Skiflug-WM am Kulm - noch ohne Frauen

    Sicherheit im Fokus:Skiflug-WM am Kulm - noch ohne Frauen

    von Lars Becker
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    Bei der Skiflug-WM von Freitag bis Sonntag am Kulm in Österreich fehlen die Frauen - noch. Dabei ist die spektakuläre Weitenjagd in den letzten Jahren viel sicherer geworden.

    Ski-Springe in Bad Mitterndorf, aufgenommen am 29.01.2023
    Die Skiflug-Schanze am Kulm ist eine der größten Schanzen der Welt. Ein Wettbewerb für Frauen wird hier nicht ausgetragen.
    Quelle: Imago

    Größer könnte der Unterschied kaum sein. Wenn die Männer am Kulm auf einer der größten Schanzen der Welt ihre Skiflug-Weltmeister ermitteln, springen die Frauen an diesem Wochenende ihren Weltcup im slowenischen Ljubno. Auf einer Kleinschanze, auf der sie nicht einmal halb so weit fliegen können.

    "Schanzengleichheit" noch nicht gegeben

    Das zeigt wieder einmal: Zur "Schanzengleichheit" fehlt im Skispringen noch ein gutes Stück. Allerdings halten das wegen der vergleichsweise großen Gefahr auf den Monster-Skiflugschanzen selbst große Verfechter der Gleichberechtigung in der Luft für eine gute Idee.

    Es sollte bei den Frauen weiter Schritt für Schritt gehen, das muss sensibel und langfristig aufgebaut werden.

    Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher

    Im vergangenen Winter durften die besten 15 Frauen auf der größten Schanze der Welt im norwegischen Vikersund erstmals offiziell Skifliegen.
    Ema Klinec freut sich nach ihrer Landung beim Skifliegen in Vikersund
    15 Top-Springerinnen dürfen beim ersten Skifliegen ran, und sie feiern ein gelungenes Debüt. Ema Klinec siegt mit 226 Metern, Katharina Althaus wird Vierte. Es gibt jedoch Kritik.20.03.2023 | 1:31 min
    Die Premiere ging ohne schlimmen Sturz und mit einem spektakulären Weltrekord-Flug der Slowenin Ema Klinec auf 226 Meter über die Bühne. Daraufhin wurde die Zahl der startberechtigten Frauen auf dem Monsterbakken für dieses Jahr auf 20 erhöht und das große Saison-Finale der Frauen hat erstmals Weltcup-Status.

    Die Flieger beschreiben Skifliegen wie eine Adrenalin-Sucht, von der man einfach nicht loslassen kann. Mit etwa 100 Stundenkilometern heben sie vom Schanzentisch ab und landen nach bis zu acht Sekunden Flug mit 130 Sachen. Die Belastung bei der Landung beträgt bis zu 5 G - das entspricht einem freien Fall aus 2,5 Metern Höhe.

    Mit den mentalen Anforderungen bewegt man sich beim Skifliegen im Grenzbereich. Der Puls geht hoch bis 180, der Adrenalinausstoß erreicht wie bei Menschen in Todesangst oder Jetpiloten vor der Landung das Vierfache des normalen Wertes. Dafür gibt es dann nach einer erfolgreichen Landung einen wahrhaft explodierenden Ausstoß von Glückshormonen, den man an den Gesichtern und Reaktionen eindrucksvoll ablesen kann.

    Der deutsche Rekordhalter Markus Eisenbichler beschrieb es als "wahnsinniges Kribbeln" schon in der Luft, der ehemalige Flieger Christof Duffner fand es "mindestens so gut wie ein Orgasmus". Der zweimalige Skiflug-Weltmeister Sven Hannawald hat einen weiten Flug mal mit "einer Landung auf dem Mars" verglichen.

    Laut Ex-Skiflug-Champion und ZDF-Experte Severin Freund gibt es auf dieser Welt nichts, was dem großen menschlichen Traum vom Fliegen näherkommt: "Dieses traumhafte Fluggefühl zwischen Höhe, Geschwindigkeit gibt es außerhalb des Skifliegens einfach nicht. Höchstens Basejumpen oder Wingsuit-Fliegen kommen vielleicht in die Nähe."

    Zwischen Weltrekord-Jagd und Wahnsinn

    Die nächsten Schritte könnten Weltcup-Skifliegen auf den drei anderen Giganten-Schanzen in Oberstdorf, am Kulm und in Planica sein. Die Organisatoren des traditionellen Männer-Weltcup-Finals haben zudem angekündigt, dass sie 2028 in Planica die erste Skiflug-Weltmeisterin der Frauen krönen wollen.
    Katharina Althaus bei einem ihrer Sprünge
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    Genau dort, wo 1972 der erste Flug-Champion der Männer ermittelt wurde. Spätestens seitdem sind die Skiflug-Shows der unumstrittene Höhepunkt des Winters für Flieger und Fans - auch deshalb, weil der Nervenkitzel bei der Gratwanderung zwischen Weltrekord-Jagd und Wahnsinn am größten ist.

