteshaus zurückgekehrt.16.11.2024 | 0:21 min
ZDFheute: Notre-Dame, das ist viel Pathos und Pomp. Aber es gab auch Diskussionen, etwa um das Dach aus Bleiplatten, und die Angst vor einer zu hohen Belastung für die Nachbarschaft. Was ist daraus geworden?
Villeneuve: Wir haben alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Das gesamte Wasser, das vom Dach kommt, wird von den Wasserspeiern unten an den Spitzbögen ausgespuckt. Es wird gesammelt und gelangt dann in eine Filteranlage, um Bleipartikel - sollte es die überhaupt geben - aufzufangen. Von der Kathedrale Notre-Dame-de-Paris geht keine Verschmutzung aus.
Das Interview führte Anne Arend, Korrespondentin im ZDF-Studio Paris.
Notre-Dame steht in Flammen
Das Pariser Wahrzeichen steht in Flammen. Gegen 18:50 Uhr am 15. April 2019 wurde der Brand im Dachstuhl der Kathedrale entdeckt.
Mehr als 2.000 Tage nach dem Brand wird Notre-Dame wieder für die Öffentlichkeit geöffnet. Erkunden Sie interaktiv den Wiederaufbau der Kathedrale in Paris.
Quelle: ZDF
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