AKW Saporischschja: Wie groß ist die Gefahr?

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    Angst vor Katastrophe:AKW Saporischschja: Wie groß ist die Gefahr?

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    Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, die Lage am AKW in Saporischschja zu eskalieren. Wie groß ist die Gefahr einer Katastrophe wirklich?

    Moskau und Kiew werfen sich gegenseitig vor, einen Anschlag auf das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine vorzubereiten. Beide Seiten warnen vor einer Katastrophe. Einige Fragen und Antworten zur aktuellen Lage um Europas größtes Kernkraftwerk.

    Wie ist die allgemeine Lage im AKW Saporischschja?

    Das mit sechs Reaktoren größte AKW Europas liegt im umkämpften Gebiet Saporischschja, das teils von der Ukraine, teils von Russland kontrolliert wird. Die Reaktoren wurden im September 2022 heruntergefahren und sind seit Juni 2023 komplett abgeschaltet.
    Russische Truppen haben die Nuklearanlage in der Stadt Enerhodar bereits im März vergangenen Jahres besetzt. Im vergangenen Jahr hat Russland Inspektionen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) zugelassen. Seither halten sich dort dauerhaft Experten auf, um die Lage zu überwachen.

    Wie ist die Lage bei der Bevölkerung?

    "Die Behörden in Saporischschja melden kein massenhaftes Verlassen der Menschen aus der Stadt heraus", berichtet Dara Hassanzadeh aus Dnipro. An den Bahnhöfen und Ausfallstraßen gab es kein erhöhtes Verkehrsaufkommen. Die Behörden hätten die Bürger aber aufgefordert Lebensmittelvorräte für mehrere Tage anzulegen. "So gab es auch an einigen Supermärkten dann größere Einkäufe, die über das normale Maß hinausgehen", so Hassanzadeh. Die Menschen kennen die Gefahr, viele Menschen hätten Angst und Sorge aber auch die Hoffnung, dass kein Gau eintritt.

    Wie ist die militärische Situation um das Kraftwerk?

    Die Ukraine hat im Gebiet Saporischschja ihre militärischen Aktivitäten als Teil ihrer Großoffensive zur Rückeroberung ihrer Regionen massiv ausgeweitet. Auch das AKW soll befreit werden. Etwa 50 Kilometer östlich der Kraftwerksstadt Enerhodar verläuft aktuell die Frontlinie zwischen ukrainischen und russischen Truppen.
    Große Frontverschiebungen hat es dabei seit längerem nicht gegeben. Ukrainische Einheiten könnten jedoch auch einen Vorstoß über den ausgelaufenen Kachowka-Stausee wagen. Russen und Ukrainer lieferten sich zudem mehrfach Artillerieduelle über den Fluss Dnipro in AKW-Nähe. Dabei gab es auch Einschläge auf dem Kraftwerksgelände.

    Wie sind gegenseitigen Warnungen und Drohungen zu bewerten, wie ernst nehmen Experten das?

    Nach ukrainischen und russischen Angaben ist die Lage gespannt. Der Berater beim russischen AKW-Betreiber Rosenergoatom, Renat Kartschaa, behauptet, Kiew plane einen Terroranschlag, um die internationale Aufmerksamkeit für den Krieg zu erhöhen. Ziel Kiews sei es, unter dem Vorwand einer atomaren Bedrohung für ganz Europa die "rechtlichen Schleusen" zu öffnen für einen direkten Eingriff der Nato und des Westens in den Krieg.
    Allerdings hat die Ukraine aus Sicht von Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München, nicht die Fähigkeiten, das AKW von außen zu sprengen. Russland hingegen könnte mit einer Sprengung an dem von Moskaus Truppen kontrollierten AKW "Chaos stiften".

    Wie ist aktuell die Kühlwasser-Situation nach der Staudamm-Zerstörung?

