Mehrheit der EU-Staaten dafür:Lieferkettengesetz: Berlin überstimmt
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Die Mehrheit der EU-Staaten hat nach Angaben der belgischen Ratspräsidentschaft in Brüssel für ein gemeinsames Lieferkettengesetz gestimmt. Deutschland enthielt sich einmal mehr.
In Brüssel haben sich die EU-Staaten im dritten Anlauf auf das umstrittene Lieferkettengesetz geeinigt. Auf Druck der FDP hat sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten.15.03.2024 | 0:23 min
Nach langem Ringen unterstützt eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft nun mit. Damit wurde Deutschland überstimmt, das sich im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten enthielt. Eine Enthaltung in dem Gremium wirkt wie eine Nein-Stimme.
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In der Bundesregierung drängte die FDP darauf, dass Deutschland nicht zustimmt. Die Liberalen befürchten etwa, dass sich Betriebe aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen. Politiker von SPD und Grünen befürworten das Vorhaben hingegen. Die Unstimmigkeiten hatten zu einem offenen Schlagabtausch in der Ampel-Koalition geführt.
Die EU hat das Lieferkettengesetz verabschiedet. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung. Was das Gesetz für deutsche Unternehmen bedeutet, berichtet Frank Bethmann.15.03.2024 | 1:27 min
Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich bereits im Dezember auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Damit sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. Das EU-Parlament muss dem Vorhaben noch zustimmen. Hier gilt eine Mehrheit als wahrscheinlich.
Zunächst keine Mehrheit
Weil die Einigung aus dem Dezember zunächst keine ausreichende Mehrheit unter den EU-Staaten gefunden hatte, wurde das Vorhaben noch mal deutlich abgeschwächt:
Statt wie ursprünglich geplant, soll es etwa nicht mehr für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten.
Die Grenze wurde auf 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro angehoben - nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. An diesen Geltungsbereich soll sich stufenweise herangetastet werden.
Nach einer Übergangsfrist von drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten.
Nach vier Jahren sinkt die Grenze auf 4.000 Mitarbeitende und 900 Millionen Umsatz.
Die EU-Kommission soll eine Liste der betroffenen Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen. Für sie könnten die Vorgaben gelten, wenn sie mit ihrem Geschäft einen bestimmten Umsatz in der EU erzielen.
Verwässert durch Politik und Lobby24.01.2023 | 9:25 min
Risikosektoren gestrichen
Zudem wurden demnach sogenannte Risikosektoren gestrichen, also Wirtschaftszweige, in denen das Risiko für Menschenrechtsverletzungen höher bewertet wird, wie etwa in der Landwirtschaft oder der Textilindustrie. Dort hätten auch Unternehmen mit weniger Mitarbeitenden betroffen sein können. Vorgesehen ist aber weiterhin, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen profitieren.
Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz. Die EU-Version geht aber trotz der Abschwächungen über dessen Vorgaben hinaus. So ist im deutschen Gesetz ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind.
Heil begrüßt Gesetz trotz deutscher Enthaltung
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die trotz deutscher Enthaltung zustande gekommene Mehrheit für das EU-Lieferkettengesetz begrüßt. Es sei endlich gelungen, "eine gemeinsame europäische Lösung für faire Lieferketten zu finden", sagte Heil, der die Richtlinie auf EU-Ebene federführend mit verhandelt hatte. Seit vielen Jahren setze er sich für faire Lieferketten ein, sagte Heil: "Es geht darum, dass in einer globalen Wirtschaft Menschenrechte nicht unter die Räder kommen".
Dazu gehöre der Schutz von Arbeitnehmern und Kindern vor Ausbeutung. Zudem würden mit dem Lieferkettengesetz faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen in Europa geschaffen.
FDP hat Blockadehaltung bis zum Schluss beibehalten
Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, kritisierte:
Die FDP habe ihre Blockadehaltung bis zum Schluss beibehalten, obwohl der vorgeschlagene Kompromiss ihren Forderungen entgegengekommen sei. Ein Bundeskanzler, der einen solch großen Schaden zu verantworten habe, sollte seinen europapolitischen Kompass prüfen, so die Grünen-Politikerin.
Die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn ihrerseits sagte: "Unterm Strich bleibt das Lieferkettengesetz praxisfern, weil grundlegende Probleme, wie unklare Haftungsregeln außerhalb des eigenen Einflussbereichs bestehen bleiben." Es sei aber der FDP zu verdanken, dass das Gesetz an vielen Stellen verbessert worden sei.