Das 2:2 gegen Mexiko liefert sachdienliche Hinweise, was der deutschen Fußball-Nationalmannschaft noch fehlt. Aber der neue Bundestrainer ist auf dem richtigen Weg.
Erst einmal wollte Julian Nagelsmann nach diesem lehrreichen Abend in Philadelphia mit seiner Mannschaft allein sein. Runter vom zerfurchten Rasen des Lincoln Financial Field und rein in die Katakomben, wo der neue Bundestrainer seine wichtigste Botschaft nach dem leistungsgerechten Remis gegen Mexiko (2:2) übermittelte: "Ich habe der Mannschaft in der Kabine gesagt: Ich bin davon überzeugt, dass wir erfolgreich sein werden. Wir haben Dinge okay gemacht, andere Dinge waren nicht so gut", berichtete Nagelsmann im Anschluss.
Die Fehlerquellen sind zwar nicht versiegt, aber der Lernfortschritt stimmt den Fußballlehrer ausgesprochen optimistisch.
Für die Heim-EM nächsten Sommer versprach Nagelsmann: "Bis zum Turnier müssen die Dinge alle sitzen - und bis dahin werden sie alle sitzen." Da ist einer von seinem Team, aber auch sich selbst als Trainer ziemlich überzeugt.
Völler voll des Lobes
Sportdirektor Rudi Völler hat jedenfalls den erhofften Impuls gespürt. "Julian Nagelsmann war genau der Richtige, ein Glücksfall - auch mit seiner Art, an Dinge ranzugehen", bilanzierte der 63-Jährige die USA-Reise des DFB-Teams.
Gegen einen stärkeren Gegner als die USA (3:1) sei das deutsche Spiel das eine oder andere Mal "ein bisschen fahrlässig gewesen", aber die Stoßrichtung stimme, so Völler. Nagelsmann ist ohnehin davon überzeugt, "dass wir unser Heil in der Offensive suchen müssen, aber wir wollen versuchen, weniger Angriffe gegen uns zu kriegen, das ist der Schlüssel."
Nagelsmann zimmert tragfähiges DFB-Gerüst
Insgesamt hat der 36-Jährige mit seiner zupackenden Art die Gruppe zusammen mit seinen Assistenten Benjamin Glück und Sandro Wagner mitgenommen und auch überzeugt. Da hat einer in anderthalb Wochen für die DFB-Auswahl ein tragfähiges Gerüst gezimmert, für das Vorgänger Hansi Flick angeblich Monate brauchte - und doch war alles beim geringsten Widerstand vom Einsturz bedroht.
Die Abwehrschwächen sind beileibe nicht ausgemerzt, vor allem Niklas Süle sah bei beiden mexikanischen Gegentoren von Uriel Antuna (37.) und Erick Sanchez (47.) denkbar schlecht aus. Aber das Korsett ist gefunden: Unabhängig von der Genesung eines Manuel Neuer ist Marc-André ter Stegen ein Torwart auf Topniveau, dem das Vertrauen gehört. Antonio Rüdiger, nach einer einstudierten Eckballvariante der Torschütze des 1:0 (25.), scheint im Abwehrzentrum gesetzt, sein Nebenmann dürfte vorerst Mats Hummels heißen.
Der DFB-Elf habe beim 2:2 gegen Mexiko die Ruhe gefehlt, so ZDF-Reporterin Amelie Stiefvatter: "Nichtsdestotrotz haben die Jungs Julian Nagelsmanns Konzept echt gut umgesetzt".18.10.2023 | 1:46 min
Kapitän Gündogan und seine Analyse
Ilkay Gündogan ist als stilprägender Anker im zentralen Mittelfeld vorgesehen, auch die Kapitänsbinde wird ihm Nagelsmann auch bei einer Rückkehr von Neuer nicht nehmen, zumal Gündogan auch präzise Analysen stellt.
In der Zentrale hat sich überdies der spielintelligente England-Legionär Pascal Groß empfohlen, der erst 32 Jahre alt werden musste, bis jemand vom DFB auf ihn aufmerksam wird.
Leon Goretzka reiht sich dahinter ein, der erkrankt abgereiste Joshua Kimmich muss sich seinen Platz entweder erst zurückerobern oder nach rechts hinten ausweichen. Die vorderen Positionen in der Mittelfeldanordnung sind vorerst an Florian Wirtz und Jamal Musiala vergeben, was deshalb richtig ist, weil deren spielerische Veranlagung auch mit Blick auf die Zukunft die höchste Kreativität verspricht. Und vorne haben einmal mehr Leroy Sané und der eingewechselte Niclas Füllkrug gepunktet, die als Wegbereiter und Vollstrecker beim 2:2 (51.) ihre Fähigkeiten demonstrierten.
Schon in den Testspielen gegen die Türkei in Berlin (18. November) und dann gegen Österreich in Wien (21. November) will Nagelsmann die Defensive verbessern, die Abläufe in der Offensive festigen. Viel könnte darauf hinauslaufen, dass 14, 15 Nationalspieler danach wissen, dass sie ganz viel Verantwortung, aber auch Hoffnungen ins nächste Fußball-Jahr für eine erfolgreiche EM 2024 nehmen. Allein dafür hat sich der im Vorfeld umstrittene Trip in die USA gelohnt.