Kann der DFB von anderen Sportarten lernen?

Als der DFB ausgerechnet in die Crunch-Time des Basketball-WM-Finales zwischen Deutschland und Serbien die Meldung von der Freistellung Hansi Flicks als Bundestrainer platzen ließ, war die Entrüstung groß. Selbst nichts auf die Reihe zu kriegen, aber anderen die Show vermasseln - so lautete der Tenor der Kritik.

Dabei passierte der Fauxpas möglicherweise ganz unabsichtlich, weil man beim DFB nur mit einem beschäftigt war: mit sich selbst. Acht Monate vor der Heim-EM scheint es dagegen wichtiger als je zuvor, über den eigenen Tellerrand zu blicken, um ein Debakel zu verhindern.

"Ganz ehrlich, wir sind an einem Punkt, da können wir nichts mehr verlieren", sagt Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme im aktuellen Bolzplatz.

Aber wenn man sich die Liste der gehandelten Kandidaten für die Flick-Nachfolge anguckt, stößt man durchweg auf alte Bekannte der Liga oder des DFB. Da wirkt sogar der Name Louis van Gaal innovativ, da er der erste ausländische Nationaltrainer in Deutschland wäre.

Ob van Gaal, Nagelsmann, Kuntz oder Sammer, sie wären von vornherein ohnehin nur zweite Wahl. Wenn jemand gesucht wird, "der nicht nur Spieler mitnehmen kann, sondern ein ganzes Land", wie es Sport1-Chefreporter Patrick Berger im Bolzplatz formuliert, trifft die Jobbeschreibung nur auf Jürgen Klopp zu. Und der hat ja schon abgesagt.

Bei Julian Nagelsmann stellt sich zusätzlich die Frage, wie er in einer Mannschaft aufgenommen wird, die fast zu einem Drittel aus Spielern von Bayern München besteht, die er dort zum Schluss anscheinend nicht mehr erreicht hat.

Tabea Kemme plädiert dagegen für völlig neue Wege. "Ich wünschte mir einen internationalen Trainer oder eine Trainerin, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist und auch unsere deutsche Kultur als solche nicht kennt."

Eine andere Kultur und Sprache könnten das fehlende Puzzleteil im Team sein. "Wenn du zum Beispiel englisch sprechen musst, dann merkst du, dass du über die einfachen Dinge redest."

Und auf die Einfachheit komme es an. "Keep it simple" (Halte es einfach), sagt Temme. "Die Spieler sind technisch brillant ausgebildet, sie sind taktisch brillant ausgebildet. Da muss man nicht groß etwas machen, lass einfach die Leinen los und lass sie laufen."

Das klingt fast wie das Rezept, das Rudi Völler und seine Assistenten Hannes Wolf und Sandro Wagner der Mannschaft vor dem Spiel gegen Frankreich mitgegeben haben "Wir haben uns sicher etwas mehr auf die Basics des Fußballs konzentriert", sagte Thomas Müller nach dem Spiel. "Die drei haben es gut gemacht, die haben eine gute Mischung gefunden aus Inhalt und einer gewissen Lockerheit.

Demnach wird es für den neuen Bundestrainer mehr darauf ankommen, die vorhandenen Potenziale freizusetzen, als dem Team jede Menge neuer Inhalte einzuflößen. Wie man mit langen Ansprachen eine Mannschaft ermüden kann, zeigt die Dokumentation "All or nothing" über die deutsche Mannschaft während der WM in Katar deutlich auf.

Teamgeist lässt sich von oben genauso wenig verordnen wie ein Sommermärchen. "Wie man seine Rolle mit einbringt, um eine geile Teamleistung auf die Plattform zu legen, haben wir in einer anderen Sportart gesehen", sagt Kemme und meint die deutschen Basketballer unter Leitung des kanadischen Trainers Gordon Herbert. Kemme erinnert sich aber auch noch gut an ein gemeinsames Training, das die deutschen Fußballfrauen vor dem Olympiasieg 2016 mit der Hockeynationalmannschaft absolvierten.

"Uns ist das Gesicht weggefallen, weil wir gesehen haben: So geht es", sagt Kemme. "Und das war nicht der Trainingsinhalt, sondern die Art und Weise des Umgangs." Auch Manu Thiele plädiert am Ende des Bolzplatzes für den Blick über den Rasenrand und rät der Nationalelf: "Ein Training mit den Basketballern, warum nicht?"