    Morgensterns Horror-Sturz wirkt nach

    Bei dieser Skiflug-WM am Kulm kommen die Bilder des Horror-Sturzes von Thomas Morgenstern wieder hoch. Vor zehn Jahren hatte der dreimalige Olympiasieger und Skiflug-Weltmeister bei über 100 Stundenkilometern in der Luft die Kontrolle über seine Ski verloren, war aus größerer Höhe mit dem Kopf und Rücken aufgeschlagen und bewusstlos den Aufsprunghang heruntergerutscht.
    26.02.2023, Slowenien, Planica: Ski nordisch: Weltmeisterschaft, 1700: Skispringen - Teamspringen Mixed, 1. Durchgang. Selina Freitag aus Deutschland in Aktion.
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    Einen guten Monat später schrieb der Österreicher mit Team-Silber bei den Olympischen Spielen von Sotschi eine unglaubliche Comeback-Geschichte - doch kurz danach beendete Morgenstern seine große Karriere, weil er seine Angst nicht mehr bewältigen konnte.

    Schummeleien kaum mehr möglich

    Auch der viermalige Skiflug-Weltmeister Daniel Andre Tande stand nach seinem Horrorsturz am 25. März 2021 in Planica an der Schwelle zum Tod. Doch seitdem hat sich in Sachen Sicherheit durch Regeländerungen einiges getan. Die weit geschnittenen Anzüge, die wegen ihrer großen Tragfläche vor allem Wettbewerbe auf großen Schanzen unkalkulierbar machten, wurden limitiert.

    Wilde Idee des Weltverbandes FIS
    :Gibt es bald Skispringen in Dubai?

    Die Vierschanzentournee hat fast ohne Schnee stattgefunden. Das hat revolutionäre Ideen der FIS befeuert. Gibt's bald Springen in Brasilien oder Dubai? Die Athleten sind skeptisch.
    Daniel Tschofenig
    Schummeleien sind durch die Einführung des Bodyscans nicht mehr möglich. "Die Stabilität ist gleich geblieben in der Luft - gleichzeitig gibt es die ganz großen Ausreißer-Sprünge, die die Wettkampf-Steuerung für die Jury extrem schwer gemacht haben, nicht mehr. Skifliegen ist sicherer geworden", glaubt Bundestrainer Horngacher.

    Flüge bis zu 250 Meter weit

    Und so werden sie bei der WM am Kulm wieder auf die Jagd nach Flügen bis knapp an die 250-Meter-Marke gehen - der Schanzenrekord des Slowenen Ziga Jelar steht bei 247,5 Metern. Das sind nur sechs Meter weniger als der Weltrekord des Österreichs Stefan Kraft (253,5 Meter/Vikersund).

    15. März 1936: Sepp Bradl (Österreich) 101 Meter (Planica)
    2. März 1950: Sepp Weiler (Deutschland) 127 Meter (Oberstdorf)
    21. März 1965: Peter Lesser (DDR) 145 Meter (Kulm/letzter Weltrekord dort)
    11. Februar 1967: Lars Grini (Norwegen) 150 Meter (Oberstdorf)
    7. März 1976: Toni Innauer (Österreich) 176 Meter (Oberstdorf)
    17. März 1984: Matti Nykänen (Finnland) 185 Meter (Oberstdorf)
    17. März 1994: Toni Nieminen (Finnland) 203 Meter (Planica)
    23. März 1997: Espen Bredesen (Norwegen) 210 Meter (Planica)
    19. März 1999: Martin Schmitt (Deutschland) 214,5 Meter (Planica)
    19. März 2000: Andreas Goldberger (Österreich) 225 Meter (Planica)
    23. März 2003: Matti Hautamäki (Finnland) 231 Meter (Planica)
    20. März 2005: Björn Einar Romören (Norwegen) 239 Meter (Planica)
    11. Februar 2011: Johan Remen Evensen (Norwegen) 246,5 Meter (Vikersund)
    14. Februar 2015: Peter Prevc (Slowenien) 250 Meter (Vikersund)
    15. Februar 2015: Anders Fannemel (Norwegen) 251,5 Meter (Vikersund)
    18. März 2017: Robert Johannson (Norwegen) 252 Meter (Vikersund)
    18. März 2017: Stefan Kraft (Österreich) 253,5 Meter (Vikersund)

    An der Jagd nach immer weiteren Flügen haben sich am Kulm auch schon die Frauen beteiligt: Daniela Iraschko-Stolz stand hier vor 21 Jahren den ersten 200-Meter-Sprung in der Geschichte des Frauen-Skispringens. Damals war die Österreicherin Vorspringerin und wurde als besonders außergewöhnliche Attraktion angekündigt.

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