Nachruf auf Papst Franziskus:Ein Papst als Türöffner für Reformen
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Papst Franziskus wollte eine Kirche für alle und soziale Fragen ins Zentrum kirchlichen Handelns stellen. Dafür bekam er heftigen Gegenwind der konservativen Katholiken.
Die Wahl des Erzbischofs von Buenos Aires zum Papst kam im März 2013 überraschend. Jorge Mario Bergoglio war damals bereits 76 Jahre alt und viele Beobachter hatten nach dem altersbedingten Rücktritt von Papst Benedikt XVI. mit einem jüngeren Pontifex gerechnet.
Papst Franziskus machte vom ersten Moment an deutlich, dass er Veränderungen in der katholischen Kirche will. Er wohnte nicht im Apostolischen Palast, sondern im Gästehaus des Vatikans, nutzte nicht die traditionelle Limousine, sondern einen Kleinwagen.
Kirche für die Armen statt Pomp und Macht
Franziskus wollte die katholische Kirche wegführen von Pomp und machtvollem Auftreten hin zu einer Kirche, die sich demütig an die Seite der Ausgegrenzten stellt, der Armen, der Arbeitslosen, der Flüchtlinge, der Alten und Kranken.
Sie alle würden von dem an wirtschaftlichem Erfolg orientierten Gesellschaftsmodell des Westens "weggeworfen". "Diese Wirtschaft tötet", schockte er mit drastischen Worten.
Seine Kritiker warfen ihm vor, ein Marxist zu sein. Franziskus wies das stets zurück und erklärte, wer in der Nachfolge Jesu stehe, müsse an der Seite der Armen und Ausgegrenzten für Gerechtigkeit kämpfen.
Wir müssen die Schreie der Armen genauso hören wie die Klage der Erde.
Papst Franziskus
Das betonte Franziskus und schrieb mit der Enzyklika "Laudato si" als erster Papst ein großes Lehrschreiben zur Ökologie.
Franziskus: Kritiker und Kämpfer für Gerechtigkeit
Wo er die Würde des Menschen und der Umwelt in Gefahr sah, mischte er sich lautstark ein. Unter Franziskus wurde die katholische Kirche wieder politischer als sie es unter seinem Vorgänger Benedikt XVI. war.
So lange waren die Päpste im Amt
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Allerdings irritierte er immer wieder mit seinem Vorgehen, etwa als er im Ukraine-Krieg zwar den Krieg scharf verurteilte und Russland auch als Aggressor benannte; Präsident Wladimir Putin als Verantwortlichen aber kritisierte er nie.
Auch gegenüber China schlug er stets versöhnliche Töne an: Zu den Protesten der Demokratiebewegung in Hongkong ab 2019 schwieg er, den Dalai Lama traf er nie.
Dennoch sahen vor allem viele Menschen im globalen Süden in Franziskus einen Hoffnungsträger für mehr Gerechtigkeit und damit eine bessere Zukunft.
Papst brach mit vielen kirchlichen Traditionen
In der zweiten Hälfte des Pontifikats bemühte er sich um ein Miteinander der Religionen, um Gewalt und Hass die religiöse Grundlage zu entziehen. Er war überzeugt, alle sind Geschöpfe Gottes und müssen sich für eine geschwisterliche Welt einsetzen.
Innerkirchlich fällt Franziskus' Bilanz gemischt aus. Er brach mit vielen Traditionen. Statt traditionelle Kardinalssitze wie Mailand oder Berlin zu bedenken, berief er Bischöfe aus der Mongolei, der Elfenbeinküste oder anderen Ländern der kirchlichen Peripherie in den "Senat der Kirche".
Er wollte die Dominanz der Europäer beenden. In der Pastoral vor Ort wurden viele Dinge einfacher: Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene oder den evangelischen Partner in konfessionsverschiedenen Ehen waren für Franziskus kein Problem.
Diskrepanz zwischen Praxis und Lehre unter Franziskus
Er wollte eine Kirche für alle, die nicht ausgrenzt, sondern in der auch die einen Platz haben, die nicht zu 100 Prozent der traditionellen katholischen Lehre entsprechend leben.
Allerdings weigerte er sich, das Kirchenrecht und die offizielle Lehre zu ändern. So bleibt am Ende an vielen Stellen eine vom Papst geduldete Diskrepanz zwischen Praxis und Lehre eine Bürde für seinen Nachfolger.
Damit taten sich viele Katholiken und Bischöfe in Deutschland schwer. Sie wollten Reformen in Recht und Lehre, um Strukturen zu verändern, die sexuellen oder geistigen Missbrauch und Vertuschung erleichtert hatten. Franziskus kritisierte den Synodalen Weg bis zum Schluss, konnte oder wollte ihn aber letztlich nicht verhindern.
Veränderungen in katholischer Kirche angestoßen
Er initiierte selbst für die Weltkirche einen ähnlichen Prozess, um die Strukturen in der Kirche zu verändern: er wollte mehr Beteiligung der Gläubigen und mehr Regionalisierung.
Doch wie schon bei den angeführten Moralthemen gab es auch hier großen Widerstand der Konservativen. Sie fürchten um die Einheitlichkeit in der katholischen Kirche. Ihr Gegenwind bremste Franziskus immer wieder.
Dennoch, auch wenn Franziskus für viele deutsche Katholiken zu zögerlich war bei Reformen, er hat die Türen für Veränderungen weit aufgestoßen. Vieles ist am Ende seines Pontifikats in greifbare Nähe gerückt, was noch vor gut zehn Jahren undenkbar war: etwa ein Diakonat für Frauen oder das Ende des Pflichtzölibats.
Das Drängen vieler lokaler Kirchen auf Veränderung ist groß, sein Nachfolger wird sich dem nicht völlig verschließen können. Franziskus hat die Kirche damit nachhaltig verändert.
Jürgen Erbacher leitet die Redaktion Religion und Leben.
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