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Land Niedersachsen:Wie die Politik mit in der VW-Krise hängt
von Frank Bethmann
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In der Krise steht das VW-Gesetz erneut in der Kritik. Nicht zum ersten Mal. Die Sonderregelung ist umstritten. Dem Land Niedersachsen räumt sie wichtige Zusatzrechte ein.
Auch vor der vierten Tarifrunde stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation. Die IG-Metall droht Volkswagen mit einer Eskalation, die der Autobauer so noch nicht erlebt habe.09.12.2024 | 1:30 min
Vor Beginn der 4. Tarifrunde bei VW sind die Fronten verhärtet. Management und Belegschaftsvertreter kämpfen um Jobs und Standorte. An der Ausgangslage, seit Langem bekannt, hat sich nichts geändert: Die Fertigungskosten sind zu hoch, die Auslastung der heimischen Werke viel zu gering. Dass sich VW so schwer tut mit dem Wandel, hat viel mit der Eigentümerstruktur des seit 87 Jahren bestehenden Weltkonzerns zu tun.
VW-Gesetz: Nichts geht gegen den Willen des Landes
In keinem anderen Großunternehmen hat die Politik so viel Einfluss. Dies lässt sich historisch begründen und liegt am VW-Gesetz. Das hatte der Bundestag 1960 bei der Privatisierung des Konzerns erlassen. Bis dahin war VW ein reiner Staatskonzern gewesen. Die neuen Strukturen sollten den Autobauer auch vor feindlichen Übernahmen schützen.
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Das VW-Gesetz legt unter anderem fest, dass das Land Niedersachsen, in dem VW seinen Sitz hat, eine Sperrminorität besitzt. Das heißt: Wichtige Beschlüsse der Hauptversammlung erfordern eine Mehrheit von mehr als 80 Prozent statt der üblichen 75 Prozent. Da Niedersachsen 20,2 Prozent der Aktien hält, hat es bei zentralen Entscheidungen praktisch ein Vetorecht.
Politik und Gewerkschaft haben kein Interesse an Stellenabbau
"Man hat sozusagen Blockademacht", wie es Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) formuliert. Erst recht, wenn das Land Niedersachsen im Schulterschluss mit den Arbeitnehmervertretern agiert, was in der Vergangenheit häufig der Fall war und wenig überrascht. Denn beide - Landesregierung und Gewerkschaft - haben kein großes Interesse an Stellenabbau und Einsparungen.
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Nur sei deren Macht in Kombination mit der Landesregierung zu groß, so der Aktionärsvertreter, denn auch Niedersachsen habe stets primär die Interessen der VW-Beschäftigten im Blick - die ja auch Wählerinnen und Wähler sind.
"Politik sollte sich aus dem Unternehmen zurückziehen"
"Die Politik sollte sich aus dem Unternehmen zurückziehen", fordert daher nicht nur Clemens Fuest. Sehr viel deutlicher ist Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts (Center Automotive Research). Für das VW-Gesetz hat er nur ein Wort übrig:
Anpassungen, so der Autofachmann, seien bei VW dadurch immer und immer wieder in die Zukunft verschoben worden. Die Hauptursache für die Probleme ist laut Dudenhöffer und anderen der zu große Einfluss von Politik und Betriebsrat. So seien bei VW die Löhne zu hoch, die Arbeitszeit zu niedrig und nun könnten die deutschen Werke unterm Strich keine Autos mehr zu wettbewerbsfähigen Preise bauen.
Könnte Opel Bochum als Vorbild dienen?
Dudenhöffer rechnet vor: Sollte das Land Niedersachsen seine 59 Millionen Stammaktien verkaufen, würde das der Landesregierung in Hannover deutlich mehr als 5 Milliarden Euro in die Kasse spielen. "Was könnte man alles mit 5 Milliarden Euro in Niedersachen machen", fragt der Autofachmann rhetorisch. Um gleich die Antwort zu geben: Man könne etwas Neues, etwas Modernes, etwas Zukunftsfähiges in Wolfsburg und an den anderen Standorten aufbauen.
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Dudenhöffer denkt dabei an den schmerzhaften Strukturwandel bei Opel im Bochum. Einst montierten dort mehr als 20.000 Menschen Kadetts, Mantas oder Zafiras. Am Ende waren es noch 2.700 Opelaner. Sie alle verloren ihren Job.
Neben der Deutschen Post DHL Group haben sich dort die Bosch-Tochter EATS (Spezialist für Cyber Security), die Universität und ausgerechnet auch Volkswagen Infotainment angesiedelt. Ein Tochterunternehmen, das Software für Autos entwickelt.
Niedersachsens Ministerpräsident Weil in der Zwickmühle
"Festzukleben an einem vermeintlich wertvollen Besitz kann ein Fehler sein", bilanziert Dudenhöffer. In Hannover freilich dürfte man das ganz anders sehen. Konkrete Pläne, die VW-Beteiligung zu verkaufen, gibt es nicht. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sitzt deshalb in der Zwickmühle.
Als Landesvater ist er den Niedersächsinnen und Niedersachsen verpflichtet, von denen mehr als 100.000 bei Volkswagen arbeiten. Als Aufsichtsratsmitglied bei VW hat er ein anderes Problem: Entscheidet er sich gegen betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen, droht VW, der größte Arbeitgeber und Steuerzahler des Bundeslandes, der Niedergang.
Quelle: ZDF
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