Ärztemangel in Italien: Notaufnahmen kurz vor dem Kollaps
Notaufnahmen kurz vor Kollaps:In Italien fehlen Ärzte - viele kündigen
von Barbara Lueg, Rom
|
Die Statistik ist alarmierend: Im Schnitt kündigen in Italien täglich sieben Ärztinnen oder Ärzte ihre Krankenhausjobs. Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, der Nachwuchs fehlt.
Unterfinanzierung und starker Personalmangel belasten Italiens Gesundheitssystem. Nun soll knapp die Hälfte des Budgets eingespart werden. Ärzte und Pflegepersonal protestieren.20.11.2024 | 2:12 min
Es sind erschreckende Bilder, die Klinikmitarbeiter heimlich in italienischen Krankenhäusern gedreht haben: Überall auf den Fluren liegen kranke und verletzte Menschen unversorgt in ihren Klinikbetten. In ganz Italien entstanden solche Bilder in diesem Jahr. "Medizinisches und pflegerisches Personal muss einfach besser bezahlt werden. Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden. Aber das ist eine Aufgabe für die Politik", sagt Francesco Franceschi, Leiter der Notaufnahme der Gemelli-Klinik in Rom.
"Wir brauchen die jungen Leute", sagt Franceschi. Es klingt fast flehentlich. Denn die Statistiken sind alarmierend: Im Schnitt kündigen in Italien jeden Tag sieben Ärztinnen und Ärzte ihre Jobs in Krankenhäusern, meistens in der Notaufnahme.
Im Rahmen eines Projektes des Unternehmens "32Bit" fährt ein Zahnarztbus durch die kleinen Orte auf der Ostsee-Insel Usedom. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung MV will damit neue Wege gegen den Ärztemangel testen.24.06.2024 | 2:34 min
Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen schrecken ab
Lange Arbeitszeiten, miese Bezahlung: Bedingungen, die immer mehr medizinische Nachwuchskräfte aus Italien ins Ausland treiben - und die Politik in die Enge. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni versucht nun umgekehrt, Mediziner aus dem Ausland nach Italien zu locken. Doch die Idee zündet nicht.
Denn die Ausgaben für das heimische Gesundheitspersonal bewegen sich seit Jahren zum großen Unmut der Betroffenen auf etwa demselben Niveau. Es gibt also kaum Aussicht auf Besserung. "Die Gesundheitsversorgung ist seit drei Jahren eine unserer Prioritäten", sagt Meloni. "Wir versuchen, den Gesundheitsfonds zu erhöhen, aber objektiv gesehen sind die Mittel, die wir haben, genauso, wie sie eben sind."
Lange Wartezeiten für Termine beim Arzt
Die knappen Finanzmittel spüren Ärzte und Patienten besonders abseits der großen Städte. In einem kleinen Ort bei Neapel sitzt Giancarlo Burrelli abgekämpft in seinem Behandlungsraum. Das Wartezimmer ist brechend voll. Seit 40 Jahren arbeitet er hier als Hausarzt und versorgt rund 200 Patientinnen und Patienten mehr, als die gesetzliche Höchstgrenze eigentlich erlaubt.
In der Notaufnahme der Ludwigsburger Klinik helfen Ehrenamtliche aus, wenn Pflegekräfte und Ärzte an ihre Grenzen stoßen. Die Freiwilligen leisten vor allem emotionale Unterstützung und erhalten dafür hohe Wertschätzung.10.07.2024 | 1:54 min
Italien: Nachwuchs im Gesundheitswesen fehlt
"Was soll ich machen? Viele wählen diesen Beruf einfach nicht mehr, weil sie - gerade wenn sie neu anfangen - über Nacht von null auf 1.700 Patientinnen und Patienten kommen - ohne Erfahrung. Das ist ein riesiges Problem", sagt Burrelli.
Für seine Patientinnen und Patienten bedeutet das: Wenn Burrelli bald in Pension geht, wird es wohl keinen Nachfolger geben. Und die Wartezeiten für Termine und wichtige Untersuchungen werden sich dann noch länger hinziehen als ohnehin schon. "Ich musste fast zwei Monate warten mit all den Schmerzen, die ich die ganze Zeit habe. Jetzt endlich bekomme ich eine MRT und Röntgenaufnahmen", erzählt Clotilde De Rosa im Wartezimmer.
Druck auf Regierung: Gewerkschaft ruft zu Streiks auf
Die Lage in der Gesundheitsversorgung in Italien spitzt sich zu. Die Gewerkschaft hat jetzt zu massiven Streiks aufgerufen. "Die Mittel, die die Regierung im Haushaltsgesetz vorgesehen hat, sind völlig unbefriedigend. Die größte Schwierigkeit, die wir als Gewerkschaft haben, besteht darin, die Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitswesen irgendwie zu halten", sagt Antimo Morlando von der Gewerkschaft CGIL in Neapel.
Hilfe fürs Land07.09.2023 | 29:50 min
Die Streiks sollen die italienische Regierung nun unter Druck setzen. Und vielleicht hilft da ja eine Maßnahme, die wohl auch angehende Medizinstudenten in Deutschland interessieren dürfte: Ab nächstem Jahr will die italienische Regierung alle Erstsemester für das Medizinstudium zulassen - ohne Aufnahmeprüfung, ohne Beschränkungen.
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.