    Wegen des zerstörten Kachowka-Staudamms ist auch die Versorgung des Kraftwerks mit Wasser beeinträchtigt. Der Wasserspiegel des Kühlteichs geht laut IAEA derzeit täglich etwa um einen Zentimeter zurück. Der Wasserstand liege gerade bei über 16 Metern und garantiere das Funktionieren des Kühlsystems für mehrere Wochen.
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    Ein kompaktes Sicherheitssystem kühlt vor allem die verbliebenen Brennstäbe.16.06.2023 | 1:10 min

    Wie groß ist die Gefahr, die von dem Kraftwerk ausgeht?

    Die Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart sind durch eine dicke Stahlbetonschicht geschützt. Damit sollen sie sowohl den Absturz von kleinen Flugzeugen als auch Explosionen im Inneren überstehen können. Auch eine ernsthafte Beschädigung durch Sprengsätze oder Artilleriebeschuss wäre nur schwer möglich.
    Durch Beschuss gefährdet ist jedoch das unweit der Reaktoren befindliche Atommüllzwischenlager. Über 170 Behälter aus Beton stehen unter freiem Himmel und würden einem Artillerieangriff kaum standhalten. Die Folgen wären dabei jedoch örtlich begrenzt.

    Bereitet sich Deutschland auf eine atomare Katastrophe vor?

    Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beobachte die Lage am AKW Saporischschja seit Kriegsbeginn intensiv, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. Sollte es in der Ukraine zu einer Freisetzung von Radioaktivität kommen, wären die Folgen vor Ort womöglich erheblich, hieß es seitens des BfS.

    Für Deutschland wären die radiologischen Auswirkungen einer Freisetzung in der Ukraine begrenzt.

    Eine Sprecherin des BfS auf Anfrage

    Bereits in der Vergangenheit wurde durch das BfS untersucht, wie sich Radioaktivität verbreiten würde. Demnach bewegten sich über ein Jahr hinweg in der Vergangenheit nur in etwa 17 Prozent der Fälle die Luftmassen aus der Ukraine nach Deutschland.
    Aufgrund der großen Entfernung zwischen der Ukraine und Deutschland würde es nach einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen in der Ukraine in den meisten Wetterlagen mindestens ein bis zwei Tage dauern, bis radioaktiv kontaminierte Luft nach Deutschland gelangen würde.
    Im schlimmsten Fall könnten auch in Deutschland in der Landwirtschaft festgelegte Werte für Nahrungsmittel überschritten werden. Dann würde eine Kontrolle von Futter- und Nahrungsmitteln erforderlich werden, gegebenenfalls auch eine Vermarktungssperre für kontaminierte Produkte. Nach Berechnungen des BfS ist nicht zu erwarten, dass weitergehende Maßnahmen wie Evakuierung, Aufenthalt in Gebäuden oder die Einnahme von Jodtabletten zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland notwendig würden.

    Wie ist die Haltung der Internationalen Atomenergiebehörde?

    Die UN-Behörde warnt seit langem vor den Folgen einer Eskalation. IAEA-Chef Rafael Grossi hat deshalb bei seinen Kontakten mit Moskau und Kiew auf die Einrichtung einer nuklearen Sicherheits- und Schutzzone um das Kernkraftwerk gedrängt. Seit fast einem Jahr sind mehrere IAEA-Experten in Saporischschja stationiert, um unabhängig die Sicherheitslage zu beurteilen. "Wir versuchen, so sichtbar und wirkungsvoll wie möglich vor Ort zu sein, um einen Atomunfall zu verhindern", sagte Grossi.

    Was will die Ukraine erreichen?

    Atomaufsichtschef Korikow in Kiew fordert wie die ukrainische Regierung internationale Sanktionen gegen Russlands Atomindustrie, um den Druck auf Moskau zu erhöhen, das Kernkraftwerk freizugeben. "In Europa ist die Meinung verbreitet, dass es ohne russische Brennstäbe nicht geht. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir völlig umgestellt haben und ganz ohne russische Technik auskommen. Niemand braucht Russlands Atomtechnik", sagte Korikow. Das AKW erhält Brennstäbe aus den USA.
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    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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    Quelle: Andreas Stein, Ulf Mauder, Matthias Röder und Anne-Beatrice Clasmann, dpa
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