Dax auf Rekordniveau - trotz mauer Konjunkturdaten
Deutsche Wirtschaft:Dax auf Rekordniveau - trotz mauer Konjunktur
von Mischa Ehrhardt
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Rezessionssignale mehren sich, Firmen melden eine geringe Auftragslage, geopolitische Spannungen nehmen eher zu als ab. Doch die Börse feiert neue Rekorde. Wie passt das zusammen?
Sein bisheriges Allzeithoch hat der Dax kürzlich übersprungen. (Archivbild)
Quelle: AFP
Die Wirtschaftsdaten aus den vergangenen Wochen sprechen eine klare Sprache: Die Wirtschaft schrumpft, zumindest aber spüren Unternehmen wie Verbraucher hierzulande kräftigen Gegenwind.
Deutsche Wirtschaft auf leichtem Schrumpfkurs
In der letzten Ifo-Befragung gibt die Mehrzahl der Unternehmen an, dass ihre Auftragsbestände "zu klein" seien. "Folglich dürften immer mehr Unternehmen in den kommenden Monaten ihre Produktion herunterfahren, um sie dem aktuellen Auftragseingang anzupassen", sagt Volkswirt Ralph Solveen von der Commerzbank.
Trotz dieser doch insgesamt recht bescheidenen Perspektiven feiert der Dax an der Börse in Frankfurt neue Rekorde. Zu Nikolaus hat er sein bisheriges Allzeithoch übersprungen und in dieser Woche noch weiter zugelegt - am Donnerstag stieg er erstmals in seiner Geschichte auf über 17 000 Punkte. Wie passt das zusammen?
Kriege, Corona und Inflation, viele Unternehmen leiden unter den Folgen dieser Krisen und müssen in die Insolvenz. Die Creditreform Wirtschaftsforschung beobachtet das Insolvenzgeschehen seit 2022.04.12.2023 | 2:06 min
Warten auf sinkende Zinsen
Zum einen lässt sich nachweisen, dass es öfter geschieht, dass zum Jahresende die Kurse an den Aktienmärkten noch einmal anziehen. Das hat verschiedene Gründe. Einer ist, dass beispielsweise bestimmte Fonds versuchen, im Jahr gut laufende Aktien noch zuzukaufen, um ihr Produkt aufzuhübschen - auch "window-dressing" genannt.
Die Antwort liegt aber vor allem an den veränderten Erwartungen, die Anleger an die Notenbanken stellen. Und zwar zum Teil gerade auf Grund der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage. "Obwohl sich die weichen Indikatoren in letzter Zeit auf niedrigem Niveau stabilisiert haben, rechtfertigt das schwache makroökonomische Umfeld keine Zinserhöhungen mehr", stellt der Chefvolkswirt der ING. Carsten Brzeski fest.
Sprich: Der Zinsgipfel könnte überschritten sein. Und manche Beobachter rechnen sogar schon damit, dass wichtige Notenbanken wie die amerikanische Fed oder die Europäische Zentralbank die Zinsen im kommenden Jahr auch schon wieder senken könnten.
Die in der Regel damit einhergehende konjunkturelle Abkühlung ist ein Grund, weswegen Aktienmärkte in Phasen steigender Zinsen unter Druck geraten können. Zum anderen aber führen hohe Zinsen auch dazu, dass Anleihen für Investoren lukrativ werden.
Denn deren Zinsen steigen in der Regel mit den allgemein steigenden Zinsen. Deswegen schichten viele Investoren um, gehen aus Aktienmärkten raus und stecken ihr Geld in Anleihemärkte. Aktuell sind Anleger also gerade dabei, perspektivisch möglicherweise wieder sinkenden Zinsen "einzupreisen", was die Nachfrage nach Aktien erhöht.
Allerdings ist es aktuell keineswegs sicher, dass die Zinsen bald sinken werden. Hauptsächlich hängen die weiteren Schritte der EZB davon ab, wie sich die Inflation im Euroraum entwickeln wird. Und das wiederum hängt auch davon ab, ob und wie stark sich höhere Lohnabschlüsse in den Preisen bemerkbar machen.
Die Teuerung geht zurück, doch für eine Entwarnung bei den Preisen ist es noch zu früh, ebenso für eine Senkung der Leitzinsen. Das richtige Timing bleibt aber schwierig.
von Frank Bethmann
Zwar ist auf Grund des starken Verlustes an Kaufkraft noch keine Preis-Lohn-Spirale in Sicht, bei der sich Preise und Löhne gegenseitig in die Höhe schaukeln. Dennoch könnte die "letzte Meile", wie es Bundesbankpräsident Joachim Nagel kürzlich ausgedrückt hat, "die härteste sein". Soll heißen: Eine hohe Inflation grob wieder herunterzubekommen, ist vergleichsweise einfacher als die letzten Schritte hin zum tatsächlichen Inflationsziel zu gehen.
Die Börsenparty könnte also schnell vorüber sein, wenn sich herausstellt, dass die Notenbanken mit ihrem Kampf gegen die Inflation noch nicht am Ende sind. Oder wenn geopolitische Konflikte und Krisen weiter eskalieren.